Unterredung mit dem Prinzen v. Preußen. Depeschendiebstahl.
werden. Ich nahm an, daß es mir nicht gelungen sei, die Auf¬ fassung, der sich der Prinz unter häuslichem, englischem und Bethmann-Hollwegschem Einfluß ehrlich überlassen hatte, zu er¬ schüttern. Gegen den Einfluß der letztern Partei wäre ich auch bei ihm wohl durchgedrungen, aber gegen den der Frau Prinzessin konnte ich nicht aufkommen.
Während des Krimkrieges und, wenn ich mich recht erinnere, aus Anlaß desselben wurde ein lange betriebener Depeschendiebstahl ruchbar. Ein verarmter Polizeiagent1), der vor Jahren seine Ge¬ schicklichkeit dadurch bewiesen hatte, daß er, während der Graf Bresson französischer Gesandter in Berlin war, Nachts durch die Spree geschwommen, in die Villa des Grafen in Moabit ein¬ gebrochen war und seine Papiere abgeschrieben hatte, wurde von dem Minister Manteuffel dazu angestellt, sich durch bestochne Diener Zugang zu den Mappen zu verschaffen, in denen die eingegangnen Depeschen und die durch deren Lesung veranlaßte Correspondenz zwi¬ schen dem Könige, Gerlach und Niebuhr hin und her ging, und von dem Inhalte derselben Abschrift zu nehmen. Von Manteuffel mit preußischer Sparsamkeit bezahlt, suchte er nach weitrer Ver¬ werthung seiner Bemühungen und fand eine solche durch Vermitt¬ lung des Agenten Hassenkrug zunächst bei dem französischen Ge¬ sandten Moustier, dann auch bei andern Leuten2).
Zu den Kunden des Agenten gehörte auch der Polizeipräsident von Hinckeldey. Dieser kam eines Tages zu dem General von Gerlach mit der Abschrift eines Briefes, in welchem dieser an Jemanden, wahrscheinlich an Niebuhr, geschrieben hatte: "Nun der König mit hohem Besuch in Stolzenfels sei, hätten sich die und die, darunter Hinckeldey, dorthin begeben; die Bibel sage, wo das Aas ist, da sammeln sich die Adler; jetzt könne man sagen, wo der Adler ist, da sammelt sich das Aas." Hinckeldey stellte den General
1) Tächen.
2) Vgl. Gerlach's Denkwürdigkeiten II 346 ff.
Unterredung mit dem Prinzen v. Preußen. Depeſchendiebſtahl.
werden. Ich nahm an, daß es mir nicht gelungen ſei, die Auf¬ faſſung, der ſich der Prinz unter häuslichem, engliſchem und Bethmann-Hollwegſchem Einfluß ehrlich überlaſſen hatte, zu er¬ ſchüttern. Gegen den Einfluß der letztern Partei wäre ich auch bei ihm wohl durchgedrungen, aber gegen den der Frau Prinzeſſin konnte ich nicht aufkommen.
Während des Krimkrieges und, wenn ich mich recht erinnere, aus Anlaß deſſelben wurde ein lange betriebener Depeſchendiebſtahl ruchbar. Ein verarmter Polizeiagent1), der vor Jahren ſeine Ge¬ ſchicklichkeit dadurch bewieſen hatte, daß er, während der Graf Breſſon franzöſiſcher Geſandter in Berlin war, Nachts durch die Spree geſchwommen, in die Villa des Grafen in Moabit ein¬ gebrochen war und ſeine Papiere abgeſchrieben hatte, wurde von dem Miniſter Manteuffel dazu angeſtellt, ſich durch beſtochne Diener Zugang zu den Mappen zu verſchaffen, in denen die eingegangnen Depeſchen und die durch deren Leſung veranlaßte Correſpondenz zwi¬ ſchen dem Könige, Gerlach und Niebuhr hin und her ging, und von dem Inhalte derſelben Abſchrift zu nehmen. Von Manteuffel mit preußiſcher Sparſamkeit bezahlt, ſuchte er nach weitrer Ver¬ werthung ſeiner Bemühungen und fand eine ſolche durch Vermitt¬ lung des Agenten Haſſenkrug zunächſt bei dem franzöſiſchen Ge¬ ſandten Mouſtier, dann auch bei andern Leuten2).
