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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Neuntes Kapitel: Reisen, Regentschaft.
liche Spitze nothwendig sei; aus allen diesen Erwägungen gibt der
König dem zunächst zur Krone Berufenen den Befehl, das zu thun,
was für solchen Fall in der Landesverfassung vorgeschrieben ist.
Die Bestimmungen der letzteren, welche gerade in diesem Punkte
correct und monarchisch abgefaßt sind, werden demnächst zur An¬
wendung gebracht und das, wenn auch nach der Erklärung des
Königs überflüssige, immerhin aber in der Verfassung mit gutem
Grunde vorgeschriebene Landtagsvotum wird eingeholt, aber streng
auf Beantwortung der Frage beschränkt: Ist die Einsetzung einer
Regentschaft nothwendig? mit andern Worten: Ist der König mit
genügendem Grund von den Geschäften entfernt? Wie man diese
Frage verneinen will, ist mir nicht ersichtlich; immerhin wird es
noch manche, namentlich formale Schwierigkeit zu überwinden geben.
Namentlich fehlt es für die in der Verfassung vorgesehene gemein¬
schaftliche Sitzung an einer Geschäftsordnung. Diese wird man
improvisiren müssen, indessen hoffe ich doch, daß man in etwa
fünf Tagen mit der Beschlußfassung zu Stande sein wird, so daß
dann der Prinz den Eid leisten und die Versammlung schließen
können wird. Andre Vorlagen, namentlich solche, welche auf
Geldbewilligungen sich beziehen, werden natürlich für diese Sitzung
gar nicht beabsichtigt. Wenn Ihre Geschäfte es erlauben, so würde
ich wünschen, daß Sie Sich zum Landtage hier einfinden und wo¬
möglich vor dessen Eröffnung hier sind. Ich höre von wunder¬
baren Anträgen der äußersten Rechten
, die man vielleicht im
allgemeinen Interesse, sowie in demjenigen dieser Herren ver¬
hindern könnte.

Westphalens Entlassung gerade im gegenwärtigen Momente
ist nur sehr unerwünscht gewesen. Einmal schon hatte ich, als er
selbige verlangte, sie gehindert. Jetzt wollte der Prinz sie ihm aus
ganz freier Entschließung und ohne seinen Antrag ertheilen und
schickte mir ein darauf bezügliches Privatschreiben an Westphalen
mit dem Befehle, sofort die Ausfertigung vorzulegen. Ich that
letzteres indeß nicht, und sandte auch das eigenhändige Schreiben

Neuntes Kapitel: Reiſen, Regentſchaft.
liche Spitze nothwendig ſei; aus allen dieſen Erwägungen gibt der
König dem zunächſt zur Krone Berufenen den Befehl, das zu thun,
was für ſolchen Fall in der Landesverfaſſung vorgeſchrieben iſt.
Die Beſtimmungen der letzteren, welche gerade in dieſem Punkte
correct und monarchiſch abgefaßt ſind, werden demnächſt zur An¬
wendung gebracht und das, wenn auch nach der Erklärung des
Königs überflüſſige, immerhin aber in der Verfaſſung mit gutem
Grunde vorgeſchriebene Landtagsvotum wird eingeholt, aber ſtreng
auf Beantwortung der Frage beſchränkt: Iſt die Einſetzung einer
Regentſchaft nothwendig? mit andern Worten: Iſt der König mit
genügendem Grund von den Geſchäften entfernt? Wie man dieſe
Frage verneinen will, iſt mir nicht erſichtlich; immerhin wird es
noch manche, namentlich formale Schwierigkeit zu überwinden geben.
Namentlich fehlt es für die in der Verfaſſung vorgeſehene gemein¬
ſchaftliche Sitzung an einer Geſchäftsordnung. Dieſe wird man
improviſiren müſſen, indeſſen hoffe ich doch, daß man in etwa
fünf Tagen mit der Beſchlußfaſſung zu Stande ſein wird, ſo daß
dann der Prinz den Eid leiſten und die Verſammlung ſchließen
können wird. Andre Vorlagen, namentlich ſolche, welche auf
Geldbewilligungen ſich beziehen, werden natürlich für dieſe Sitzung
gar nicht beabſichtigt. Wenn Ihre Geſchäfte es erlauben, ſo würde
ich wünſchen, daß Sie Sich zum Landtage hier einfinden und wo¬
möglich vor deſſen Eröffnung hier ſind. Ich höre von wunder¬
baren Anträgen der äußerſten Rechten
, die man vielleicht im
allgemeinen Intereſſe, ſowie in demjenigen dieſer Herren ver¬
hindern könnte.

