Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Siebzehntes Kapitel: Der Frankfurter Fürstentag. keinen Anspruch darauf machen. Durch diese Aeußerung, auswelcher ich die Einwirkung der königlichen Verwandten und der hofliberalen Einflüsse heraushörte, war ich natürlich dem Kaiser gegenüber außer Gefecht gesetzt. Ich trat demnächst noch für das Festhalten der Einigkeit beider deutschen Großmächte ein, und es wurde eine dieser Richtung entsprechende kurze Redaction, in der die Zukunft Schleswig-Holsteins unentschieden blieb, von Rechberg und mir entworfen und von den beiden hohen Herrn genehmigt. IV. Der Dualismus würde, wie ich ihn mir dachte, dem jetzt be¬ Siebzehntes Kapitel: Der Frankfurter Fürſtentag. keinen Anſpruch darauf machen. Durch dieſe Aeußerung, auswelcher ich die Einwirkung der königlichen Verwandten und der hofliberalen Einflüſſe heraushörte, war ich natürlich dem Kaiſer gegenüber außer Gefecht geſetzt. Ich trat demnächſt noch für das Feſthalten der Einigkeit beider deutſchen Großmächte ein, und es wurde eine dieſer Richtung entſprechende kurze Redaction, in der die Zukunft Schleswig-Holſteins unentſchieden blieb, von Rechberg und mir entworfen und von den beiden hohen Herrn genehmigt. IV. Der Dualismus würde, wie ich ihn mir dachte, dem jetzt be¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0373" n="346"/><fw place="top" type="header">Siebzehntes Kapitel: Der Frankfurter Fürſtentag.<lb/></fw>keinen Anſpruch darauf machen. Durch dieſe Aeußerung, aus<lb/> welcher ich die Einwirkung der königlichen Verwandten und der<lb/> hofliberalen Einflüſſe heraushörte, war ich natürlich dem Kaiſer<lb/> gegenüber außer Gefecht geſetzt. Ich trat demnächſt noch für das<lb/> Feſthalten der Einigkeit beider deutſchen Großmächte ein, und es<lb/> wurde eine dieſer Richtung entſprechende kurze Redaction, in der<lb/> die Zukunft Schleswig-Holſteins unentſchieden blieb, von Rechberg<lb/> und mir entworfen und von den beiden hohen Herrn genehmigt.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq">IV.</hi><lb/> </head> <p>Der Dualismus würde, wie ich ihn mir dachte, dem jetzt be¬<lb/> ſtehenden Verhältniß ähnlich geweſen ſein, jedoch mit dem Unter¬<lb/> ſchiede, daß Oeſtreich auf die Staaten, die jetzt mit Preußen das<lb/> Deutſche Reich bilden, bundesmäßigen Einfluß behalten haben würde.<lb/> Rechberg war für Verſtärkung des Gewichts von Mitteleuropa durch<lb/> eine ſolche Verſtändigung der beiden Mächte gewonnen. Dieſe<lb/> Geſtaltung würde, im Vergleich zur Vergangenheit und, wie die<lb/> Dinge damals lagen, immerhin ein Fortſchritt zum Beſſern ge¬<lb/> weſen ſein, aber Dauer nur verſprochen haben, ſo lange das Ver¬<lb/> trauen zu den beiderſeits leitenden Perſonen ungeſtört blieb. Graf<lb/> Rechberg ſagte mir bei meiner Abreiſe von Wien (26. Auguſt 1864),<lb/> daß ſeine Stellung angefochten ſei; durch die Erörterungen des<lb/> Miniſteriums und die Haltung des Kaiſers zu demſelben ſei er in<lb/> die Lage gerathen, fürchten zu müſſen, daß ſeine Collegen, namentlich<lb/> Schmerling, ihn über Bord ſchieben würden, wenn er nicht für die<lb/> Zollvereinsbeſtrebungen Oeſtreichs, die den Kaiſer vorzugsweiſe<lb/> beſchäftigten, wenigſtens die Zuſicherung beibringen könne, daß<lb/> wir auf Verhandlungen in beſtimmter Friſt eingehn wollten. Ich<lb/> hatte gegen ein ſolches <hi rendition="#aq">pactum de contrahendo</hi> keine Bedenken,<lb/> weil ich überzeugt war, daß es mir keine über die Grenzen des<lb/> mir möglich Scheinenden hinaus gehenden Zugeſtändniſſe würde<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [346/0373]
Siebzehntes Kapitel: Der Frankfurter Fürſtentag.
keinen Anſpruch darauf machen. Durch dieſe Aeußerung, aus
welcher ich die Einwirkung der königlichen Verwandten und der
hofliberalen Einflüſſe heraushörte, war ich natürlich dem Kaiſer
gegenüber außer Gefecht geſetzt. Ich trat demnächſt noch für das
Feſthalten der Einigkeit beider deutſchen Großmächte ein, und es
wurde eine dieſer Richtung entſprechende kurze Redaction, in der
die Zukunft Schleswig-Holſteins unentſchieden blieb, von Rechberg
und mir entworfen und von den beiden hohen Herrn genehmigt.
IV.
Der Dualismus würde, wie ich ihn mir dachte, dem jetzt be¬
ſtehenden Verhältniß ähnlich geweſen ſein, jedoch mit dem Unter¬
ſchiede, daß Oeſtreich auf die Staaten, die jetzt mit Preußen das
Deutſche Reich bilden, bundesmäßigen Einfluß behalten haben würde.
Rechberg war für Verſtärkung des Gewichts von Mitteleuropa durch
eine ſolche Verſtändigung der beiden Mächte gewonnen. Dieſe
Geſtaltung würde, im Vergleich zur Vergangenheit und, wie die
Dinge damals lagen, immerhin ein Fortſchritt zum Beſſern ge¬
weſen ſein, aber Dauer nur verſprochen haben, ſo lange das Ver¬
trauen zu den beiderſeits leitenden Perſonen ungeſtört blieb. Graf
Rechberg ſagte mir bei meiner Abreiſe von Wien (26. Auguſt 1864),
daß ſeine Stellung angefochten ſei; durch die Erörterungen des
Miniſteriums und die Haltung des Kaiſers zu demſelben ſei er in
die Lage gerathen, fürchten zu müſſen, daß ſeine Collegen, namentlich
Schmerling, ihn über Bord ſchieben würden, wenn er nicht für die
Zollvereinsbeſtrebungen Oeſtreichs, die den Kaiſer vorzugsweiſe
beſchäftigten, wenigſtens die Zuſicherung beibringen könne, daß
wir auf Verhandlungen in beſtimmter Friſt eingehn wollten. Ich
hatte gegen ein ſolches pactum de contrahendo keine Bedenken,
weil ich überzeugt war, daß es mir keine über die Grenzen des
mir möglich Scheinenden hinaus gehenden Zugeſtändniſſe würde
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