Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern. sehn, daß ich nicht nur die innern, sondern auch die auswärtigenGeschäfte des Reichs ihm gegenüber mit der vertrauensvollen Offen¬ heit werde besprechen können, die mir dem Vertreter Eurer Majestät gegenüber ein geschäftliches und ein persönliches Bedürfniß ist. Für den Augenblick ist unsre Stellung zum Auslande noch dieselbe, wie während des ganzen Winters, und die Hoffnung, daß uns der Krieg nicht berühren werde, ungeschwächt. Das Vertrauen Ru߬ lands auf die Zuverlässigkeit unsrer nachbarlichen Politik hat er¬ sichtlich zugenommen, und damit auch die Aussicht, solche Ent¬ wicklungen zu verhüten, gegen welche Oestreich einzuschreiten durch seine Interessen genöthigt werden könnte. Die guten Beziehungen der beiden Kaiserreiche zu einander zu erhalten, bleiben wir mit Erfolg bestrebt. Unsre Freundschaft mit England hat bisher dar¬ unter nicht gelitten, und auch die am dortigen Hof durch politische Intriganten angebrachten Gerüchte, als könne Deutschland Absichten auf die Erwerbung von Holland haben, konnten nur in hohen Damenkreisen vorübergehend Anklang finden; die Verleumder werden nicht müde, aber die Gläubigen scheinen es endlich zu werden. Unter diesen Umständen ist die äußere Politik des Reiches im Stande, ihre Aufmerksamkeit ungeschwächt dem Vulkan im Westen zuzu¬ wenden, der Deutschland seit 300 Jahren so oft mit seinen Aus¬ brüchen überschüttet hat. Ich traue den Versicherungen nicht, die wir von dort erhalten, kann aber doch dem Reiche keinen andern Rath geben, als wohlgerüstet und Gewehr bei Fuß den etwaigen neuen Anfall abzuwarten ... v. Bismarck. ... Es drängt mich bei diesem Anlasse, Ihnen, mein lieber Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern. ſehn, daß ich nicht nur die innern, ſondern auch die auswärtigenGeſchäfte des Reichs ihm gegenüber mit der vertrauensvollen Offen¬ heit werde beſprechen können, die mir dem Vertreter Eurer Majeſtät gegenüber ein geſchäftliches und ein perſönliches Bedürfniß iſt. Für den Augenblick iſt unſre Stellung zum Auslande noch dieſelbe, wie während des ganzen Winters, und die Hoffnung, daß uns der Krieg nicht berühren werde, ungeſchwächt. Das Vertrauen Ru߬ lands auf die Zuverläſſigkeit unſrer nachbarlichen Politik hat er¬ ſichtlich zugenommen, und damit auch die Ausſicht, ſolche Ent¬ wicklungen zu verhüten, gegen welche Oeſtreich einzuſchreiten durch ſeine Intereſſen genöthigt werden könnte. Die guten Beziehungen der beiden Kaiſerreiche zu einander zu erhalten, bleiben wir mit Erfolg beſtrebt. Unſre Freundſchaft mit England hat bisher dar¬ unter nicht gelitten, und auch die am dortigen Hof durch politiſche Intriganten angebrachten Gerüchte, als könne Deutſchland Abſichten auf die Erwerbung von Holland haben, konnten nur in hohen Damenkreiſen vorübergehend Anklang finden; die Verleumder werden nicht müde, aber die Gläubigen ſcheinen es endlich zu werden. Unter dieſen Umſtänden iſt die äußere Politik des Reiches im Stande, ihre Aufmerkſamkeit ungeſchwächt dem Vulkan im Weſten zuzu¬ wenden, der Deutſchland ſeit 300 Jahren ſo oft mit ſeinen Aus¬ brüchen überſchüttet hat. Ich traue den Verſicherungen nicht, die wir von dort erhalten, kann aber doch dem Reiche keinen andern Rath geben, als wohlgerüſtet und Gewehr bei Fuß den etwaigen neuen Anfall abzuwarten ... v. Bismarck. ... Es drängt mich bei dieſem Anlaſſe, Ihnen, mein lieber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0389" n="362"/><fw place="top" type="header">Achtzehntes Kapitel: König Ludwig <hi rendition="#aq">II</hi>. von Baiern.