Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Elftes Kapitel: Zwischenzustand. keins von beiden ist ja eine Schande. Beide Posten gleichzeitigzu behalten, ist schon weniger vorwurfsfrei. Sobald ich etwas zu berichten, d. h. den Kaiser unter vier Augen gesprochen habe, werde ich dem Könige eigenhändig schreiben. Ich schmeichle mir noch immer mit der Hoffnung, daß ich Seiner Majestät weniger unent¬ behrlich erscheinen werde, wenn ich ihm eine Zeit lang aus den Augen bin, und daß sich noch ein bisher verkannter Staatsmann findet, der mir den Rang abläuft, damit ich hier noch etwas reifer werde. Ich warte in Ruhe ab, ob und was über mich verfügt wird. Geschieht in einigen Wochen nichts, so werde ich um Urlaub bitten, um meine Frau zu holen, muß dann aber doch Sicherheit haben, wie lange ich hier bleibe. Auf achttägige Kündigung kann ich mich hier dauernd nicht einrichten. Der Gedanke, mir ein Ministerium ohne Portefeuille zu geben, Herzliche Grüße an die Ihrigen. Ihr treuer Freund und Unter dem 4. Juni schrieb mir Roon von Berlin1): "... Am Sonntage sprach mir Schleinitz über den Ersatz für 1) Der Brief ist vollständig veröffentlicht im Bismarck-Jahrbuch III
233 f., jetzt auch in Roon's Denkwürdigkeiten II 4 93 ff. Elftes Kapitel: Zwiſchenzuſtand. keins von beiden iſt ja eine Schande. Beide Poſten gleichzeitigzu behalten, iſt ſchon weniger vorwurfsfrei. Sobald ich etwas zu berichten, d. h. den Kaiſer unter vier Augen geſprochen habe, werde ich dem Könige eigenhändig ſchreiben. Ich ſchmeichle mir noch immer mit der Hoffnung, daß ich Seiner Majeſtät weniger unent¬ behrlich erſcheinen werde, wenn ich ihm eine Zeit lang aus den Augen bin, und daß ſich noch ein bisher verkannter Staatsmann findet, der mir den Rang abläuft, damit ich hier noch etwas reifer werde. Ich warte in Ruhe ab, ob und was über mich verfügt wird. Geſchieht in einigen Wochen nichts, ſo werde ich um Urlaub bitten, um meine Frau zu holen, muß dann aber doch Sicherheit haben, wie lange ich hier bleibe. Auf achttägige Kündigung kann ich mich hier dauernd nicht einrichten. Der Gedanke, mir ein Miniſterium ohne Portefeuille zu geben, Herzliche Grüße an die Ihrigen. Ihr treuer Freund und Unter dem 4. Juni ſchrieb mir Roon von Berlin1): „... Am Sonntage ſprach mir Schleinitz über den Erſatz für 1) Der Brief iſt vollſtändig veröffentlicht im Bismarck-Jahrbuch III
233 f., jetzt auch in Roon's Denkwürdigkeiten II 4 93 ff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0279" n="252"/><fw place="top" type="header">Elftes Kapitel: Zwiſchenzuſtand.<lb/></fw> keins von beiden iſt ja eine Schande. Beide Poſten gleichzeitig<lb/> zu behalten, iſt ſchon weniger vorwurfsfrei. Sobald ich etwas zu<lb/> berichten, d. h. den Kaiſer unter vier Augen geſprochen habe, werde<lb/> ich dem Könige eigenhändig ſchreiben. Ich ſchmeichle mir noch<lb/> immer mit der Hoffnung, daß ich Seiner Majeſtät weniger unent¬<lb/> behrlich erſcheinen werde, wenn ich ihm eine Zeit lang aus den<lb/> Augen bin, und daß ſich noch ein bisher verkannter Staatsmann<lb/> findet, der mir den Rang abläuft, damit ich hier noch etwas reifer<lb/> werde. Ich warte in Ruhe ab, ob und was über mich verfügt<lb/> wird. Geſchieht in einigen Wochen nichts, ſo werde ich um Urlaub<lb/> bitten, um meine Frau zu holen, muß dann aber doch Sicherheit<lb/> haben, wie lange ich hier bleibe. Auf achttägige Kündigung kann<lb/> ich mich hier dauernd nicht einrichten.