Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Briefwechsel mit Gerlach über Frankreich. essirt mich nur insoweit, als es auf die Lage meines Vaterlandesreagirt, und wir können Politik nur mit dem Frankreich treiben, welches vorhanden ist, dieses aber aus den Combinationen nicht ausschließen. Ein legitimer Monarch wie Ludwig XIV. ist ein ebenso feindseliges Element wie Napoleon I., und wenn dessen jetziger Nachfolger heut auf den Gedanken käme zu abdiciren, um sich in die Muße des Privatlebens zurückzuziehn, so würde er uns garkeinen Gefallen damit thun, und Heinrich V. würde nicht sein Nachfolger sein; auch wenn man ihn auf den vacanten und unverwehrten Thron hinaufsetzte, würde er sich nicht darauf be¬ haupten. Ich kann als Romantiker eine Thräne für sein Geschick haben, als Diplomat würde ich sein Diener sein, wenn ich Franzose wäre, so aber zählt mir Frankreich, ohne Rücksicht auf die jeweilige Person an seiner Spitze, nur als ein Stein und zwar ein unver¬ meidlicher in dem Schachspiel der Politik, ein Spiel, in welchem ich nur meinem Könige und meinem Lande zu dienen Beruf habe. Sympathien und Antipathien in Betreff auswärtiger Mächte und Personen vermag ich vor meinem Pflichtgefühl im auswärtigen Dienste meines Landes nicht zu rechtfertigen, weder an mir noch an Andern; es ist darin der Embryo der Untreue gegen den Herrn oder das Land, dem man dient. Insbesondre aber, wenn man seine stehenden diplomatischen Beziehungen und die Unterhaltung des Einvernehmens im Frieden danach zuschneiden will, so hört man m. E. auf, Politik zu treiben und handelt nach persönlicher Willkür. Die Interessen des Vaterlandes dem eignen Gefühl von Liebe oder Haß gegen Fremde unterzuordnen, dazu hat meiner Ansicht nach selbst der König nicht das Recht, hat es aber vor Gott und nicht vor mir zu verantworten, wenn er es thut, und darum schweige ich über diesen Punkt. Oder finden Sie das Prinzip, welches ich geopfert habe, in Briefwechſel mit Gerlach über Frankreich. eſſirt mich nur inſoweit, als es auf die Lage meines Vaterlandesreagirt, und wir können Politik nur mit dem Frankreich treiben, welches vorhanden iſt, dieſes aber aus den Combinationen nicht ausſchließen. Ein legitimer Monarch wie Ludwig XIV. iſt ein ebenſo feindſeliges Element wie Napoleon I., und wenn deſſen jetziger Nachfolger heut auf den Gedanken käme zu abdiciren, um ſich in die Muße des Privatlebens zurückzuziehn, ſo würde er uns garkeinen Gefallen damit thun, und Heinrich V. würde nicht ſein Nachfolger ſein; auch wenn man ihn auf den vacanten und unverwehrten Thron hinaufſetzte, würde er ſich nicht darauf be¬ haupten. Ich kann als Romantiker eine Thräne für ſein Geſchick haben, als Diplomat würde ich ſein Diener ſein, wenn ich Franzoſe wäre, ſo aber zählt mir Frankreich, ohne Rückſicht auf die jeweilige Perſon an ſeiner Spitze, nur als ein Stein und zwar ein unver¬ meidlicher in dem Schachſpiel der Politik, ein Spiel, in welchem ich nur meinem Könige und meinem Lande zu dienen Beruf habe. Sympathien und Antipathien in Betreff auswärtiger Mächte und Perſonen vermag ich vor meinem Pflichtgefühl im auswärtigen Dienſte meines Landes nicht zu rechtfertigen, weder an mir noch an Andern; es iſt darin der Embryo der Untreue gegen den Herrn oder das Land, dem man dient. Insbeſondre aber, wenn man ſeine ſtehenden diplomatiſchen Beziehungen und die Unterhaltung des Einvernehmens im Frieden danach zuſchneiden will, ſo hört man m. E. auf, Politik zu treiben und handelt nach perſönlicher Willkür. Die Intereſſen des Vaterlandes dem eignen Gefühl von Liebe oder Haß gegen Fremde unterzuordnen, dazu hat meiner Anſicht nach ſelbſt der König nicht das Recht, hat es aber vor Gott und nicht vor mir zu verantworten, wenn er es thut, und darum ſchweige ich über dieſen Punkt. 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Briefwechſel mit Gerlach über Frankreich.
eſſirt mich nur inſoweit, als es auf die Lage meines Vaterlandes
reagirt, und wir können Politik nur mit dem Frankreich treiben,
welches vorhanden iſt, dieſes aber aus den Combinationen
nicht ausſchließen. Ein legitimer Monarch wie Ludwig XIV.
iſt ein ebenſo feindſeliges Element wie Napoleon I., und wenn
deſſen jetziger Nachfolger heut auf den Gedanken käme zu abdiciren,
um ſich in die Muße des Privatlebens zurückzuziehn, ſo würde er
uns garkeinen Gefallen damit thun, und Heinrich V. würde nicht
ſein Nachfolger ſein; auch wenn man ihn auf den vacanten und
unverwehrten Thron hinaufſetzte, würde er ſich nicht darauf be¬
haupten. Ich kann als Romantiker eine Thräne für ſein Geſchick
haben, als Diplomat würde ich ſein Diener ſein, wenn ich Franzoſe
wäre, ſo aber zählt mir Frankreich, ohne Rückſicht auf die jeweilige
Perſon an ſeiner Spitze, nur als ein Stein und zwar ein unver¬
meidlicher in dem Schachſpiel der Politik, ein Spiel, in welchem
ich nur meinem Könige und meinem Lande zu dienen Beruf habe.
Sympathien und Antipathien in Betreff auswärtiger Mächte und
Perſonen vermag ich vor meinem Pflichtgefühl im auswärtigen
Dienſte meines Landes nicht zu rechtfertigen, weder an mir noch
an Andern; es iſt darin der Embryo der Untreue gegen den Herrn
oder das Land, dem man dient. Insbeſondre aber, wenn man
ſeine ſtehenden diplomatiſchen Beziehungen und die Unterhaltung
des Einvernehmens im Frieden danach zuſchneiden will, ſo hört
man m. E. auf, Politik zu treiben und handelt nach perſönlicher
Willkür. Die Intereſſen des Vaterlandes dem eignen Gefühl von
Liebe oder Haß gegen Fremde unterzuordnen, dazu hat meiner
Anſicht nach ſelbſt der König nicht das Recht, hat es aber vor Gott
und nicht vor mir zu verantworten, wenn er es thut, und darum
ſchweige ich über dieſen Punkt.
Oder finden Sie das Prinzip, welches ich geopfert habe, in
der Formel, daß ein Preuße ſtets ein Gegner Frankreichs
ſein müſſe? Aus dem Obigen geht ſchon hervor, daß ich den Ma߬
ſtab für mein Verhalten gegen fremde Regirungen nicht aus ſtag¬
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