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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Manteuffels Stellung zum Könige. Marquis Moustier.
land betrachtete. Manteuffel vermied es, durch schärferes Vertreten
seiner Auffassung den König noch mehr zu verstimmen oder durch
Eintreten für meine angeblich russische Auffassung die Westmächte
und Oestreich zu reizen, er effacirte sich lieber. Marquis Moustier
kannte diese Stellung, und mein Chef überließ ihm gelegentlich die
Aufgabe, mich zur westmächtlichen Politik und zur Vertretung der¬
selben beim Könige zu bekehren. Bei einem Besuche, den ich Moustier
machte, riß ihn die Lebhaftigkeit seines Temperaments zu der be¬
drohlichen Aeußerung hin: "La politique que vous faites, va vous
conduire a Jena
." Worauf ich antwortete: "Pourquoi pas a Leipzig
ou a Rossbach
?" Moustier war eine so unabhängige Sprache in
Berlin nicht gewohnt und wurde stumm und bleich vor Zorn. Nach
einigem Schweigen setzte ich hinzu: "Enfin toute nation a perdu
et gagne des batailles. Je ne suis pas venu pour faire avec
vous un cours d'histoire."
Die Unterhaltung kam nicht wieder in
Fluß. Moustier beschwerte sich über mich bei Manteuffel, der die
Beschwerde an den König brachte. Dieser aber lobte mich Man¬
teuffel gegenüber, später auch direct, wegen der richtigen Antwort,
die ich dem Franzosen gegeben hatte.

Die leistungsfähigen Kräfte der Bethmann-Hollwegschen Partei,
Goltz, Pourtales, zuweilen Usedom, wurden durch den Prinzen von
Preußen auch bei dem Könige zu einer gewissen Geltung gebracht.
Es kam vor, daß nothwendige Depeschen nicht von Manteuffel,
sondern von dem Grafen Albert Pourtales entworfen wurden, daß
der König mir dessen Entwürfe zur Revision gab, daß ich über
die Amendirung wieder mit Manteuffel Fühlung nahm, daß der
den Unterstaatssekretär Le Coq zuzog, daß dieser die Fassung aber
lediglich von dem Standpunkte französischer Stilistik prüfte und
eine Tage lange Verzögerung mit der Anführung rechtfertigte, er
habe den genau angemessenen französischen Ausdruck noch nicht ge¬
funden, der zwischen dunkel, unklar, zweifelhaft und bedenklich die
richtige Mitte hielte, -- als ob es auf solche Lappalien damals
angekommen wäre.

Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 9

Manteuffels Stellung zum Könige. Marquis Mouſtier.
land betrachtete. Manteuffel vermied es, durch ſchärferes Vertreten
ſeiner Auffaſſung den König noch mehr zu verſtimmen oder durch
Eintreten für meine angeblich ruſſiſche Auffaſſung die Weſtmächte
und Oeſtreich zu reizen, er effacirte ſich lieber. Marquis Mouſtier
kannte dieſe Stellung, und mein Chef überließ ihm gelegentlich die
Aufgabe, mich zur weſtmächtlichen Politik und zur Vertretung der¬
ſelben beim Könige zu bekehren. Bei einem Beſuche, den ich Mouſtier
machte, riß ihn die Lebhaftigkeit ſeines Temperaments zu der be¬
drohlichen Aeußerung hin: „La politique que vous faites, va vous
conduire à Jéna
.“ Worauf ich antwortete: „Pourquoi pas à Leipzig
ou à Rossbach
?“ Mouſtier war eine ſo unabhängige Sprache in
Berlin nicht gewohnt und wurde ſtumm und bleich vor Zorn. Nach
einigem Schweigen ſetzte ich hinzu: „Enfin toute nation a perdu
et gagné des batailles. Je ne suis pas venu pour faire avec
vous un cours d'histoire.“
Die Unterhaltung kam nicht wieder in
Fluß. Mouſtier beſchwerte ſich über mich bei Manteuffel, der die
Beſchwerde an den König brachte. Dieſer aber lobte mich Man¬
teuffel gegenüber, ſpäter auch direct, wegen der richtigen Antwort,
die ich dem Franzoſen gegeben hatte.

