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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Friedrich Wilhelm IV. Preußen und der italienische Krieg.
Parlamente unterstützte, der keiner andern Rechtfertigung als der
Verweisung auf Zustimmung der Majorität bedarf.

Die nächste günstige Situation nach dem Krimkriege bot unsrer
Politik der italienische Krieg. Ich glaube freilich nicht, daß König
Wilhelm schon als Regent 1859 geneigt gewesen sein würde, in plötz¬
licher Entschließung den Abstand zu überschreiten, der seine damalige
Politik von derjenigen trennte, welche später zur Herstellung des
Deutschen Reichs geführt hat. Wenn man die damalige Stellung
nach dem Maßstabe beurtheilt, den die Haltung des auswärtigen
Ministers von Schleinitz in dem demnächstigen Abschluß des Garantie¬
vertrages von Teplitz mit Oestreich und in der Weigerung der
Anerkennung Italiens bezeichnet, so kann man mit Recht be¬
zweifeln, ob es damals möglich gewesen sein würde, den Regenten
zu einer Politik zu bewegen, welche die Verwendung der preußischen
Kriegsmacht von Concessionen in der deutschen Bundespolitik ab¬
hängig gemacht hätte. Die Situation wurde nicht unter dem Ge¬
sichtspunkte einer vorwärts strebenden preußischen Politik betrachtet,
sondern in dem gewohnheitsmäßigen Bestreben, sich den Beifall
der deutschen Fürsten, des Kaisers von Oestreich und zugleich der
deutschen Presse zu erwerben, in dem unklaren Bemühn um einen
idealen Tugendpreis für Hingebung an Deutschland, ohne irgend
eine klare Ansicht über die Gestalt des Zieles, die Richtung in der,
und die Mittel, durch die es zu suchen wäre.

Unter dem Einflusse seiner Gemalin und der Wochenblatts¬
partei war der Regent 1859 nahe daran, sich an dem italienischen
Kriege zu betheiligen. Wäre das geschehn, so wurde der Krieg
vou einem östreichisch-französischen in der Hauptsache zu einem
preußisch-französischen am Rhein. Rußland in dem damals noch
sehr lebendigen Hasse gegen Oestreich würde mindestens gegen
uns demonstrirt, und Oestreich, sobald wir in Krieg mit Frank¬
reich verwickelt waren, würde, am längern Ende des politischen
Hebels stehend, erwogen haben, wie weit wir siegen durften. Was
zu Thuguts Zeit Polen, war damals Deutschland auf dem Schach¬

Friedrich Wilhelm IV. Preußen und der italieniſche Krieg.
Parlamente unterſtützte, der keiner andern Rechtfertigung als der
Verweiſung auf Zuſtimmung der Majorität bedarf.

Die nächſte günſtige Situation nach dem Krimkriege bot unſrer
Politik der italieniſche Krieg. Ich glaube freilich nicht, daß König
Wilhelm ſchon als Regent 1859 geneigt geweſen ſein würde, in plötz¬
licher Entſchließung den Abſtand zu überſchreiten, der ſeine damalige
Politik von derjenigen trennte, welche ſpäter zur Herſtellung des
Deutſchen Reichs geführt hat. Wenn man die damalige Stellung
nach dem Maßſtabe beurtheilt, den die Haltung des auswärtigen
Miniſters von Schleinitz in dem demnächſtigen Abſchluß des Garantie¬
vertrages von Teplitz mit Oeſtreich und in der Weigerung der
Anerkennung Italiens bezeichnet, ſo kann man mit Recht be¬
zweifeln, ob es damals möglich geweſen ſein würde, den Regenten
zu einer Politik zu bewegen, welche die Verwendung der preußiſchen
Kriegsmacht von Conceſſionen in der deutſchen Bundespolitik ab¬
hängig gemacht hätte. Die Situation wurde nicht unter dem Ge¬
ſichtspunkte einer vorwärts ſtrebenden preußiſchen Politik betrachtet,
ſondern in dem gewohnheitsmäßigen Beſtreben, ſich den Beifall
der deutſchen Fürſten, des Kaiſers von Oeſtreich und zugleich der
deutſchen Preſſe zu erwerben, in dem unklaren Bemühn um einen
idealen Tugendpreis für Hingebung an Deutſchland, ohne irgend
eine klare Anſicht über die Geſtalt des Zieles, die Richtung in der,
und die Mittel, durch die es zu ſuchen wäre.

