Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Zweites Kapitel: Das Jahr 1848. einer mehr glauben. Wir fürchten, daß diese Lüge, wenigstens imBewußtsein der untern Volksschichten, auf lange Zeit hin zu Geschichte werde, wenn ihr nicht durch ausführliche, mit Beweisen belegte Darstellungen des wahren Hergangs der Sache entgegen¬ getreten wird, und zwar sobald als möglich, da bei dem außer aller Berechnung liegenden Lauf der Zeit heut und morgen neue Ereignisse eintreten könnten, welche die Aufmerksamkeit des Publikums durch ihre Wichtigkeit dergestalt in Anspruch nähmen, daß Erklärungen über die Vergangenheit keinen Anklang mehr fänden. Es würde unsrer Meinung nach von dem erheblichsten Ein¬ Der General von Prittwitz ist auf diese Anregung nicht ein¬ 1) Bismarck-Jahrbuch VI 8 ff.
Zweites Kapitel: Das Jahr 1848. einer mehr glauben. Wir fürchten, daß dieſe Lüge, wenigſtens imBewußtſein der untern Volksſchichten, auf lange Zeit hin zu Geſchichte werde, wenn ihr nicht durch ausführliche, mit Beweiſen belegte Darſtellungen des wahren Hergangs der Sache entgegen¬ getreten wird, und zwar ſobald als möglich, da bei dem außer aller Berechnung liegenden Lauf der Zeit heut und morgen neue Ereigniſſe eintreten könnten, welche die Aufmerkſamkeit des Publikums durch ihre Wichtigkeit dergeſtalt in Anſpruch nähmen, daß Erklärungen über die Vergangenheit keinen Anklang mehr fänden. Es würde unſrer Meinung nach von dem erheblichſten Ein¬ Der General von Prittwitz iſt auf dieſe Anregung nicht ein¬ 1) Bismarck-Jahrbuch VI 8 ff.
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Zweites Kapitel: Das Jahr 1848.
einer mehr glauben. Wir fürchten, daß dieſe Lüge, wenigſtens im
Bewußtſein der untern Volksſchichten, auf lange Zeit hin zu
Geſchichte werde, wenn ihr nicht durch ausführliche, mit Beweiſen
belegte Darſtellungen des wahren Hergangs der Sache entgegen¬
getreten wird, und zwar ſobald als möglich, da bei dem außer
aller Berechnung liegenden Lauf der Zeit heut und morgen
neue Ereigniſſe eintreten könnten, welche die Aufmerkſamkeit des
Publikums durch ihre Wichtigkeit dergeſtalt in Anſpruch nähmen, daß
Erklärungen über die Vergangenheit keinen Anklang mehr fänden.
Es würde unſrer Meinung nach von dem erheblichſten Ein¬
fluß auf die politiſchen Anſichten der Bevölkerung ſein, wenn ſie
über die unlautere Quelle der Berliner Bewegung einigermaßen
aufgeklärt werden könnte, ſowie darüber, daß der Kampf der März¬
helden zur Erreichung des vorgeſchützten Zweckes, nämlich der
Vertheidigung der von Sr. Majeſtät verſprochenen conſtitutionellen
Inſtitutionen, ein unnöthiger war. Ew. Excellenz als Befehlshaber
der ruhmwürdigen Truppen, welche bei jenen Ereigniſſen thätig
waren, ſind unſres Erachtens vorzugsweiſe berufen und im Stande,
die Wahrheit über dieſelben auf überzeugende Weiſe ans Licht zu
bringen. Die Ueberzeugung, wie wichtig dies für unſer Vaterland
ſein und wie ſehr der Ruhm der Armee dabei gewinnen würde,
muß uns zur Entſchuldigung dienen, wenn wir Ew. Excellenz ſo
dringend als ehrerbietig bitten, eine, inſoweit die dienſtlichen Rück¬
ſichten es geſtatten, genaue und mit Beweisſtücken verſehene Dar¬
ſtellung der Berliner Ereigniſſe vom militäriſchen Standpunkt ſo
bald als möglich der Oeffentlichkeit übergeben zu laſſen 1).“
Der General von Prittwitz iſt auf dieſe Anregung nicht ein¬
gegangen. Erſt am 18. März 1891 hat der General-Lieutenant z. D.
von Meyerinck in dem Beiheft des „Militär-Wochenblatts“ eine
Darſtellung zu dem von mir bezeichneten Zwecke geliefert, leider
ſo ſpät, daß grade die wichtigſten Zeugen, namentlich die Flügel¬
1)
Bismarck-Jahrbuch VI 8 ff.
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