Die leiſtungsfähigen Kräfte der Bethmann-Hollwegſchen Partei,
Goltz, Pourtalès, zuweilen Uſedom, wurden durch den Prinzen von
Preußen auch bei dem Könige zu einer gewiſſen Geltung gebracht.
Es kam vor, daß nothwendige Depeſchen nicht von Manteuffel,
ſondern von dem Grafen Albert Pourtalès entworfen wurden, daß
der König mir deſſen Entwürfe zur Reviſion gab, daß ich über
die Amendirung wieder mit Manteuffel Fühlung nahm, daß der
den Unterſtaatsſekretär Le Coq zuzog, daß dieſer die Faſſung aber
lediglich von dem Standpunkte franzöſiſcher Stiliſtik prüfte und
eine Tage lange Verzögerung mit der Anführung rechtfertigte, er
habe den genau angemeſſenen franzöſiſchen Ausdruck noch nicht ge¬
funden, der zwiſchen dunkel, unklar, zweifelhaft und bedenklich die
richtige Mitte hielte, — als ob es auf ſolche Lappalien damals
angekommen wäre.

Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 9
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[129/0156] Manteuffels Stellung zum Könige. Marquis Mouſtier. land betrachtete. Manteuffel vermied es, durch ſchärferes Vertreten ſeiner Auffaſſung den König noch mehr zu verſtimmen oder durch Eintreten für meine angeblich ruſſiſche Auffaſſung die Weſtmächte und Oeſtreich zu reizen, er effacirte ſich lieber. Marquis Mouſtier kannte dieſe Stellung, und mein Chef überließ ihm gelegentlich die Aufgabe, mich zur weſtmächtlichen Politik und zur Vertretung der¬ ſelben beim Könige zu bekehren. Bei einem Beſuche, den ich Mouſtier machte, riß ihn die Lebhaftigkeit ſeines Temperaments zu der be¬ drohlichen Aeußerung hin: „La politique que vous faites, va vous conduire à Jéna.“ Worauf ich antwortete: „Pourquoi pas à Leipzig ou à Rossbach?“ Mouſtier war eine ſo unabhängige Sprache in Berlin nicht gewohnt und wurde ſtumm und bleich vor Zorn. Nach einigem Schweigen ſetzte ich hinzu: „Enfin toute nation a perdu et gagné des batailles. Je ne suis pas venu pour faire avec vous un cours d'histoire.“ Die Unterhaltung kam nicht wieder in Fluß. Mouſtier beſchwerte ſich über mich bei Manteuffel, der die Beſchwerde an den König brachte. Dieſer aber lobte mich Man¬ teuffel gegenüber, ſpäter auch direct, wegen der richtigen Antwort, die ich dem Franzoſen gegeben hatte. Die leiſtungsfähigen Kräfte der Bethmann-Hollwegſchen Partei, Goltz, Pourtalès, zuweilen Uſedom, wurden durch den Prinzen von Preußen auch bei dem Könige zu einer gewiſſen Geltung gebracht. Es kam vor, daß nothwendige Depeſchen nicht von Manteuffel, ſondern von dem Grafen Albert Pourtalès entworfen wurden, daß der König mir deſſen Entwürfe zur Reviſion gab, daß ich über die Amendirung wieder mit Manteuffel Fühlung nahm, daß der den Unterſtaatsſekretär Le Coq zuzog, daß dieſer die Faſſung aber lediglich von dem Standpunkte franzöſiſcher Stiliſtik prüfte und eine Tage lange Verzögerung mit der Anführung rechtfertigte, er habe den genau angemeſſenen franzöſiſchen Ausdruck noch nicht ge¬ funden, der zwiſchen dunkel, unklar, zweifelhaft und bedenklich die richtige Mitte hielte, — als ob es auf ſolche Lappalien damals angekommen wäre. Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 9

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/156>, abgerufen am 27.11.2024.