Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern. langweilte und er den von ihr unabhängigen Richtungen seinerPhantasie durch den Champagner zu Hülfe kam. Der Eindruck, den er mir machte, war ein sympathischer, obschon ich mir mit einiger Verdrießlichkeit sagen mußte, daß mein Bestreben, ihn als Tischnachbar angenehm zu unterhalten, unfruchtbar blieb. Es war dies das einzige Mal, daß ich den König Ludwig von Angesicht gesehn habe, ich bin aber mit ihm, seit er bald nachher (10. März 1864) den Thron bestiegen hatte, bis an sein Lebensende in günstigen Beziehungen und in verhältnißmäßig regem brieflichem Verkehre geblieben und habe dabei jederzeit von ihm den Eindruck eines geschäftlich klaren Regenten von national deutscher Gesinnung gehabt, wenn auch mit vorwiegender Sorge für die Erhaltung des föderativen Prinzips der Reichsverfassung und der verfassungsmäßigen Privilegien seines Landes. Als außerhalb des Gebietes politischer Möglichkeit liegend ist mir sein in den Versailler Verhandlungen auftauchender Gedanke erinnerlich, daß das deutsche Kaiserthum resp. Bundes-Präsidium zwischen dem preußischen und dem bairischen Hause erblich alterniren solle. Die Zweifel darüber, wie dieser unpraktische Gedanke praktisch zu machen, wurden überholt durch die Verhandlungen mit den bairischen Vertretern in Versailles und deren Ergebnisse, wonach dem Präsidium des Bundes, also dem Könige von Preußen, die Rechte, die er heut dem bairischen Bundesgenossen gegenüber ausübt, schon in der Hauptsache bewilligt waren, ehe es sich um den Kaisertitel handelte. Aus meinem Briefwechsel mit dem Könige Ludwig schalte ich Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern. langweilte und er den von ihr unabhängigen Richtungen ſeinerPhantaſie durch den Champagner zu Hülfe kam. Der Eindruck, den er mir machte, war ein ſympathiſcher, obſchon ich mir mit einiger Verdrießlichkeit ſagen mußte, daß mein Beſtreben, ihn als Tiſchnachbar angenehm zu unterhalten, unfruchtbar blieb. Es war dies das einzige Mal, daß ich den König Ludwig von Angeſicht geſehn habe, ich bin aber mit ihm, ſeit er bald nachher (10. März 1864) den Thron beſtiegen hatte, bis an ſein Lebensende in günſtigen Beziehungen und in verhältnißmäßig regem brieflichem Verkehre geblieben und habe dabei jederzeit von ihm den Eindruck eines geſchäftlich klaren Regenten von national deutſcher Geſinnung gehabt, wenn auch mit vorwiegender Sorge für die Erhaltung des föderativen Prinzips der Reichsverfaſſung und der verfaſſungsmäßigen Privilegien ſeines Landes. Als außerhalb des Gebietes politiſcher Möglichkeit liegend iſt mir ſein in den Verſailler Verhandlungen auftauchender Gedanke erinnerlich, daß das deutſche Kaiſerthum reſp. Bundes-Präſidium zwiſchen dem preußiſchen und dem bairiſchen Hauſe erblich alterniren ſolle. Die Zweifel darüber, wie dieſer unpraktiſche Gedanke praktiſch zu machen, wurden überholt durch die Verhandlungen mit den bairiſchen Vertretern in Verſailles und deren Ergebniſſe, wonach dem Präſidium des Bundes, alſo dem Könige von Preußen, die Rechte, die er heut dem bairiſchen Bundesgenoſſen gegenüber ausübt, ſchon in der Hauptſache bewilligt waren, ehe es ſich um den Kaiſertitel handelte. Aus meinem Briefwechſel mit dem Könige Ludwig ſchalte ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0379" n="352"/><fw place="top" type="header">Achtzehntes Kapitel: König Ludwig <hi rendition="#aq">II</hi>. von Baiern.<lb/></fw>langweilte und er den von ihr unabhängigen Richtungen ſeiner<lb/> Phantaſie durch den Champagner zu Hülfe kam. 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Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern.
langweilte und er den von ihr unabhängigen Richtungen ſeiner
Phantaſie durch den Champagner zu Hülfe kam. Der Eindruck,
den er mir machte, war ein ſympathiſcher, obſchon ich mir mit
einiger Verdrießlichkeit ſagen mußte, daß mein Beſtreben, ihn als
Tiſchnachbar angenehm zu unterhalten, unfruchtbar blieb. Es war dies
das einzige Mal, daß ich den König Ludwig von Angeſicht geſehn
habe, ich bin aber mit ihm, ſeit er bald nachher (10. März 1864) den
Thron beſtiegen hatte, bis an ſein Lebensende in günſtigen Beziehungen
und in verhältnißmäßig regem brieflichem Verkehre geblieben und
habe dabei jederzeit von ihm den Eindruck eines geſchäftlich klaren
Regenten von national deutſcher Geſinnung gehabt, wenn auch mit
vorwiegender Sorge für die Erhaltung des föderativen Prinzips
der Reichsverfaſſung und der verfaſſungsmäßigen Privilegien ſeines
Landes. Als außerhalb des Gebietes politiſcher Möglichkeit liegend
iſt mir ſein in den Verſailler Verhandlungen auftauchender Gedanke
erinnerlich, daß das deutſche Kaiſerthum reſp. Bundes-Präſidium
zwiſchen dem preußiſchen und dem bairiſchen Hauſe erblich alterniren
ſolle. Die Zweifel darüber, wie dieſer unpraktiſche Gedanke praktiſch
zu machen, wurden überholt durch die Verhandlungen mit den
bairiſchen Vertretern in Verſailles und deren Ergebniſſe, wonach
dem Präſidium des Bundes, alſo dem Könige von Preußen, die
Rechte, die er heut dem bairiſchen Bundesgenoſſen gegenüber
ausübt, ſchon in der Hauptſache bewilligt waren, ehe es ſich um
den Kaiſertitel handelte.
Aus meinem Briefwechſel mit dem Könige Ludwig ſchalte ich
einige Stücke ein, die zur richtigen Charakteriſtik dieſes unglück¬
lichen Fürſten beitragen und auch wieder einmal ein actuelles
Intereſſe gewinnen können. Die Curialien ſind nur in den erſten
Briefen gegeben.
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