Levinstein als Vertrauensmann Manteuffels. Corruption.
Als ich Minister geworden war und das Verhältniß des Aus¬ wärtigen Amts zu Levinstein abgebrochen hatte, wurden wiederholt Versuche gemacht, dasselbe wieder in Gang zu bringen, namentlich von dem Consul Bamberg in Paris, der mehrmals zu mir kam und mir Vorwürfe darüber machte, daß ich einen "so ausgezeichneten Mann", der eine solche Stellung an den europäischen Höfen habe, wie Levinstein, so schlecht behandeln könnte.
Ich fand auch sonst Anlaß, Gewohnheiten, die in dem Aus¬ wärtigen Ministerium eingerissen waren, abzustellen. Der lang¬ jährige Portier des Dienstgebäudes, ein alter Trunkenbold, konnte als Beamter nicht ohne Weitres entlassen werden. Ich brachte ihn dahin, den Abschied zu nehmen, durch die Drohung, ihn dafür zur Untersuchung zu ziehn, daß er mich "für Geld zeige", indem er gegen Trinkgeld Jedermann zu mir lasse. Seinen Protest brachte ich mit der Bemerkung zum Schweigen: "Haben Sie mir, als ich Gesandter war, nicht jederzeit Herrn von Manteuffel für einen Thaler, und, wenn das Verbot besonders streng war, für zwei Thaler gezeigt?" Von meiner eignen Dienerschaft wurde mir gelegentlich gemeldet, welche unverhältnißmäßigen Trinkgelder Levinstein an sie verschwendete. Thätige Agenten und Geldempfänger auf diesem Gebiete waren einige von Manteuffel und Schleinitz übernommne Canzleidiener, unter ihnen ein für seine subalterne Amtsstellung hervorragender Maurer. Graf Bernstorff hatte während seiner kurzen Amtszeit der Corruption im Auswärtigen Amte kein Ende machen können, war auch wohl geschäftlich und gräflich zu stark präoccupirt, um diesen Dingen nahe zu treten. Ich habe meine Begegnung mit Levinstein, meine Meinung über ihn, seine Be¬ ziehungen zu dem Auswärtigen Ministerium später dem Regenten mit allen Details zur Kenntniß gebracht, sobald ich die Möglich¬ keit hatte, dies mündlich zu thun, was erst Monate später der Fall war. Von einer schriftlichen Berichterstattung versprach ich mir keinen Erfolg, da die Protection Levinsteins durch Herrn von Schleinitz nicht blos zum Regenten hinauf, sondern an die Um¬
Levinſtein als Vertrauensmann Manteuffels. Corruption.
Als ich Miniſter geworden war und das Verhältniß des Aus¬ wärtigen Amts zu Levinſtein abgebrochen hatte, wurden wiederholt Verſuche gemacht, daſſelbe wieder in Gang zu bringen, namentlich von dem Conſul Bamberg in Paris, der mehrmals zu mir kam und mir Vorwürfe darüber machte, daß ich einen „ſo ausgezeichneten Mann“, der eine ſolche Stellung an den europäiſchen Höfen habe, wie Levinſtein, ſo ſchlecht behandeln könnte.
