Schlafmütze? Mein auswärtiger Minister und mein Kriegsminister werde ich selbst sein; das verstehe ich."
Ich deprecirte und sagte: "Heut zu Tage kann der fähigste Land¬ rath seinen Kreis nicht verwalten ohne einen intelligenten Kreis¬ sekretär und wird immer auf einen solchen halten; die preußische Monarchie bedarf des Analogen in viel höherm Maße. Ohne intelligente Minister werden Ew. K. H. in dem Ergebniß keine Befriedigung finden. Das Innere berührt mich weniger; aber wenn ich an Schwerin denke, so habe ich auch meine Sorgen. Er ist ehrlich und tapfer und würde, wenn er Soldat wäre, wie sein Vorfahr bei Prag fallen; aber ihm fehlt die Besonnenheit. Sehn Ew. K. H. sein Profil an; dicht über den Augenbrauen springt die Schnelligkeit der Conception hervor, die Eigenschaft, welche die Franzosen mit primesautier bezeichnen, aber darüber fehlt die Stirn, in welcher die Phrenologen die Besonnenheit suchen. Schwerin ist ein Staatsmann ohne Augenmaß und hat mehr Fähigkeit einzureißen als aufzubauen."
Die Beschränktheit der Uebrigen gab mir der Prinz zu. Im Ganzen blieb er bei dem Bestreben, mir meine Mission nach Peters¬ burg im Lichte einer Auszeichnung erscheinen zu lassen, und machte mir den Eindruck, als fühle er eine Erleichterung, daß auf diese Weise die auch für ihn unerfreuliche Frage meiner Versetzung durch meine Initiative der Besprechung erledigt war. Die Audienz endete in gnädiger Form auf Seiten des Regenten und auf meiner Seite mit dem Gefühl ungetrübter Anhänglichkeit an den Herrn und gesteigerter Geringschätzung gegen die Streber, deren von der Prinzessin unterstützten Einflüssen er damals unterlag.
In der neuen Aera hatte die hohe Frau zunächst ein Ministerium vor sich, als dessen Begründerin und Patronin sie sich ansehn durfte. Aber auch unter diesem Cabinet blieb ihr Einfluß nicht dauernd gouvernemental, sondern gewann bald die Natur einer Begünstigung derjenigen Minister, welche der obersten Staatsleitung unbequem waren. Am meisten war dies vielleicht der Graf
Das Miniſterium der Neuen Aera.
Schlafmütze? Mein auswärtiger Miniſter und mein Kriegsminiſter werde ich ſelbſt ſein; das verſtehe ich.“
Ich deprecirte und ſagte: „Heut zu Tage kann der fähigſte Land¬ rath ſeinen Kreis nicht verwalten ohne einen intelligenten Kreis¬ ſekretär und wird immer auf einen ſolchen halten; die preußiſche Monarchie bedarf des Analogen in viel höherm Maße. Ohne intelligente Miniſter werden Ew. K. H. in dem Ergebniß keine Befriedigung finden. Das Innere berührt mich weniger; aber wenn ich an Schwerin denke, ſo habe ich auch meine Sorgen. Er iſt ehrlich und tapfer und würde, wenn er Soldat wäre, wie ſein Vorfahr bei Prag fallen; aber ihm fehlt die Beſonnenheit. Sehn Ew. K. H. ſein Profil an; dicht über den Augenbrauen ſpringt die Schnelligkeit der Conception hervor, die Eigenſchaft, welche die Franzoſen mit primesautier bezeichnen, aber darüber fehlt die Stirn, in welcher die Phrenologen die Beſonnenheit ſuchen. Schwerin iſt ein Staatsmann ohne Augenmaß und hat mehr Fähigkeit einzureißen als aufzubauen.“
Die Beſchränktheit der Uebrigen gab mir der Prinz zu. Im Ganzen blieb er bei dem Beſtreben, mir meine Miſſion nach Peters¬ burg im Lichte einer Auszeichnung erſcheinen zu laſſen, und machte mir den Eindruck, als fühle er eine Erleichterung, daß auf dieſe Weiſe die auch für ihn unerfreuliche Frage meiner Verſetzung durch meine Initiative der Beſprechung erledigt war. Die Audienz endete in gnädiger Form auf Seiten des Regenten und auf meiner Seite mit dem Gefühl ungetrübter Anhänglichkeit an den Herrn und geſteigerter Geringſchätzung gegen die Streber, deren von der Prinzeſſin unterſtützten Einflüſſen er damals unterlag.
In der neuen Aera hatte die hohe Frau zunächſt ein Miniſterium vor ſich, als deſſen Begründerin und Patronin ſie ſich anſehn durfte. Aber auch unter dieſem Cabinet blieb ihr Einfluß nicht dauernd gouvernemental, ſondern gewann bald die Natur einer Begünſtigung derjenigen Miniſter, welche der oberſten Staatsleitung unbequem waren. Am meiſten war dies vielleicht der Graf
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[211/0238]
Das Miniſterium der Neuen Aera.
Schlafmütze? Mein auswärtiger Miniſter und mein Kriegsminiſter
werde ich ſelbſt ſein; das verſtehe ich.“
Ich deprecirte und ſagte: „Heut zu Tage kann der fähigſte Land¬
rath ſeinen Kreis nicht verwalten ohne einen intelligenten Kreis¬
ſekretär und wird immer auf einen ſolchen halten; die preußiſche
Monarchie bedarf des Analogen in viel höherm Maße. Ohne
intelligente Miniſter werden Ew. K. H. in dem Ergebniß keine
Befriedigung finden. Das Innere berührt mich weniger; aber
wenn ich an Schwerin denke, ſo habe ich auch meine Sorgen. Er
iſt ehrlich und tapfer und würde, wenn er Soldat wäre, wie ſein
Vorfahr bei Prag fallen; aber ihm fehlt die Beſonnenheit. Sehn
Ew. K. H. ſein Profil an; dicht über den Augenbrauen ſpringt
die Schnelligkeit der Conception hervor, die Eigenſchaft, welche die
Franzoſen mit primesautier bezeichnen, aber darüber fehlt die
Stirn, in welcher die Phrenologen die Beſonnenheit ſuchen.
Schwerin iſt ein Staatsmann ohne Augenmaß und hat mehr
Fähigkeit einzureißen als aufzubauen.“
Die Beſchränktheit der Uebrigen gab mir der Prinz zu. Im
Ganzen blieb er bei dem Beſtreben, mir meine Miſſion nach Peters¬
burg im Lichte einer Auszeichnung erſcheinen zu laſſen, und machte
mir den Eindruck, als fühle er eine Erleichterung, daß auf dieſe
Weiſe die auch für ihn unerfreuliche Frage meiner Verſetzung durch
meine Initiative der Beſprechung erledigt war. Die Audienz endete
in gnädiger Form auf Seiten des Regenten und auf meiner Seite
mit dem Gefühl ungetrübter Anhänglichkeit an den Herrn und
geſteigerter Geringſchätzung gegen die Streber, deren von der
Prinzeſſin unterſtützten Einflüſſen er damals unterlag.
In der neuen Aera hatte die hohe Frau zunächſt ein Miniſterium
vor ſich, als deſſen Begründerin und Patronin ſie ſich anſehn
durfte. Aber auch unter dieſem Cabinet blieb ihr Einfluß nicht
dauernd gouvernemental, ſondern gewann bald die Natur einer
Begünſtigung derjenigen Miniſter, welche der oberſten Staatsleitung
unbequem waren. Am meiſten war dies vielleicht der Graf
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/238>, abgerufen am 28.11.2024.
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