Weſtphalens Entlaſſung gerade im gegenwärtigen Momente
iſt nur ſehr unerwünſcht geweſen. Einmal ſchon hatte ich, als er
ſelbige verlangte, ſie gehindert. Jetzt wollte der Prinz ſie ihm aus
ganz freier Entſchließung und ohne ſeinen Antrag ertheilen und
ſchickte mir ein darauf bezügliches Privatſchreiben an Weſtphalen
mit dem Befehle, ſofort die Ausfertigung vorzulegen. Ich that
letzteres indeß nicht, und ſandte auch das eigenhändige Schreiben

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[200/0227] Neuntes Kapitel: Reiſen, Regentſchaft. liche Spitze nothwendig ſei; aus allen dieſen Erwägungen gibt der König dem zunächſt zur Krone Berufenen den Befehl, das zu thun, was für ſolchen Fall in der Landesverfaſſung vorgeſchrieben iſt. Die Beſtimmungen der letzteren, welche gerade in dieſem Punkte correct und monarchiſch abgefaßt ſind, werden demnächſt zur An¬ wendung gebracht und das, wenn auch nach der Erklärung des Königs überflüſſige, immerhin aber in der Verfaſſung mit gutem Grunde vorgeſchriebene Landtagsvotum wird eingeholt, aber ſtreng auf Beantwortung der Frage beſchränkt: Iſt die Einſetzung einer Regentſchaft nothwendig? mit andern Worten: Iſt der König mit genügendem Grund von den Geſchäften entfernt? Wie man dieſe Frage verneinen will, iſt mir nicht erſichtlich; immerhin wird es noch manche, namentlich formale Schwierigkeit zu überwinden geben. Namentlich fehlt es für die in der Verfaſſung vorgeſehene gemein¬ ſchaftliche Sitzung an einer Geſchäftsordnung. Dieſe wird man improviſiren müſſen, indeſſen hoffe ich doch, daß man in etwa fünf Tagen mit der Beſchlußfaſſung zu Stande ſein wird, ſo daß dann der Prinz den Eid leiſten und die Verſammlung ſchließen können wird. Andre Vorlagen, namentlich ſolche, welche auf Geldbewilligungen ſich beziehen, werden natürlich für dieſe Sitzung gar nicht beabſichtigt. Wenn Ihre Geſchäfte es erlauben, ſo würde ich wünſchen, daß Sie Sich zum Landtage hier einfinden und wo¬ möglich vor deſſen Eröffnung hier ſind. Ich höre von wunder¬ baren Anträgen der äußerſten Rechten, die man vielleicht im allgemeinen Intereſſe, ſowie in demjenigen dieſer Herren ver¬ hindern könnte. Weſtphalens Entlaſſung gerade im gegenwärtigen Momente iſt nur ſehr unerwünſcht geweſen. Einmal ſchon hatte ich, als er ſelbige verlangte, ſie gehindert. Jetzt wollte der Prinz ſie ihm aus ganz freier Entſchließung und ohne ſeinen Antrag ertheilen und ſchickte mir ein darauf bezügliches Privatſchreiben an Weſtphalen mit dem Befehle, ſofort die Ausfertigung vorzulegen. Ich that letzteres indeß nicht, und ſandte auch das eigenhändige Schreiben

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/227>, abgerufen am 22.11.2024.