</p><lb/> <p>Der Gedanke, mir ein Miniſterium ohne Portefeuille zu geben,<lb/> wird hoffentlich Allerhöchſten Ortes nicht Raum gewinnen; bei der<lb/> letzten Audienz war davon nicht die Rede; die Stellung iſt nicht<lb/> practiſch; nichts zu ſagen und alles zu tragen haben, in alles<lb/> unberufen hineinſtänkern und von jedem abgebiſſen, wo man<lb/> wirklich mitreden will. Mir geht Portefeuille über Präſidium;<lb/> letztres iſt doch nur eine Reſerveſtellung; auch würde ich nicht gern<lb/> einen Collegen haben, der halb in London wohnt. Will er nicht<lb/><hi rendition="#g">ganz</hi> dahin ziehn, ſo gönne ich ihm von Herzen zu bleiben, wo er<lb/> iſt, und halte es nicht für freundſchaftlich, ihn zu drängen.</p><lb/> <p>Herzliche Grüße an die Ihrigen. Ihr treuer Freund und<lb/> bereitwilliger, aber nicht muthwilliger Kampfgenoſſe, wenn's ſein<lb/> muß; im Winter noch lieber, als bei die Hitze!“</p><lb/> <p>Unter dem 4. Juni ſchrieb mir Roon von Berlin<note place="foot" n="1)"><lb/> Der Brief iſt vollſtändig veröffentlicht im Bismarck-Jahrbuch <hi rendition="#aq">III</hi><lb/> 233 f., jetzt auch in Roon's Denkwürdigkeiten <hi rendition="#aq">II</hi> <hi rendition="#sup">4</hi> 93 ff.</note>:</p><lb/> <p>„... Am Sonntage ſprach mir Schleinitz über den Erſatz für<lb/> Hohenlohe und meinte, Ihre Zeit wäre noch nicht gekommen. Als<lb/> ich ihn fragte, wer denn als Haupt des Miniſterii fungiren<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [252/0279]
Elftes Kapitel: Zwiſchenzuſtand.
keins von beiden iſt ja eine Schande. Beide Poſten gleichzeitig
zu behalten, iſt ſchon weniger vorwurfsfrei. Sobald ich etwas zu
berichten, d. h. den Kaiſer unter vier Augen geſprochen habe, werde
ich dem Könige eigenhändig ſchreiben. Ich ſchmeichle mir noch
immer mit der Hoffnung, daß ich Seiner Majeſtät weniger unent¬
behrlich erſcheinen werde, wenn ich ihm eine Zeit lang aus den
Augen bin, und daß ſich noch ein bisher verkannter Staatsmann
findet, der mir den Rang abläuft, damit ich hier noch etwas reifer
werde. Ich warte in Ruhe ab, ob und was über mich verfügt
wird. Geſchieht in einigen Wochen nichts, ſo werde ich um Urlaub
bitten, um meine Frau zu holen, muß dann aber doch Sicherheit
haben, wie lange ich hier bleibe. Auf achttägige Kündigung kann
ich mich hier dauernd nicht einrichten.
Der Gedanke, mir ein Miniſterium ohne Portefeuille zu geben,
wird hoffentlich Allerhöchſten Ortes nicht Raum gewinnen; bei der
letzten Audienz war davon nicht die Rede; die Stellung iſt nicht
practiſch; nichts zu ſagen und alles zu tragen haben, in alles
unberufen hineinſtänkern und von jedem abgebiſſen, wo man
wirklich mitreden will. Mir geht Portefeuille über Präſidium;
letztres iſt doch nur eine Reſerveſtellung; auch würde ich nicht gern
einen Collegen haben, der halb in London wohnt. Will er nicht
ganz dahin ziehn, ſo gönne ich ihm von Herzen zu bleiben, wo er
iſt, und halte es nicht für freundſchaftlich, ihn zu drängen.
Herzliche Grüße an die Ihrigen. Ihr treuer Freund und
bereitwilliger, aber nicht muthwilliger Kampfgenoſſe, wenn's ſein
muß; im Winter noch lieber, als bei die Hitze!“
Unter dem 4. Juni ſchrieb mir Roon von Berlin 1):
„... Am Sonntage ſprach mir Schleinitz über den Erſatz für
Hohenlohe und meinte, Ihre Zeit wäre noch nicht gekommen. Als
ich ihn fragte, wer denn als Haupt des Miniſterii fungiren
1)
Der Brief iſt vollſtändig veröffentlicht im Bismarck-Jahrbuch III
233 f., jetzt auch in Roon's Denkwürdigkeiten II 4 93 ff.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |