wird aus meinem Briefe an den Minister von Manteuffel vom 11. Januar 1858 anschaulich:
"Ich habe schon telegraphisch die dringende Bitte ausgesprochen, meinen vertraulichen Bericht, betreffend die Beschwerde Lord Bloom¬ field's in der Bentinck'schen Sache, nicht durch die Post an den Grafen Flemming in Karlsruhe zu schicken und so zu Oestreichs Kenntniß zu bringen. Sollte meine Bitte zu spät eingetroffen sein, so werde ich nach mehren Richtungen hin in unangenehme Ver¬ legenheiten gerathen, welche kaum anders als in einem persönlichen Conflict zwischen dem Grafen Rechberg und mir ihre Lösung finden könnten. -- Wie ich ihn beurtheile und wie es die östreichische Auffassung des Briefgeheimnisses überhaupt mit sich bringt, wird er sich durch den Umstand, daß diese Beweise einem geöffneten Briefe entnommen sind, von der Production derselben nicht abhalten lassen. Ich traue ihm vielmehr zu, daß er sich ausdrücklich darauf beruft, die Depesche könne nur in der Absicht auf die Post gegeben sein, damit sie zur Kenntniß der kaiserlichen Regirung gelange."
Als ich 1852 die Gesandschaft in Wien zu leiten hatte, stieß ich dort auf die Gewohnheit, wenn der Gesandte eine Mittheilung zu machen hatte, die Instruction, durch die er von Berlin aus dazu beauftragt war, dem östreichischen Minister des Auswärtigen im Original einzureichen. Diese für den Dienst ohne Zweifel nach¬ theilige Gewohnheit, bei der eigentlich die vermittelnde Amtsthätig¬ keit des Gesandten als überflüssig erschien, war dergestalt tief ein¬ gerissen, daß der damalige, seit Jahrzehnten in Wien einheimische Kanzleivorstand der Gesandschaft aus Anlaß des von mir er¬ gangenen Verbots mich aufsuchte, um mir vorzustellen, wie groß das Mißtrauen der kaiserlichen Staatskanzlei sein werde, wenn wir plötzlich in der langjährigen Gepflogenheit eine Aenderung eintreten ließen; man würde namentlich mir gegenüber zweifelhaft werden, ob meine Einwirkung auf den Grafen Buol wirklich dem Text meiner Instructionen und also den Intentionen der Berliner Politik entspräche.
Zehntes Kapitel: Petersburg.
wird aus meinem Briefe an den Miniſter von Manteuffel vom 11. Januar 1858 anſchaulich:
„Ich habe ſchon telegraphiſch die dringende Bitte ausgeſprochen, meinen vertraulichen Bericht, betreffend die Beſchwerde Lord Bloom¬ field's in der Bentinck'ſchen Sache, nicht durch die Poſt an den Grafen Flemming in Karlsruhe zu ſchicken und ſo zu Oeſtreichs Kenntniß zu bringen. Sollte meine Bitte zu ſpät eingetroffen ſein, ſo werde ich nach mehren Richtungen hin in unangenehme Ver¬ legenheiten gerathen, welche kaum anders als in einem perſönlichen Conflict zwiſchen dem Grafen Rechberg und mir ihre Löſung finden könnten. — Wie ich ihn beurtheile und wie es die öſtreichiſche Auffaſſung des Briefgeheimniſſes überhaupt mit ſich bringt, wird er ſich durch den Umſtand, daß dieſe Beweiſe einem geöffneten Briefe entnommen ſind, von der Production derſelben nicht abhalten laſſen. Ich traue ihm vielmehr zu, daß er ſich ausdrücklich darauf beruft, die Depeſche könne nur in der Abſicht auf die Poſt gegeben ſein, damit ſie zur Kenntniß der kaiſerlichen Regirung gelange.“
Als ich 1852 die Geſandſchaft in Wien zu leiten hatte, ſtieß ich dort auf die Gewohnheit, wenn der Geſandte eine Mittheilung zu machen hatte, die Inſtruction, durch die er von Berlin aus dazu beauftragt war, dem öſtreichiſchen Miniſter des Auswärtigen im Original einzureichen. Dieſe für den Dienſt ohne Zweifel nach¬ theilige Gewohnheit, bei der eigentlich die vermittelnde Amtsthätig¬ keit des Geſandten als überflüſſig erſchien, war dergeſtalt tief ein¬ geriſſen, daß der damalige, ſeit Jahrzehnten in Wien einheimiſche Kanzleivorſtand der Geſandſchaft aus Anlaß des von mir er¬ gangenen Verbots mich aufſuchte, um mir vorzuſtellen, wie groß das Mißtrauen der kaiſerlichen Staatskanzlei ſein werde, wenn wir plötzlich in der langjährigen Gepflogenheit eine Aenderung eintreten ließen; man würde namentlich mir gegenüber zweifelhaft werden, ob meine Einwirkung auf den Grafen Buol wirklich dem Text meiner Inſtructionen und alſo den Intentionen der Berliner Politik entſpräche.
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Zehntes Kapitel: Petersburg.
wird aus meinem Briefe an den Miniſter von Manteuffel vom
11. Januar 1858 anſchaulich:
„Ich habe ſchon telegraphiſch die dringende Bitte ausgeſprochen,
meinen vertraulichen Bericht, betreffend die Beſchwerde Lord Bloom¬
field's in der Bentinck'ſchen Sache, nicht durch die Poſt an den
Grafen Flemming in Karlsruhe zu ſchicken und ſo zu Oeſtreichs
Kenntniß zu bringen. Sollte meine Bitte zu ſpät eingetroffen ſein,
ſo werde ich nach mehren Richtungen hin in unangenehme Ver¬
legenheiten gerathen, welche kaum anders als in einem perſönlichen
Conflict zwiſchen dem Grafen Rechberg und mir ihre Löſung finden
könnten. — Wie ich ihn beurtheile und wie es die öſtreichiſche
Auffaſſung des Briefgeheimniſſes überhaupt mit ſich bringt, wird
er ſich durch den Umſtand, daß dieſe Beweiſe einem geöffneten
Briefe entnommen ſind, von der Production derſelben nicht abhalten
laſſen. Ich traue ihm vielmehr zu, daß er ſich ausdrücklich darauf
beruft, die Depeſche könne nur in der Abſicht auf die Poſt gegeben
ſein, damit ſie zur Kenntniß der kaiſerlichen Regirung gelange.“
Als ich 1852 die Geſandſchaft in Wien zu leiten hatte, ſtieß
ich dort auf die Gewohnheit, wenn der Geſandte eine Mittheilung
zu machen hatte, die Inſtruction, durch die er von Berlin aus
dazu beauftragt war, dem öſtreichiſchen Miniſter des Auswärtigen
im Original einzureichen. Dieſe für den Dienſt ohne Zweifel nach¬
theilige Gewohnheit, bei der eigentlich die vermittelnde Amtsthätig¬
keit des Geſandten als überflüſſig erſchien, war dergeſtalt tief ein¬
geriſſen, daß der damalige, ſeit Jahrzehnten in Wien einheimiſche
Kanzleivorſtand der Geſandſchaft aus Anlaß des von mir er¬
gangenen Verbots mich aufſuchte, um mir vorzuſtellen, wie groß
das Mißtrauen der kaiſerlichen Staatskanzlei ſein werde, wenn wir
plötzlich in der langjährigen Gepflogenheit eine Aenderung eintreten
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/257>, abgerufen am 22.11.2024.
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