ergab sich das wunderliche Verhältniß, daß Herr von Bodelschwingh, der nach seiner persönlichen Stellung die äußerste Rechte unter uns Ministern bildete, in der Regel mit seinem Votum die äußerste Linke einnahm.
Ebenso war der Handelsminister Graf Itzenplitz nicht im Stande, das Steuer seines überladenen ministeriellen Fahrzeugs selbständig zu führen, sondern trieb in der Strömung, welche seine Untergebenen ihm herstellten. Wenn es vielleicht unmöglich war, für die mannichfaltigen Verzweigungen des damaligen Handels¬ ministeriums einen Chef zu finden, der in allen ihm unterstellten Disciplinen zur Führung seiner Untergebenen befähigt gewesen wäre, so stand der Graf Itzenplitz den von ihm zu lösenden Auf¬ gaben viel fremder gegenüber, als z. B. von der Heydt, und ver¬ fiel ziemlich hülflos der in technischen Fragen sachkundigen Leitung der Decernenten, namentlich Delbrücks. Außerdem war er eine weiche Natur, ohne die zur Leitung eines so großen Ressorts nöthige Energie; selbst den Unredlichkeiten gegenüber, die da¬ mals einzelnen hervorragenden Mitarbeitern des Handelsministe¬ riums schuldgegeben wurden und die den persönlich ehrliebenden Chef auf's Höchste beunruhigten, wurde ihm das Einschreiten sehr schwer, weil die technische Leistung der ihm selbst verdächtigen Be¬ amten ihm unentbehrlich schien. Unterstützung meiner Politik hatte ich persönlich von den in Rede stehenden beiden Collegen nicht zu erwarten, weder nach ihrem Verständniß für dieselbe, noch nach dem Maß von Wohlwollen, welches sie für mich als jüngern und ursprünglich dem Geschäft nicht angehörigen Präsidenten übrig hatten.
Als Minister des Innern fand ich Herrn von Jagow vor, der durch die Lebhaftigkeit seines Tones, seinen Wortreichthum und die rechthaberische Färbung seiner Discussion sich binnen Kurzem die Abneigung seiner Collegen in dem Grade zuzog, daß er durch den Grafen Friedrich Eulenburg ersetzt werden mußte. Charak¬ teristisch für ihn ist ein Erlebniß, das wir mit ihm hatten, nach¬
Vierzehntes Kapitel: Conflicts-Miniſterium.
ergab ſich das wunderliche Verhältniß, daß Herr von Bodelſchwingh, der nach ſeiner perſönlichen Stellung die äußerſte Rechte unter uns Miniſtern bildete, in der Regel mit ſeinem Votum die äußerſte Linke einnahm.
Ebenſo war der Handelsminiſter Graf Itzenplitz nicht im Stande, das Steuer ſeines überladenen miniſteriellen Fahrzeugs ſelbſtändig zu führen, ſondern trieb in der Strömung, welche ſeine Untergebenen ihm herſtellten. Wenn es vielleicht unmöglich war, für die mannichfaltigen Verzweigungen des damaligen Handels¬ miniſteriums einen Chef zu finden, der in allen ihm unterſtellten Diſciplinen zur Führung ſeiner Untergebenen befähigt geweſen wäre, ſo ſtand der Graf Itzenplitz den von ihm zu löſenden Auf¬ gaben viel fremder gegenüber, als z. B. von der Heydt, und ver¬ fiel ziemlich hülflos der in techniſchen Fragen ſachkundigen Leitung der Decernenten, namentlich Delbrücks. Außerdem war er eine weiche Natur, ohne die zur Leitung eines ſo großen Reſſorts nöthige Energie; ſelbſt den Unredlichkeiten gegenüber, die da¬ mals einzelnen hervorragenden Mitarbeitern des Handelsminiſte¬ riums ſchuldgegeben wurden und die den perſönlich ehrliebenden Chef auf's Höchſte beunruhigten, wurde ihm das Einſchreiten ſehr ſchwer, weil die techniſche Leiſtung der ihm ſelbſt verdächtigen Be¬ amten ihm unentbehrlich ſchien. Unterſtützung meiner Politik hatte ich perſönlich von den in Rede ſtehenden beiden Collegen nicht zu erwarten, weder nach ihrem Verſtändniß für dieſelbe, noch nach dem Maß von Wohlwollen, welches ſie für mich als jüngern und urſprünglich dem Geſchäft nicht angehörigen Präſidenten übrig hatten.
Als Miniſter des Innern fand ich Herrn von Jagow vor, der durch die Lebhaftigkeit ſeines Tones, ſeinen Wortreichthum und die rechthaberiſche Färbung ſeiner Diſcuſſion ſich binnen Kurzem die Abneigung ſeiner Collegen in dem Grade zuzog, daß er durch den Grafen Friedrich Eulenburg erſetzt werden mußte. Charak¬ teriſtiſch für ihn iſt ein Erlebniß, das wir mit ihm hatten, nach¬
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Vierzehntes Kapitel: Conflicts-Miniſterium.
ergab ſich das wunderliche Verhältniß, daß Herr von Bodelſchwingh,
der nach ſeiner perſönlichen Stellung die äußerſte Rechte unter
uns Miniſtern bildete, in der Regel mit ſeinem Votum die äußerſte
Linke einnahm.
Ebenſo war der Handelsminiſter Graf Itzenplitz nicht im
Stande, das Steuer ſeines überladenen miniſteriellen Fahrzeugs
ſelbſtändig zu führen, ſondern trieb in der Strömung, welche
ſeine Untergebenen ihm herſtellten. Wenn es vielleicht unmöglich
war, für die mannichfaltigen Verzweigungen des damaligen Handels¬
miniſteriums einen Chef zu finden, der in allen ihm unterſtellten
Diſciplinen zur Führung ſeiner Untergebenen befähigt geweſen
wäre, ſo ſtand der Graf Itzenplitz den von ihm zu löſenden Auf¬
gaben viel fremder gegenüber, als z. B. von der Heydt, und ver¬
fiel ziemlich hülflos der in techniſchen Fragen ſachkundigen Leitung
der Decernenten, namentlich Delbrücks. Außerdem war er eine
weiche Natur, ohne die zur Leitung eines ſo großen Reſſorts
nöthige Energie; ſelbſt den Unredlichkeiten gegenüber, die da¬
mals einzelnen hervorragenden Mitarbeitern des Handelsminiſte¬
riums ſchuldgegeben wurden und die den perſönlich ehrliebenden
Chef auf's Höchſte beunruhigten, wurde ihm das Einſchreiten ſehr
ſchwer, weil die techniſche Leiſtung der ihm ſelbſt verdächtigen Be¬
amten ihm unentbehrlich ſchien. Unterſtützung meiner Politik hatte
ich perſönlich von den in Rede ſtehenden beiden Collegen nicht zu
erwarten, weder nach ihrem Verſtändniß für dieſelbe, noch nach
dem Maß von Wohlwollen, welches ſie für mich als jüngern
und urſprünglich dem Geſchäft nicht angehörigen Präſidenten übrig
hatten.
Als Miniſter des Innern fand ich Herrn von Jagow vor,
der durch die Lebhaftigkeit ſeines Tones, ſeinen Wortreichthum und
die rechthaberiſche Färbung ſeiner Diſcuſſion ſich binnen Kurzem
die Abneigung ſeiner Collegen in dem Grade zuzog, daß er durch
den Grafen Friedrich Eulenburg erſetzt werden mußte. Charak¬
teriſtiſch für ihn iſt ein Erlebniß, das wir mit ihm hatten, nach¬
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/325>, abgerufen am 16.02.2025.
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