Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Fünfzehntes Kapitel: Die Alvenslebensche Convention. möglicherweise unter Herstellung der polnischen Verfassung, die,von Alexander I. gegeben, unter dem alten Großfürsten Constantin in formaler Geltung war. Die Militärconvention, welche durch den General Gustav Der Fürst Gortschakow hatte der polnischen Frage gegenüber 1) Vgl. zum Folgenden den Brief Bismarck's an Graf Bernstorff vom
9. März 1863, Bismarck-Jahrbuch VI 172 ff. Fünfzehntes Kapitel: Die Alvenslebenſche Convention. möglicherweiſe unter Herſtellung der polniſchen Verfaſſung, die,von Alexander I. gegeben, unter dem alten Großfürſten Conſtantin in formaler Geltung war. Die Militärconvention, welche durch den General Guſtav Der Fürſt Gortſchakow hatte der polniſchen Frage gegenüber 1) Vgl. zum Folgenden den Brief Bismarck's an Graf Bernſtorff vom
9. März 1863, Bismarck-Jahrbuch VI 172 ff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0341" n="314"/><fw place="top" type="header">Fünfzehntes Kapitel: Die Alvenslebenſche Convention.<lb/></fw> möglicherweiſe unter Herſtellung der polniſchen Verfaſſung, die,<lb/> von Alexander <hi rendition="#aq">I</hi>. gegeben, unter dem alten Großfürſten Conſtantin<lb/> in formaler Geltung war.</p><lb/> <p>Die Militärconvention, welche durch den General Guſtav<lb/> von Alvensleben im Februar 1863 in Petersburg abgeſchloſſen wurde,<lb/> hatte für die preußiſche Politik mehr einen diplomatiſchen als einen<lb/> militäriſchen Zweck<note place="foot" n="1)"><lb/> Vgl. zum Folgenden den Brief Bismarck's an Graf Bernſtorff vom<lb/> 9. März 1863, Bismarck-Jahrbuch <hi rendition="#aq">VI</hi> 172 ff.</note>. Sie repräſentirte einen im Cabinet des ruſſi¬<lb/> ſchen Kaiſers erfochtenen Sieg der preußiſchen Politik über die pol¬<lb/> niſche, die vertreten war durch Gortſchakow, Großfürſt Conſtantin,<lb/> Wielopolski und andre einflußreiche Perſonen. Das Ergebniß be¬<lb/> ruhte auf directer Kaiſerlicher Entſchließung im Gegenſatz zu mini¬<lb/> ſteriellen Beſtrebungen. Ein Abkommen politiſch-militäriſcher Natur,<lb/> welches Rußland mit dem germaniſchen Gegner des Panſlavismus<lb/> gegen den polniſchen „Bruderſtamm“ ſchloß, war ein entſcheidender<lb/> Schlag auf die Ausſichten der poloniſirenden Partei am ruſſiſchen<lb/> Hofe; und in dieſem Sinne hat das militäriſch ziemlich anodyne<lb/> Abkommen ſeinen Zweck reichlich erfüllt. Ein militäriſches Bedürf¬<lb/> niß war dafür an Ort und Stelle nicht vorhanden; die ruſſiſchen<lb/> Truppen waren ſtark genug, und die Erfolge der Inſurgenten exi¬<lb/> ſtirten zum großen Theil nur in den von Paris beſtellten, in Mys¬<lb/> lowitz fabrizirten, bald von der Grenze, bald vom Kriegsſchauplatze,<lb/> bald aus Warſchau datirten, zuweilen recht märchenhaften Berichten,<lb/> die zuerſt in einem Berliner Blatte erſchienen und dann ihre Runde<lb/> durch die europäiſche Preſſe machten. Die Convention war ein<lb/> gelungener Schachzug, der die Partie entſchied, die innerhalb des<lb/> ruſſiſchen Cabinets der antipolniſche monarchiſche und der poloni¬<lb/> ſirende panſlaviſtiſche Einfluß gegen einander ſpielten.</p><lb/> <p>Der Fürſt Gortſchakow hatte der polniſchen Frage gegenüber<lb/> zuweilen abſolutiſtiſche, zuweilen — man kann nicht ſagen liberale<lb/> aber — parlamentariſche Anwandlungen. Er hielt ſich für einen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [314/0341]
Fünfzehntes Kapitel: Die Alvenslebenſche Convention.
möglicherweiſe unter Herſtellung der polniſchen Verfaſſung, die,
von Alexander I. gegeben, unter dem alten Großfürſten Conſtantin
in formaler Geltung war.
Die Militärconvention, welche durch den General Guſtav
von Alvensleben im Februar 1863 in Petersburg abgeſchloſſen wurde,
hatte für die preußiſche Politik mehr einen diplomatiſchen als einen
militäriſchen Zweck 1). Sie repräſentirte einen im Cabinet des ruſſi¬
ſchen Kaiſers erfochtenen Sieg der preußiſchen Politik über die pol¬
niſche, die vertreten war durch Gortſchakow, Großfürſt Conſtantin,
Wielopolski und andre einflußreiche Perſonen. Das Ergebniß be¬
ruhte auf directer Kaiſerlicher Entſchließung im Gegenſatz zu mini¬
ſteriellen Beſtrebungen. Ein Abkommen politiſch-militäriſcher Natur,
welches Rußland mit dem germaniſchen Gegner des Panſlavismus
gegen den polniſchen „Bruderſtamm“ ſchloß, war ein entſcheidender
Schlag auf die Ausſichten der poloniſirenden Partei am ruſſiſchen
Hofe; und in dieſem Sinne hat das militäriſch ziemlich anodyne
Abkommen ſeinen Zweck reichlich erfüllt. Ein militäriſches Bedürf¬
niß war dafür an Ort und Stelle nicht vorhanden; die ruſſiſchen
Truppen waren ſtark genug, und die Erfolge der Inſurgenten exi¬
ſtirten zum großen Theil nur in den von Paris beſtellten, in Mys¬
lowitz fabrizirten, bald von der Grenze, bald vom Kriegsſchauplatze,
bald aus Warſchau datirten, zuweilen recht märchenhaften Berichten,
die zuerſt in einem Berliner Blatte erſchienen und dann ihre Runde
durch die europäiſche Preſſe machten. Die Convention war ein
gelungener Schachzug, der die Partie entſchied, die innerhalb des
ruſſiſchen Cabinets der antipolniſche monarchiſche und der poloni¬
ſirende panſlaviſtiſche Einfluß gegen einander ſpielten.
Der Fürſt Gortſchakow hatte der polniſchen Frage gegenüber
zuweilen abſolutiſtiſche, zuweilen — man kann nicht ſagen liberale
aber — parlamentariſche Anwandlungen. Er hielt ſich für einen
1)
Vgl. zum Folgenden den Brief Bismarck's an Graf Bernſtorff vom
9. März 1863, Bismarck-Jahrbuch VI 172 ff.
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