<lb/></fw>ſehn, daß ich nicht nur die innern, ſondern auch die auswärtigen<lb/> Geſchäfte des Reichs ihm gegenüber mit der vertrauensvollen Offen¬<lb/> heit werde beſprechen können, die mir dem Vertreter Eurer Majeſtät<lb/> gegenüber ein geſchäftliches und ein perſönliches Bedürfniß iſt.<lb/> Für den Augenblick iſt unſre Stellung zum Auslande noch dieſelbe,<lb/> wie während des ganzen Winters, und die Hoffnung, daß uns der<lb/> Krieg nicht berühren werde, ungeſchwächt. Das Vertrauen Ru߬<lb/> lands auf die Zuverläſſigkeit unſrer nachbarlichen Politik hat er¬<lb/> ſichtlich zugenommen, und damit auch die Ausſicht, ſolche Ent¬<lb/> wicklungen zu verhüten, gegen welche Oeſtreich einzuſchreiten durch<lb/> ſeine Intereſſen genöthigt werden könnte. 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Es drängt mich bei dieſem Anlaſſe, Ihnen, mein lieber<lb/> Fürſt, zu ſagen, mit welcher lebhaften Beſorgniß, mich vor einiger<lb/> Zeit die Nachricht von der Möglichkeit Ihres Rücktrittes erfüllte.<lb/> Je größer meine perſönliche Verehrung für Sie und mein Ver¬<lb/> trauen zu der föderativen Grundlage Ihres ſtaatsmänniſchen Wirkens<lb/> iſt, deſto ſchmerzlicher hätte ich ein ſolches Ereigniß für mich und<lb/> mein Land empfunden.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [362/0389]
Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern.
ſehn, daß ich nicht nur die innern, ſondern auch die auswärtigen
Geſchäfte des Reichs ihm gegenüber mit der vertrauensvollen Offen¬
heit werde beſprechen können, die mir dem Vertreter Eurer Majeſtät
gegenüber ein geſchäftliches und ein perſönliches Bedürfniß iſt.
Für den Augenblick iſt unſre Stellung zum Auslande noch dieſelbe,
wie während des ganzen Winters, und die Hoffnung, daß uns der
Krieg nicht berühren werde, ungeſchwächt. Das Vertrauen Ru߬
lands auf die Zuverläſſigkeit unſrer nachbarlichen Politik hat er¬
ſichtlich zugenommen, und damit auch die Ausſicht, ſolche Ent¬
wicklungen zu verhüten, gegen welche Oeſtreich einzuſchreiten durch
ſeine Intereſſen genöthigt werden könnte. Die guten Beziehungen
der beiden Kaiſerreiche zu einander zu erhalten, bleiben wir mit
Erfolg beſtrebt. Unſre Freundſchaft mit England hat bisher dar¬
unter nicht gelitten, und auch die am dortigen Hof durch politiſche
Intriganten angebrachten Gerüchte, als könne Deutſchland Abſichten
auf die Erwerbung von Holland haben, konnten nur in hohen
Damenkreiſen vorübergehend Anklang finden; die Verleumder werden
nicht müde, aber die Gläubigen ſcheinen es endlich zu werden.
Unter dieſen Umſtänden iſt die äußere Politik des Reiches im Stande,
ihre Aufmerkſamkeit ungeſchwächt dem Vulkan im Weſten zuzu¬
wenden, der Deutſchland ſeit 300 Jahren ſo oft mit ſeinen Aus¬
brüchen überſchüttet hat. Ich traue den Verſicherungen nicht, die
wir von dort erhalten, kann aber doch dem Reiche keinen andern
Rath geben, als wohlgerüſtet und Gewehr bei Fuß den etwaigen
neuen Anfall abzuwarten ... v. Bismarck.
... Es drängt mich bei dieſem Anlaſſe, Ihnen, mein lieber
Fürſt, zu ſagen, mit welcher lebhaften Beſorgniß, mich vor einiger
Zeit die Nachricht von der Möglichkeit Ihres Rücktrittes erfüllte.
Je größer meine perſönliche Verehrung für Sie und mein Ver¬
trauen zu der föderativen Grundlage Ihres ſtaatsmänniſchen Wirkens
iſt, deſto ſchmerzlicher hätte ich ein ſolches Ereigniß für mich und
mein Land empfunden.
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