einer erwachsenen und zur Uebernahme der Führung in ihrem Kreise geneigten Tochter; vielleicht auch die Vermuthung einer Idiosynkrasie gegen die präpotente Persönlichkeit des Kaisers Nicolaus. Gewiß ist, daß der antirussische Einfluß dieser hohen Frau auch in den Zeiten, wo sie Königin und Kaiserin war, mir die Durchführung der von mir für nothwendig erkannten Politik bei Sr. Majestät häufig erschwert hat.
Wesentliche Hülfe leistete der Bethmann-Hollwegschen Fraction Herr von Schleinitz, der Specialpolitiker der Prinzessin, der auch seinerseits zum Kampfe gegen Manteuffel dadurch veranlaßt war, daß er aus dem gutsituirten, aber nicht sehr fleißig besorgten Posten von Hanover aus dienstlichen Gründen unter Umständen der Art entlassen war, daß ihm das Wartegeld als Gesandter erst, nachdem er Minister geworden, nachträglich ausgezahlt wurde. Als Sohn eines braunschweigischen Ministers und als gewerbsmäßiger Diplo¬ mat an das Hofleben und die äußern Vorzüge des auswärtigen Dienstes gewöhnt, ohne Vermögen, dienstlich verstimmt, bei der Prinzessin aber in Gnaden stehend, wurde er natürlich von den Gegnern Manteuffel's gesucht und schloß sich ihnen bereitwillig an. Er wurde der erste auswärtige Minister der neuen Aera und starb als Hausminister der Kaiserin Augusta.
Beim Frühstück -- und diese Gewohnheit des Prinzen wurde auch vom Kaiser Wilhelm beibehalten -- hielt die Prinzessin ihrem Gemal Vortrag unter Vorlegung von Briefen und Zeitungsartikeln, die zuweilen ad hoc redigirt worden waren. Andeutungen, die ich mir gelegentlich gestattete, daß gewisse Briefe auf Veranstaltung der Königin durch Herrn von Schleinitz hergestellt und beschafft sein könnten, trugen mir eine sehr scharfe Zurückweisung zu. Der König trat mit seinem ritterlichen Sinne unbedingt für seine Ge¬ malin ein, auch wenn der Anschein einleuchtend gegen sie war. Er wollte gewissermaßen verbieten, dergleichen zu glauben, auch wenn es wahr wäre.
Ich habe es nie für die Aufgabe eines Gesandten bei befreun¬
Prinzeſſin Auguſta, Sympathien und Antipathien.
einer erwachſenen und zur Uebernahme der Führung in ihrem Kreiſe geneigten Tochter; vielleicht auch die Vermuthung einer Idioſynkraſie gegen die präpotente Perſönlichkeit des Kaiſers Nicolaus. Gewiß iſt, daß der antiruſſiſche Einfluß dieſer hohen Frau auch in den Zeiten, wo ſie Königin und Kaiſerin war, mir die Durchführung der von mir für nothwendig erkannten Politik bei Sr. Majeſtät häufig erſchwert hat.
Weſentliche Hülfe leiſtete der Bethmann-Hollwegſchen Fraction Herr von Schleinitz, der Specialpolitiker der Prinzeſſin, der auch ſeinerſeits zum Kampfe gegen Manteuffel dadurch veranlaßt war, daß er aus dem gutſituirten, aber nicht ſehr fleißig beſorgten Poſten von Hanover aus dienſtlichen Gründen unter Umſtänden der Art entlaſſen war, daß ihm das Wartegeld als Geſandter erſt, nachdem er Miniſter geworden, nachträglich ausgezahlt wurde. Als Sohn eines braunſchweigiſchen Miniſters und als gewerbsmäßiger Diplo¬ mat an das Hofleben und die äußern Vorzüge des auswärtigen Dienſtes gewöhnt, ohne Vermögen, dienſtlich verſtimmt, bei der Prinzeſſin aber in Gnaden ſtehend, wurde er natürlich von den Gegnern Manteuffel's geſucht und ſchloß ſich ihnen bereitwillig an. Er wurde der erſte auswärtige Miniſter der neuen Aera und ſtarb als Hausminiſter der Kaiſerin Auguſta.
Beim Frühſtück — und dieſe Gewohnheit des Prinzen wurde auch vom Kaiſer Wilhelm beibehalten — hielt die Prinzeſſin ihrem Gemal Vortrag unter Vorlegung von Briefen und Zeitungsartikeln, die zuweilen ad hoc redigirt worden waren. Andeutungen, die ich mir gelegentlich geſtattete, daß gewiſſe Briefe auf Veranſtaltung der Königin durch Herrn von Schleinitz hergeſtellt und beſchafft ſein könnten, trugen mir eine ſehr ſcharfe Zurückweiſung zu. Der König trat mit ſeinem ritterlichen Sinne unbedingt für ſeine Ge¬ malin ein, auch wenn der Anſchein einleuchtend gegen ſie war. Er wollte gewiſſermaßen verbieten, dergleichen zu glauben, auch wenn es wahr wäre.
