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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Achtes Kapitel: Besuch in Paris.
man aber feste Allianzen suchen, si, wie 1809 Kaiser Franz auf
dem Ungarischen Reichstage sagte, totus mundus stultiziat? Eng¬
lands Politik ging von 1800--1813 dahin. Bonaparte auf dem
Continent zu beschäftigen, um ihn zu verhindern, in England zu
landen, was er 1805 ernsthaft wollte. Jetzt rüstet Napoleon in
allen seinen Häfen, um einst eine Landung möglich zu machen,
und der leichtsinnige Palmerston verfeindet sich mit allen Con¬
tinentalmächten. Oestreich fürchtet mit Recht für sein Italien und
verfeindet sich mit Preußen und Rußland, den einzigen Mächten,
die es ihm gönnen; es nähert sich Frankreich, was seit dem XIV. Jahr¬
hundert lüstern nach Italien sieht, es treibt Sardinien auf das
Aeußerste, was die Thüren und Eingänge Italiens in Händen
hat, es liebäugelt mit Palmerston, der emsig bemüht ist, den Auf¬
ruhr dort zu erregen und zu erhalten. Rußland fängt an, im
Innern zu liberalisiren und macht Frankreich den Hof. Mit wem
soll man sich verbünden? Ist da etwas andres als abwarten
möglich?

In Deutschland ist der preußische Einfluß so gering, weil der
König sich niemals entschließen kann, den Fürsten seinen Unwillen
zu zeigen. Wenn sie sich noch so nichtsnutzig betragen, so sind sie
bei Jagden und in Sanssouci gern gesehn. 1806 fing Preußen
den Krieg mit Frankreich unter sehr ungünstigen Auspicien an,
und doch folgten ihm Sachsen, Kurhessen, Braunschweig, Weimar,
während Oesterreich schon 1805 ohne allen Anhang war. ...

L. v. G." 1)

Ich hatte keinen Grund, durch eine Replik die an sich ziel¬
lose Correspondenz fortzusetzen.


1) Vgl. Bismarck-Jahrbuch II 245 ff.

Achtes Kapitel: Beſuch in Paris.
man aber feſte Allianzen ſuchen, si, wie 1809 Kaiſer Franz auf
dem Ungariſchen Reichstage ſagte, totus mundus stultiziat? Eng¬
lands Politik ging von 1800—1813 dahin. Bonaparte auf dem
Continent zu beſchäftigen, um ihn zu verhindern, in England zu
landen, was er 1805 ernſthaft wollte. Jetzt rüſtet Napoleon in
allen ſeinen Häfen, um einſt eine Landung möglich zu machen,
und der leichtſinnige Palmerſton verfeindet ſich mit allen Con¬
tinentalmächten. Oeſtreich fürchtet mit Recht für ſein Italien und
verfeindet ſich mit Preußen und Rußland, den einzigen Mächten,
die es ihm gönnen; es nähert ſich Frankreich, was ſeit dem XIV. Jahr¬
hundert lüſtern nach Italien ſieht, es treibt Sardinien auf das
Aeußerſte, was die Thüren und Eingänge Italiens in Händen
hat, es liebäugelt mit Palmerſton, der emſig bemüht iſt, den Auf¬
ruhr dort zu erregen und zu erhalten. Rußland fängt an, im
Innern zu liberaliſiren und macht Frankreich den Hof. Mit wem
ſoll man ſich verbünden? Iſt da etwas andres als abwarten
möglich?

In Deutſchland iſt der preußiſche Einfluß ſo gering, weil der
König ſich niemals entſchließen kann, den Fürſten ſeinen Unwillen
zu zeigen. Wenn ſie ſich noch ſo nichtsnutzig betragen, ſo ſind ſie
bei Jagden und in Sansſouci gern geſehn. 1806 fing Preußen
den Krieg mit Frankreich unter ſehr ungünſtigen Auſpicien an,
und doch folgten ihm Sachſen, Kurheſſen, Braunſchweig, Weimar,
während Oeſterreich ſchon 1805 ohne allen Anhang war. ...

L. v. G.“ 1)

Ich hatte keinen Grund, durch eine Replik die an ſich ziel¬
loſe Correſpondenz fortzuſetzen.


1) Vgl. Bismarck-Jahrbuch II 245 ff.
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[190/0217] Achtes Kapitel: Beſuch in Paris. man aber feſte Allianzen ſuchen, si, wie 1809 Kaiſer Franz auf dem Ungariſchen Reichstage ſagte, totus mundus stultiziat? Eng¬ lands Politik ging von 1800—1813 dahin. Bonaparte auf dem Continent zu beſchäftigen, um ihn zu verhindern, in England zu landen, was er 1805 ernſthaft wollte. Jetzt rüſtet Napoleon in allen ſeinen Häfen, um einſt eine Landung möglich zu machen, und der leichtſinnige Palmerſton verfeindet ſich mit allen Con¬ tinentalmächten. Oeſtreich fürchtet mit Recht für ſein Italien und verfeindet ſich mit Preußen und Rußland, den einzigen Mächten, die es ihm gönnen; es nähert ſich Frankreich, was ſeit dem XIV. Jahr¬ hundert lüſtern nach Italien ſieht, es treibt Sardinien auf das Aeußerſte, was die Thüren und Eingänge Italiens in Händen hat, es liebäugelt mit Palmerſton, der emſig bemüht iſt, den Auf¬ ruhr dort zu erregen und zu erhalten. Rußland fängt an, im Innern zu liberaliſiren und macht Frankreich den Hof. Mit wem ſoll man ſich verbünden? Iſt da etwas andres als abwarten möglich? In Deutſchland iſt der preußiſche Einfluß ſo gering, weil der König ſich niemals entſchließen kann, den Fürſten ſeinen Unwillen zu zeigen. Wenn ſie ſich noch ſo nichtsnutzig betragen, ſo ſind ſie bei Jagden und in Sansſouci gern geſehn. 1806 fing Preußen den Krieg mit Frankreich unter ſehr ungünſtigen Auſpicien an, und doch folgten ihm Sachſen, Kurheſſen, Braunſchweig, Weimar, während Oeſterreich ſchon 1805 ohne allen Anhang war. ... L. v. G.“ 1) Ich hatte keinen Grund, durch eine Replik die an ſich ziel¬ loſe Correſpondenz fortzuſetzen. 1) Vgl. Bismarck-Jahrbuch II 245 ff.

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/217>, abgerufen am 25.11.2024.