Fünfzehntes Kapitel: Die Alvenslebensche Convention.
Es ist nicht zu bezweifeln, daß die damalige Intimität mit den beiden Westmächten zu dem Entschlusse des Kaisers Franz Joseph mitgewirkt hat, am 2. August den Vorstoß mit dem Fürsten¬ congreß gegen Preußen zu machen. Freilich hätte er sich dabei in einem Irrthum befunden und nicht gewußt, daß der Kaiser Napoleon der polnischen Sache schon überdrüssig und auf einen anständigen Rückzug bedacht war. Graf Goltz schrieb mir am 31. August1):
"Sie werden aus meiner heutigen Expedition ersehen, daß ich mit Cäsar Ein Herz und Eine Seele bin (in der That war er noch nie, auch zu Anfang meiner Mission nicht, so liebenswürdig und vertraulich wie diesmal), daß Oesterreich uns durch seinen Fürstentag, was unsre Beziehungen zu Frankreich anbetrifft, einen großen Dienst geleistet hat, und daß es nur einer befriedigenden Beilegung der polnischen Differenzen bedarf, um, Dank zugleich der Abwesenheit Metternichs und der heute erfolgten Abreise seiner hohen Freundin 2), in eine politische Lage zurückzugelangen, in welcher wir den kommenden Ereignissen mit Zuversicht entgegensehen können.
Ich habe auf die Andeutungen des Kaisers hinsichtlich der polnischen Angelegenheit nicht so weit eingehen können, als ich es gewünscht hätte. Er schien mir ein Mediationsanerbieten zu er¬ warten; aber die Aeußerungen des Königs hielten mich zurück. Jedenfalls scheint es mir rathsam, das Eisen zu schmieden, so lange es warm ist; der Kaiser hat jetzt bescheidenere Ansprüche als je, und es ist zu besorgen, daß er wieder zu stärkeren Anforderungen zurückkehrt, wenn etwa Oesterreich das Frankfurter Ungeschick durch eine erhöhte Bereitwilligkeit in der polnischen Frage wieder gut zu machen bemüht sein sollte. Er will jetzt nur aus der Sache mit Ehren herauskommen, erkennt die sechs Punkte selbst als schlecht an und wird daher bei ihrer praktischen Durchführung gern ein Auge zudrücken, weshalb es ihm vielleicht sogar ganz recht ist, wenn er
1) Bismarck-Jahrbuch V 219 f.
2) Der Kaiserin Eugenie.
Fünfzehntes Kapitel: Die Alvenslebenſche Convention.
Es iſt nicht zu bezweifeln, daß die damalige Intimität mit den beiden Weſtmächten zu dem Entſchluſſe des Kaiſers Franz Joſeph mitgewirkt hat, am 2. Auguſt den Vorſtoß mit dem Fürſten¬ congreß gegen Preußen zu machen. Freilich hätte er ſich dabei in einem Irrthum befunden und nicht gewußt, daß der Kaiſer Napoleon der polniſchen Sache ſchon überdrüſſig und auf einen anſtändigen Rückzug bedacht war. Graf Goltz ſchrieb mir am 31. Auguſt1):
„Sie werden aus meiner heutigen Expedition erſehen, daß ich mit Cäſar Ein Herz und Eine Seele bin (in der That war er noch nie, auch zu Anfang meiner Miſſion nicht, ſo liebenswürdig und vertraulich wie diesmal), daß Oeſterreich uns durch ſeinen Fürſtentag, was unſre Beziehungen zu Frankreich anbetrifft, einen großen Dienſt geleiſtet hat, und daß es nur einer befriedigenden Beilegung der polniſchen Differenzen bedarf, um, Dank zugleich der Abweſenheit Metternichs und der heute erfolgten Abreiſe ſeiner hohen Freundin 2), in eine politiſche Lage zurückzugelangen, in welcher wir den kommenden Ereigniſſen mit Zuverſicht entgegenſehen können.