Zu den Kunden des Agenten gehörte auch der Polizeipräſident von Hinckeldey. Dieſer kam eines Tages zu dem General von Gerlach mit der Abſchrift eines Briefes, in welchem dieſer an Jemanden, wahrſcheinlich an Niebuhr, geſchrieben hatte: „Nun der König mit hohem Beſuch in Stolzenfels ſei, hätten ſich die und die, darunter Hinckeldey, dorthin begeben; die Bibel ſage, wo das Aas iſt, da ſammeln ſich die Adler; jetzt könne man ſagen, wo der Adler iſt, da ſammelt ſich das Aas.“ Hinckeldey ſtellte den General
1) Tächen.
2) Vgl. Gerlach's Denkwürdigkeiten II 346 ff.
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Unterredung mit dem Prinzen v. Preußen. Depeſchendiebſtahl.
werden. Ich nahm an, daß es mir nicht gelungen ſei, die Auf¬
faſſung, der ſich der Prinz unter häuslichem, engliſchem und
Bethmann-Hollwegſchem Einfluß ehrlich überlaſſen hatte, zu er¬
ſchüttern. Gegen den Einfluß der letztern Partei wäre ich auch
bei ihm wohl durchgedrungen, aber gegen den der Frau Prinzeſſin
konnte ich nicht aufkommen.
Während des Krimkrieges und, wenn ich mich recht erinnere,
aus Anlaß deſſelben wurde ein lange betriebener Depeſchendiebſtahl
ruchbar. Ein verarmter Polizeiagent 1), der vor Jahren ſeine Ge¬
ſchicklichkeit dadurch bewieſen hatte, daß er, während der Graf
Breſſon franzöſiſcher Geſandter in Berlin war, Nachts durch die
Spree geſchwommen, in die Villa des Grafen in Moabit ein¬
gebrochen war und ſeine Papiere abgeſchrieben hatte, wurde von
dem Miniſter Manteuffel dazu angeſtellt, ſich durch beſtochne Diener
Zugang zu den Mappen zu verſchaffen, in denen die eingegangnen
Depeſchen und die durch deren Leſung veranlaßte Correſpondenz zwi¬
ſchen dem Könige, Gerlach und Niebuhr hin und her ging, und
von dem Inhalte derſelben Abſchrift zu nehmen. Von Manteuffel
mit preußiſcher Sparſamkeit bezahlt, ſuchte er nach weitrer Ver¬
werthung ſeiner Bemühungen und fand eine ſolche durch Vermitt¬
lung des Agenten Haſſenkrug zunächſt bei dem franzöſiſchen Ge¬
ſandten Mouſtier, dann auch bei andern Leuten 2).
Zu den Kunden des Agenten gehörte auch der Polizeipräſident
von Hinckeldey. Dieſer kam eines Tages zu dem General von
Gerlach mit der Abſchrift eines Briefes, in welchem dieſer an
Jemanden, wahrſcheinlich an Niebuhr, geſchrieben hatte: „Nun der
König mit hohem Beſuch in Stolzenfels ſei, hätten ſich die und die,
darunter Hinckeldey, dorthin begeben; die Bibel ſage, wo das Aas
iſt, da ſammeln ſich die Adler; jetzt könne man ſagen, wo der
Adler iſt, da ſammelt ſich das Aas.“ Hinckeldey ſtellte den General
1)
Tächen.
2)
Vgl. Gerlach's Denkwürdigkeiten II 346 ff.
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/142>, abgerufen am 17.07.2024.
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