Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern. Adresse der besitzlosen Classen von Lasker und Richter haben dierevolutionäre Tendenz dieser Abgeordneten so klar und nackt hin¬ gestellt, daß für Anhänger der monarchischen Regirungsform keine politische Gemeinschaft mehr mit ihnen möglich ist. Der Plan des Städtebundes mit seinem ständigen Ausschuß am Sitze des Reichstages war der Berufung der "Föderirten" aus den fran¬ zösischen Provinzialstädten im Jahre 1792 nachgebildet. Der Ver¬ such fand im deutschen Volke keinen Anklang, zeigt aber, wie auch in unsern fortschrittlichen Abgeordneten das Material für Convents¬ deputirte zu finden wäre. Die Vorarbeiter der Revolution recru¬ tiren sich bei uns ziemlich ausschließlich aus dem gelehrten Pro¬ letariat, an welchem Norddeutschland reicher ist als der Süden. Es sind die studirten und hochgebildeten Herrn, ohne Besitz, ohne Industrie, ohne Erwerb, welche entweder vom Gehalt im Staats- und Gemeindedienst oder von der Presse, häufig von beiden leben, und welche im Reichstage erheblich mehr als die Hälfte der Ab¬ geordneten stellen, während im wählenden Volke ihre Anzahl einen geringen Procentsatz nicht überschreitet. Diese Herrn sind es, welche das revolutionäre Ferment liefern und die fortschrittliche und nationalliberale Fraction und die Presse leiten. Die Sprengung ihrer Fraction ist nach meinem unterthänigsten Dafürhalten eine wesentliche Aufgabe der erhaltenden Politik, und die Reform der wirthschaftlichen Interessen bildet den Boden, auf welchem die Re¬ girungen diesem Ziele mehr und mehr näher treten können. Eurer Majestät danke ich ehrfurchtsvoll für Allerhöchstder¬ Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern. Adreſſe der beſitzloſen Claſſen von Lasker und Richter haben dierevolutionäre Tendenz dieſer Abgeordneten ſo klar und nackt hin¬ geſtellt, daß für Anhänger der monarchiſchen Regirungsform keine politiſche Gemeinſchaft mehr mit ihnen möglich iſt. Der Plan des Städtebundes mit ſeinem ſtändigen Ausſchuß am Sitze des Reichstages war der Berufung der „Föderirten“ aus den fran¬ zöſiſchen Provinzialſtädten im Jahre 1792 nachgebildet. Der Ver¬ ſuch fand im deutſchen Volke keinen Anklang, zeigt aber, wie auch in unſern fortſchrittlichen Abgeordneten das Material für Convents¬ deputirte zu finden wäre. Die Vorarbeiter der Revolution recru¬ tiren ſich bei uns ziemlich ausſchließlich aus dem gelehrten Pro¬ letariat, an welchem Norddeutſchland reicher iſt als der Süden. Es ſind die ſtudirten und hochgebildeten Herrn, ohne Beſitz, ohne Induſtrie, ohne Erwerb, welche entweder vom Gehalt im Staats- und Gemeindedienſt oder von der Preſſe, häufig von beiden leben, und welche im Reichstage erheblich mehr als die Hälfte der Ab¬ geordneten ſtellen, während im wählenden Volke ihre Anzahl einen geringen Procentſatz nicht überſchreitet. Dieſe Herrn ſind es, welche das revolutionäre Ferment liefern und die fortſchrittliche und nationalliberale Fraction und die Preſſe leiten. Die Sprengung ihrer Fraction iſt nach meinem unterthänigſten Dafürhalten eine weſentliche Aufgabe der erhaltenden Politik, und die Reform der wirthſchaftlichen Intereſſen bildet den Boden, auf welchem die Re¬ girungen dieſem Ziele mehr und mehr näher treten können. Eurer Majeſtät danke ich ehrfurchtsvoll für Allerhöchſtder¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0397" n="370"/><fw place="top" type="header">Achtzehntes Kapitel: König Ludwig <hi rendition="#aq">II</hi>. von Baiern.<lb/></fw> Adreſſe der beſitzloſen Claſſen von Lasker und Richter haben die<lb/> revolutionäre Tendenz dieſer Abgeordneten ſo klar und nackt hin¬<lb/> geſtellt, daß für Anhänger der monarchiſchen Regirungsform keine<lb/> politiſche Gemeinſchaft mehr mit ihnen möglich iſt. Der Plan<lb/> des Städtebundes mit ſeinem ſtändigen Ausſchuß am Sitze des<lb/> Reichstages war der Berufung der „Föderirten“ aus den fran¬<lb/> zöſiſchen Provinzialſtädten im Jahre 1792 nachgebildet. Der Ver¬<lb/> ſuch fand im deutſchen Volke keinen Anklang, zeigt aber, wie auch<lb/> in unſern fortſchrittlichen Abgeordneten das Material für Convents¬<lb/> deputirte zu finden wäre. Die Vorarbeiter der Revolution recru¬<lb/> tiren ſich bei uns ziemlich ausſchließlich aus dem <hi rendition="#g">gelehrten</hi> Pro¬<lb/> letariat, an welchem Norddeutſchland reicher iſt als der Süden.