Unter dem Einfluſſe ſeiner Gemalin und der Wochenblatts¬
partei war der Regent 1859 nahe daran, ſich an dem italieniſchen
Kriege zu betheiligen. Wäre das geſchehn, ſo wurde der Krieg
vou einem öſtreichiſch-franzöſiſchen in der Hauptſache zu einem
preußiſch-franzöſiſchen am Rhein. Rußland in dem damals noch
ſehr lebendigen Haſſe gegen Oeſtreich würde mindeſtens gegen
uns demonſtrirt, und Oeſtreich, ſobald wir in Krieg mit Frank¬
reich verwickelt waren, würde, am längern Ende des politiſchen
Hebels ſtehend, erwogen haben, wie weit wir ſiegen durften. Was
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[281/0308] Friedrich Wilhelm IV. Preußen und der italieniſche Krieg. Parlamente unterſtützte, der keiner andern Rechtfertigung als der Verweiſung auf Zuſtimmung der Majorität bedarf. Die nächſte günſtige Situation nach dem Krimkriege bot unſrer Politik der italieniſche Krieg. Ich glaube freilich nicht, daß König Wilhelm ſchon als Regent 1859 geneigt geweſen ſein würde, in plötz¬ licher Entſchließung den Abſtand zu überſchreiten, der ſeine damalige Politik von derjenigen trennte, welche ſpäter zur Herſtellung des Deutſchen Reichs geführt hat. Wenn man die damalige Stellung nach dem Maßſtabe beurtheilt, den die Haltung des auswärtigen Miniſters von Schleinitz in dem demnächſtigen Abſchluß des Garantie¬ vertrages von Teplitz mit Oeſtreich und in der Weigerung der Anerkennung Italiens bezeichnet, ſo kann man mit Recht be¬ zweifeln, ob es damals möglich geweſen ſein würde, den Regenten zu einer Politik zu bewegen, welche die Verwendung der preußiſchen Kriegsmacht von Conceſſionen in der deutſchen Bundespolitik ab¬ hängig gemacht hätte. Die Situation wurde nicht unter dem Ge¬ ſichtspunkte einer vorwärts ſtrebenden preußiſchen Politik betrachtet, ſondern in dem gewohnheitsmäßigen Beſtreben, ſich den Beifall der deutſchen Fürſten, des Kaiſers von Oeſtreich und zugleich der deutſchen Preſſe zu erwerben, in dem unklaren Bemühn um einen idealen Tugendpreis für Hingebung an Deutſchland, ohne irgend eine klare Anſicht über die Geſtalt des Zieles, die Richtung in der, und die Mittel, durch die es zu ſuchen wäre. Unter dem Einfluſſe ſeiner Gemalin und der Wochenblatts¬ partei war der Regent 1859 nahe daran, ſich an dem italieniſchen Kriege zu betheiligen. Wäre das geſchehn, ſo wurde der Krieg vou einem öſtreichiſch-franzöſiſchen in der Hauptſache zu einem preußiſch-franzöſiſchen am Rhein. Rußland in dem damals noch ſehr lebendigen Haſſe gegen Oeſtreich würde mindeſtens gegen uns demonſtrirt, und Oeſtreich, ſobald wir in Krieg mit Frank¬ reich verwickelt waren, würde, am längern Ende des politiſchen Hebels ſtehend, erwogen haben, wie weit wir ſiegen durften. Was zu Thuguts Zeit Polen, war damals Deutſchland auf dem Schach¬

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/308>, abgerufen am 30.09.2024.