Ich habe es nie für die Aufgabe eines Geſandten bei befreun¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0150"n="123"/><fwplace="top"type="header">Prinzeſſin Auguſta, Sympathien und Antipathien.<lb/></fw>einer erwachſenen und zur Uebernahme der Führung in ihrem Kreiſe<lb/>
geneigten Tochter; vielleicht auch die Vermuthung einer Idioſynkraſie<lb/>
gegen die präpotente Perſönlichkeit des Kaiſers Nicolaus. Gewiß<lb/>
iſt, daß der antiruſſiſche Einfluß dieſer hohen Frau auch in den<lb/>
Zeiten, wo ſie Königin und Kaiſerin war, mir die Durchführung<lb/>
der von mir für nothwendig erkannten Politik bei Sr. Majeſtät<lb/>
häufig erſchwert hat.</p><lb/><p>Weſentliche Hülfe leiſtete der Bethmann-Hollwegſchen Fraction<lb/>
Herr von Schleinitz, der Specialpolitiker der Prinzeſſin, der auch<lb/>ſeinerſeits zum Kampfe gegen Manteuffel dadurch veranlaßt war,<lb/>
daß er aus dem gutſituirten, aber nicht ſehr fleißig beſorgten Poſten<lb/>
von Hanover aus dienſtlichen Gründen unter Umſtänden der Art<lb/>
entlaſſen war, daß ihm das Wartegeld als Geſandter erſt, nachdem<lb/>
er Miniſter geworden, nachträglich ausgezahlt wurde. Als Sohn<lb/>
eines braunſchweigiſchen Miniſters und als gewerbsmäßiger Diplo¬<lb/>
mat an das Hofleben und die äußern Vorzüge des auswärtigen<lb/>
Dienſtes gewöhnt, ohne Vermögen, dienſtlich verſtimmt, bei der<lb/>
Prinzeſſin aber in Gnaden ſtehend, wurde er natürlich von den<lb/>
Gegnern Manteuffel's geſucht und ſchloß ſich ihnen bereitwillig an.<lb/>
Er wurde der erſte auswärtige Miniſter der neuen Aera und ſtarb<lb/>
als Hausminiſter der Kaiſerin Auguſta.</p><lb/><p>Beim Frühſtück — und dieſe Gewohnheit des <hirendition="#g">Prinzen</hi> wurde<lb/>
auch vom <hirendition="#g">Kaiſer</hi> Wilhelm beibehalten — hielt die Prinzeſſin ihrem<lb/>
Gemal Vortrag unter Vorlegung von Briefen und Zeitungsartikeln,<lb/>
die zuweilen <hirendition="#aq">ad hoc</hi> redigirt worden waren. Andeutungen, die ich<lb/>
mir gelegentlich geſtattete, daß gewiſſe Briefe auf Veranſtaltung<lb/>
der Königin durch Herrn von Schleinitz hergeſtellt und beſchafft<lb/>ſein könnten, trugen mir eine ſehr ſcharfe Zurückweiſung zu. Der<lb/>
König trat mit ſeinem ritterlichen Sinne unbedingt für ſeine Ge¬<lb/>
malin ein, auch wenn der Anſchein einleuchtend gegen ſie war.<lb/>
Er wollte gewiſſermaßen verbieten, dergleichen zu glauben, auch<lb/>
wenn es wahr wäre.</p><lb/><p>Ich habe es nie für die Aufgabe eines Geſandten bei befreun¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[123/0150]
Prinzeſſin Auguſta, Sympathien und Antipathien.
einer erwachſenen und zur Uebernahme der Führung in ihrem Kreiſe
geneigten Tochter; vielleicht auch die Vermuthung einer Idioſynkraſie
gegen die präpotente Perſönlichkeit des Kaiſers Nicolaus. Gewiß
iſt, daß der antiruſſiſche Einfluß dieſer hohen Frau auch in den
Zeiten, wo ſie Königin und Kaiſerin war, mir die Durchführung
der von mir für nothwendig erkannten Politik bei Sr. Majeſtät
häufig erſchwert hat.
Weſentliche Hülfe leiſtete der Bethmann-Hollwegſchen Fraction
Herr von Schleinitz, der Specialpolitiker der Prinzeſſin, der auch
ſeinerſeits zum Kampfe gegen Manteuffel dadurch veranlaßt war,
daß er aus dem gutſituirten, aber nicht ſehr fleißig beſorgten Poſten
von Hanover aus dienſtlichen Gründen unter Umſtänden der Art
entlaſſen war, daß ihm das Wartegeld als Geſandter erſt, nachdem
er Miniſter geworden, nachträglich ausgezahlt wurde. Als Sohn
eines braunſchweigiſchen Miniſters und als gewerbsmäßiger Diplo¬
mat an das Hofleben und die äußern Vorzüge des auswärtigen
Dienſtes gewöhnt, ohne Vermögen, dienſtlich verſtimmt, bei der
Prinzeſſin aber in Gnaden ſtehend, wurde er natürlich von den
Gegnern Manteuffel's geſucht und ſchloß ſich ihnen bereitwillig an.
Er wurde der erſte auswärtige Miniſter der neuen Aera und ſtarb
als Hausminiſter der Kaiſerin Auguſta.
Beim Frühſtück — und dieſe Gewohnheit des Prinzen wurde
auch vom Kaiſer Wilhelm beibehalten — hielt die Prinzeſſin ihrem
Gemal Vortrag unter Vorlegung von Briefen und Zeitungsartikeln,
die zuweilen ad hoc redigirt worden waren. Andeutungen, die ich
mir gelegentlich geſtattete, daß gewiſſe Briefe auf Veranſtaltung
der Königin durch Herrn von Schleinitz hergeſtellt und beſchafft
ſein könnten, trugen mir eine ſehr ſcharfe Zurückweiſung zu. Der
König trat mit ſeinem ritterlichen Sinne unbedingt für ſeine Ge¬
malin ein, auch wenn der Anſchein einleuchtend gegen ſie war.
Er wollte gewiſſermaßen verbieten, dergleichen zu glauben, auch
wenn es wahr wäre.
Ich habe es nie für die Aufgabe eines Geſandten bei befreun¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/150>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.