Ich habe auf die Andeutungen des Kaiſers hinſichtlich der polniſchen Angelegenheit nicht ſo weit eingehen können, als ich es gewünſcht hätte. Er ſchien mir ein Mediationsanerbieten zu er¬ warten; aber die Aeußerungen des Königs hielten mich zurück. Jedenfalls ſcheint es mir rathſam, das Eiſen zu ſchmieden, ſo lange es warm iſt; der Kaiſer hat jetzt beſcheidenere Anſprüche als je, und es iſt zu beſorgen, daß er wieder zu ſtärkeren Anforderungen zurückkehrt, wenn etwa Oeſterreich das Frankfurter Ungeſchick durch eine erhöhte Bereitwilligkeit in der polniſchen Frage wieder gut zu machen bemüht ſein ſollte. Er will jetzt nur aus der Sache mit Ehren herauskommen, erkennt die ſechs Punkte ſelbſt als ſchlecht an und wird daher bei ihrer praktiſchen Durchführung gern ein Auge zudrücken, weshalb es ihm vielleicht ſogar ganz recht iſt, wenn er
1) Bismarck-Jahrbuch V 219 f.
2) Der Kaiſerin Eugenie.
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Fünfzehntes Kapitel: Die Alvenslebenſche Convention.
Es iſt nicht zu bezweifeln, daß die damalige Intimität mit
den beiden Weſtmächten zu dem Entſchluſſe des Kaiſers Franz
Joſeph mitgewirkt hat, am 2. Auguſt den Vorſtoß mit dem Fürſten¬
congreß gegen Preußen zu machen. Freilich hätte er ſich dabei in
einem Irrthum befunden und nicht gewußt, daß der Kaiſer Napoleon
der polniſchen Sache ſchon überdrüſſig und auf einen anſtändigen
Rückzug bedacht war. Graf Goltz ſchrieb mir am 31. Auguſt 1):
„Sie werden aus meiner heutigen Expedition erſehen, daß
ich mit Cäſar Ein Herz und Eine Seele bin (in der That war
er noch nie, auch zu Anfang meiner Miſſion nicht, ſo liebenswürdig
und vertraulich wie diesmal), daß Oeſterreich uns durch ſeinen
Fürſtentag, was unſre Beziehungen zu Frankreich anbetrifft, einen
großen Dienſt geleiſtet hat, und daß es nur einer befriedigenden
Beilegung der polniſchen Differenzen bedarf, um, Dank zugleich der
Abweſenheit Metternichs und der heute erfolgten Abreiſe ſeiner
hohen Freundin 2), in eine politiſche Lage zurückzugelangen, in welcher
wir den kommenden Ereigniſſen mit Zuverſicht entgegenſehen können.
Ich habe auf die Andeutungen des Kaiſers hinſichtlich der
polniſchen Angelegenheit nicht ſo weit eingehen können, als ich es
gewünſcht hätte. Er ſchien mir ein Mediationsanerbieten zu er¬
warten; aber die Aeußerungen des Königs hielten mich zurück.
Jedenfalls ſcheint es mir rathſam, das Eiſen zu ſchmieden, ſo lange
es warm iſt; der Kaiſer hat jetzt beſcheidenere Anſprüche als je,
und es iſt zu beſorgen, daß er wieder zu ſtärkeren Anforderungen
zurückkehrt, wenn etwa Oeſterreich das Frankfurter Ungeſchick durch
eine erhöhte Bereitwilligkeit in der polniſchen Frage wieder gut zu
machen bemüht ſein ſollte. Er will jetzt nur aus der Sache mit
Ehren herauskommen, erkennt die ſechs Punkte ſelbſt als ſchlecht
an und wird daher bei ihrer praktiſchen Durchführung gern ein Auge
zudrücken, weshalb es ihm vielleicht ſogar ganz recht iſt, wenn er
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2)
Der Kaiſerin Eugenie.
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/339>, abgerufen am 25.11.2024.
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