Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Fünftes Kapitel: Wochenblattspartei. Krimkrieg. vor Gott und seinem Gewissen gewiß ist, so ist er gegen Viele,nicht etwa blos gegen mich, offener als gegen Manteuffel. Bei jenen Heimlichkeiten aber entsteht ein Gebräu von Schwäche und Finasserie auf der einen und von animosem Servilismus auf der andern Seite, was in der Regel etwas sehr Unglückliches zur Welt bringt1). Berlin, den 23. Januar 1855. ... Was mich ganz niederschlägt, ist der allgemein verbreitete Bei Manteuffel hatte eine active und unternehmende anti¬ 1) Vgl. Briefwechsel 216 ff. 2) a. a. O. 222 ff. -- Die weiteren Briefe Gerlach's aus den Jahren
1855-1860 sind veröffentlicht im Bismarck-Jahrbuch II 191 ff., IV 158 ff., VI 83 ff. Fünftes Kapitel: Wochenblattspartei. Krimkrieg. vor Gott und ſeinem Gewiſſen gewiß iſt, ſo iſt er gegen Viele,nicht etwa blos gegen mich, offener als gegen Manteuffel. Bei jenen Heimlichkeiten aber entſteht ein Gebräu von Schwäche und Finaſſerie auf der einen und von animoſem Servilismus auf der andern Seite, was in der Regel etwas ſehr Unglückliches zur Welt bringt1). Berlin, den 23. Januar 1855. ... Was mich ganz niederſchlägt, iſt der allgemein verbreitete Bei Manteuffel hatte eine active und unternehmende anti¬ 1) Vgl. Briefwechſel 216 ff. 2) a. a. O. 222 ff. — Die weiteren Briefe Gerlach's aus den Jahren
1855–1860 ſind veröffentlicht im Bismarck-Jahrbuch II 191 ff., IV 158 ff., VI 83 ff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0135" n="108"/><fw place="top" type="header">Fünftes Kapitel: Wochenblattspartei. Krimkrieg.<lb/></fw>vor Gott und ſeinem Gewiſſen gewiß iſt, ſo iſt er gegen Viele,<lb/> nicht etwa blos gegen mich, offener als gegen Manteuffel. Bei<lb/> jenen Heimlichkeiten aber entſteht ein Gebräu von Schwäche und<lb/> Finaſſerie auf der einen und von animoſem Servilismus auf der<lb/> andern Seite, was in der Regel etwas ſehr Unglückliches zur Welt<lb/> bringt<note place="foot" n="1)"><lb/> Vgl. Briefwechſel 216 ff.</note>.</p><lb/> <p> <hi rendition="#right">Berlin, den 23. Januar 1855.</hi> </p><lb/> <p>... Was mich ganz niederſchlägt, iſt der allgemein verbreitete<lb/> Bonapartismus und die Indifferenz und der Leichtſinn, womit<lb/> man dieſe größte aller Gefahren auf ſich zukommen ſieht. Iſt es<lb/> denn ſo ſchwer zu erkennen, wohin dieſer Menſch will? ... Und<lb/> wie ſtehen hier die Sachen? <hi rendition="#aq">The king can do no wrong</hi>. Von<lb/> dem ſchweige ich; Manteuffel iſt völlig Bonapartiſt. Bunſen mit¬<lb/> ſammt Uſedom ſind keine Preußen. Hatzfeld in Paris hat eine<lb/> bonapartiſtiſche Frau und iſt ſo eingeſeift, daß ſein hieſiger Schwager<lb/> den alten Bonaparte im Vergleich mit dem jetzigen für einen<lb/> Eſel hält. Was ſoll daraus werden, und wie darf man dem<lb/> Könige Vorwürfe machen, wenn er ſo bedient iſt. Von den irregu¬<lb/> lären Rathgebern zu ſchweigen. L. v. G.“ <note place="foot" n="2)"><lb/> a. a. O. 222 ff. — Die weiteren Briefe Gerlach's aus den Jahren<lb/> 1855–1860 ſind veröffentlicht im Bismarck-Jahrbuch <hi rendition="#aq">II</hi> 191 ff., <hi rendition="#aq">IV</hi> 158 ff.,<lb/><hi rendition="#aq">VI</hi> 83 ff.</note></p><lb/> <p>Bei Manteuffel hatte eine active und unternehmende anti¬<lb/> öſtreichiſche Politik noch weniger Ausſicht auf Anklang als bei<lb/> dem Könige. Mein damaliger Chef machte mir in der Diſcuſſion<lb/> der Frage unter vier Augen wohl den Eindruck, als theile er<lb/> meine boruſſiſche Entrüſtung über die geringſchätzige und verletzende<lb/> Art der Behandlung, die wir von der Politik Buol-Prokeſch er¬<lb/> fuhren. War aber die Situation bis zum Handeln gediehn, kam<lb/> es darauf an, einen wirkſamen diplomatiſchen Schritt in anti¬<lb/> öſtreichiſcher Richtung zu thun oder auch nur die Fühlung mit<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [108/0135]
Fünftes Kapitel: Wochenblattspartei. Krimkrieg.
vor Gott und ſeinem Gewiſſen gewiß iſt, ſo iſt er gegen Viele,
nicht etwa blos gegen mich, offener als gegen Manteuffel. Bei
jenen Heimlichkeiten aber entſteht ein Gebräu von Schwäche und
Finaſſerie auf der einen und von animoſem Servilismus auf der
andern Seite, was in der Regel etwas ſehr Unglückliches zur Welt
bringt 1).
Berlin, den 23. Januar 1855.
... Was mich ganz niederſchlägt, iſt der allgemein verbreitete
Bonapartismus und die Indifferenz und der Leichtſinn, womit
man dieſe größte aller Gefahren auf ſich zukommen ſieht. Iſt es
denn ſo ſchwer zu erkennen, wohin dieſer Menſch will? ... Und
wie ſtehen hier die Sachen? The king can do no wrong. Von
dem ſchweige ich; Manteuffel iſt völlig Bonapartiſt. Bunſen mit¬
ſammt Uſedom ſind keine Preußen. Hatzfeld in Paris hat eine
bonapartiſtiſche Frau und iſt ſo eingeſeift, daß ſein hieſiger Schwager
den alten Bonaparte im Vergleich mit dem jetzigen für einen
Eſel hält. Was ſoll daraus werden, und wie darf man dem
Könige Vorwürfe machen, wenn er ſo bedient iſt. Von den irregu¬
lären Rathgebern zu ſchweigen. L. v. G.“ 2)
Bei Manteuffel hatte eine active und unternehmende anti¬
öſtreichiſche Politik noch weniger Ausſicht auf Anklang als bei
dem Könige. Mein damaliger Chef machte mir in der Diſcuſſion
der Frage unter vier Augen wohl den Eindruck, als theile er
meine boruſſiſche Entrüſtung über die geringſchätzige und verletzende
Art der Behandlung, die wir von der Politik Buol-Prokeſch er¬
fuhren. War aber die Situation bis zum Handeln gediehn, kam
es darauf an, einen wirkſamen diplomatiſchen Schritt in anti¬
öſtreichiſcher Richtung zu thun oder auch nur die Fühlung mit
1)
Vgl. Briefwechſel 216 ff.
2)
a. a. O. 222 ff. — Die weiteren Briefe Gerlach's aus den Jahren
1855–1860 ſind veröffentlicht im Bismarck-Jahrbuch II 191 ff., IV 158 ff.,
VI 83 ff.
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