Ich fand auch ſonſt Anlaß, Gewohnheiten, die in dem Aus¬ wärtigen Miniſterium eingeriſſen waren, abzuſtellen. Der lang¬ jährige Portier des Dienſtgebäudes, ein alter Trunkenbold, konnte als Beamter nicht ohne Weitres entlaſſen werden. Ich brachte ihn dahin, den Abſchied zu nehmen, durch die Drohung, ihn dafür zur Unterſuchung zu ziehn, daß er mich „für Geld zeige“, indem er gegen Trinkgeld Jedermann zu mir laſſe. Seinen Proteſt brachte ich mit der Bemerkung zum Schweigen: „Haben Sie mir, als ich Geſandter war, nicht jederzeit Herrn von Manteuffel für einen Thaler, und, wenn das Verbot beſonders ſtreng war, für zwei Thaler gezeigt?“ Von meiner eignen Dienerſchaft wurde mir gelegentlich gemeldet, welche unverhältnißmäßigen Trinkgelder Levinſtein an ſie verſchwendete. Thätige Agenten und Geldempfänger auf dieſem Gebiete waren einige von Manteuffel und Schleinitz übernommne Canzleidiener, unter ihnen ein für ſeine ſubalterne Amtsſtellung hervorragender Maurer. Graf Bernſtorff hatte während ſeiner kurzen Amtszeit der Corruption im Auswärtigen Amte kein Ende machen können, war auch wohl geſchäftlich und gräflich zu ſtark präoccupirt, um dieſen Dingen nahe zu treten. Ich habe meine Begegnung mit Levinſtein, meine Meinung über ihn, ſeine Be¬ ziehungen zu dem Auswärtigen Miniſterium ſpäter dem Regenten mit allen Details zur Kenntniß gebracht, ſobald ich die Möglich¬ keit hatte, dies mündlich zu thun, was erſt Monate ſpäter der Fall war. Von einer ſchriftlichen Berichterſtattung verſprach ich mir keinen Erfolg, da die Protection Levinſteins durch Herrn von Schleinitz nicht blos zum Regenten hinauf, ſondern an die Um¬
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Levinſtein als Vertrauensmann Manteuffels. Corruption.
Als ich Miniſter geworden war und das Verhältniß des Aus¬
wärtigen Amts zu Levinſtein abgebrochen hatte, wurden wiederholt
Verſuche gemacht, daſſelbe wieder in Gang zu bringen, namentlich
von dem Conſul Bamberg in Paris, der mehrmals zu mir kam
und mir Vorwürfe darüber machte, daß ich einen „ſo ausgezeichneten
Mann“, der eine ſolche Stellung an den europäiſchen Höfen habe,
wie Levinſtein, ſo ſchlecht behandeln könnte.
Ich fand auch ſonſt Anlaß, Gewohnheiten, die in dem Aus¬
wärtigen Miniſterium eingeriſſen waren, abzuſtellen. Der lang¬
jährige Portier des Dienſtgebäudes, ein alter Trunkenbold, konnte
als Beamter nicht ohne Weitres entlaſſen werden. Ich brachte
ihn dahin, den Abſchied zu nehmen, durch die Drohung, ihn dafür
zur Unterſuchung zu ziehn, daß er mich „für Geld zeige“, indem
er gegen Trinkgeld Jedermann zu mir laſſe. Seinen Proteſt brachte
ich mit der Bemerkung zum Schweigen: „Haben Sie mir, als ich
Geſandter war, nicht jederzeit Herrn von Manteuffel für einen
Thaler, und, wenn das Verbot beſonders ſtreng war, für zwei Thaler
gezeigt?“ Von meiner eignen Dienerſchaft wurde mir gelegentlich
gemeldet, welche unverhältnißmäßigen Trinkgelder Levinſtein an ſie
verſchwendete. Thätige Agenten und Geldempfänger auf dieſem
Gebiete waren einige von Manteuffel und Schleinitz übernommne
Canzleidiener, unter ihnen ein für ſeine ſubalterne Amtsſtellung
hervorragender Maurer. Graf Bernſtorff hatte während ſeiner
kurzen Amtszeit der Corruption im Auswärtigen Amte kein Ende
machen können, war auch wohl geſchäftlich und gräflich zu ſtark
präoccupirt, um dieſen Dingen nahe zu treten. Ich habe meine
Begegnung mit Levinſtein, meine Meinung über ihn, ſeine Be¬
ziehungen zu dem Auswärtigen Miniſterium ſpäter dem Regenten
mit allen Details zur Kenntniß gebracht, ſobald ich die Möglich¬
keit hatte, dies mündlich zu thun, was erſt Monate ſpäter der
Fall war. Von einer ſchriftlichen Berichterſtattung verſprach ich
mir keinen Erfolg, da die Protection Levinſteins durch Herrn
von Schleinitz nicht blos zum Regenten hinauf, ſondern an die Um¬
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/242>, abgerufen am 24.11.2024.
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