<lb/> Es ſind die ſtudirten und hochgebildeten Herrn, ohne Beſitz, ohne<lb/> Induſtrie, ohne Erwerb, welche entweder vom Gehalt im Staats-<lb/> und Gemeindedienſt oder von der Preſſe, häufig von beiden leben,<lb/> und welche im Reichstage erheblich mehr als die Hälfte der Ab¬<lb/> geordneten ſtellen, während im wählenden Volke ihre Anzahl einen<lb/> geringen Procentſatz nicht überſchreitet. Dieſe Herrn ſind es,<lb/> welche das revolutionäre Ferment liefern und die fortſchrittliche<lb/> und nationalliberale Fraction und die Preſſe leiten. Die Sprengung<lb/> ihrer Fraction iſt nach meinem unterthänigſten Dafürhalten eine<lb/> weſentliche Aufgabe der erhaltenden Politik, und die Reform der<lb/> wirthſchaftlichen Intereſſen bildet den Boden, auf welchem die Re¬<lb/> girungen dieſem Ziele mehr und mehr näher treten können.</p><lb/> <p>Eurer Majeſtät danke ich ehrfurchtsvoll für Allerhöchſtder¬<lb/> ſelben huldreiche Wünſche bezüglich meiner hieſigen Cur, von welcher<lb/> ich nach den bisherigen Eindrücken hoffen darf, daß ſie ebenſo wie<lb/> in frühern Jahren die Schäden heilen werde, welche der Winter<lb/> meiner Geſundheit zufügt. Einen weſentlichen Antheil an der<lb/> guten Wirkung hat die Leichtigkeit, mit welcher Eurer Majeſtät<lb/> Gnade mich in den Stand ſetzt, die gute Luft der umgebenden<lb/> Wälder zu genießen. Die ausgezeichneten Pferde des Marſtalls<lb/> Eurer Majeſtät machen es leicht, jeden Punkt der ſchönen Um¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [370/0397]
Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern.
Adreſſe der beſitzloſen Claſſen von Lasker und Richter haben die
revolutionäre Tendenz dieſer Abgeordneten ſo klar und nackt hin¬
geſtellt, daß für Anhänger der monarchiſchen Regirungsform keine
politiſche Gemeinſchaft mehr mit ihnen möglich iſt. Der Plan
des Städtebundes mit ſeinem ſtändigen Ausſchuß am Sitze des
Reichstages war der Berufung der „Föderirten“ aus den fran¬
zöſiſchen Provinzialſtädten im Jahre 1792 nachgebildet. Der Ver¬
ſuch fand im deutſchen Volke keinen Anklang, zeigt aber, wie auch
in unſern fortſchrittlichen Abgeordneten das Material für Convents¬
deputirte zu finden wäre. Die Vorarbeiter der Revolution recru¬
tiren ſich bei uns ziemlich ausſchließlich aus dem gelehrten Pro¬
letariat, an welchem Norddeutſchland reicher iſt als der Süden.
Es ſind die ſtudirten und hochgebildeten Herrn, ohne Beſitz, ohne
Induſtrie, ohne Erwerb, welche entweder vom Gehalt im Staats-
und Gemeindedienſt oder von der Preſſe, häufig von beiden leben,
und welche im Reichstage erheblich mehr als die Hälfte der Ab¬
geordneten ſtellen, während im wählenden Volke ihre Anzahl einen
geringen Procentſatz nicht überſchreitet. Dieſe Herrn ſind es,
welche das revolutionäre Ferment liefern und die fortſchrittliche
und nationalliberale Fraction und die Preſſe leiten. Die Sprengung
ihrer Fraction iſt nach meinem unterthänigſten Dafürhalten eine
weſentliche Aufgabe der erhaltenden Politik, und die Reform der
wirthſchaftlichen Intereſſen bildet den Boden, auf welchem die Re¬
girungen dieſem Ziele mehr und mehr näher treten können.
Eurer Majeſtät danke ich ehrfurchtsvoll für Allerhöchſtder¬
ſelben huldreiche Wünſche bezüglich meiner hieſigen Cur, von welcher
ich nach den bisherigen Eindrücken hoffen darf, daß ſie ebenſo wie
in frühern Jahren die Schäden heilen werde, welche der Winter
meiner Geſundheit zufügt. Einen weſentlichen Antheil an der
guten Wirkung hat die Leichtigkeit, mit welcher Eurer Majeſtät
Gnade mich in den Stand ſetzt, die gute Luft der umgebenden
Wälder zu genießen. Die ausgezeichneten Pferde des Marſtalls
Eurer Majeſtät machen es leicht, jeden Punkt der ſchönen Um¬
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |