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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Fünftes Kapitel: Wochenblattspartei. Krimkrieg.
und dessen Freunde am Hofe) u. s. w. ein Gegengewicht zu haben,
was nun, Gott sei Dank, durch Goltzens Trotz vereitelt ist. -- Ich
denke mir, daß ein Plan im Werke ist -- ob in allen zum Mit¬
handeln bestimmten Personen bewußt oder unbewußt, halb oder ganz,
lasse ich dahingestellt sein -- ein Ministerium unter den Auspicien
des Prinzen von Preußen zu formiren, in dem -- nach Entfernung
von Raumer, Westphalen, Bodelschwingh -- Manteuffel als Präses,
Ladenberg als Cultus, Goltz als Auswärtiger functioniren soll
und welches sich die Kammermajorität verschafft, was ich nicht für
sehr schwierig halte. Damit sitzt der arme König zwischen der
Kammermajorität und seinem Nachfolger und kann sich nicht rühren.
Alles was Westphalen und Raumer zu Stande gebracht, und sie
sind die einzigen Menschen, die etwas gethan, würde wieder ver¬
loren gehn, von den übrigen Folgen zu schweigen. Manteuffel
als doppelter Novembermann wäre wie schon jetzt inevitable."

Der Gegensatz der verschiedenen Elemente, welche die Ent¬
schließungen des Königs zu bestimmen suchten, steigerte sich, der
Angriff der Bethmann-Hollweg'schen Fraction auf Manteuffel be¬
lebte sich während des Krimkrieges. Der Ministerpräsident hat
seine Abneigung gegen den Bruch mit Oestreich und gegen eine
Politik, wie sie nach den böhmischen Schlachtfeldern führte, am
nachdrücklichsten in allen für unsre Freundschaft mit Oestreich kri¬
tischen Momenten bethätigt. In der Zeit des Fürsten Schwarzen¬
berg, demnächst des Krimkrieges und der Ausbeutung Preußens
für die östreichische Orientpolitik erinnerte unser Verhältniß zu
Oestreich an das zwischen Leporello und Don Juan. In Frank¬
furt, wo zur Zeit des Krimkriegs die übrigen Bundesstaaten
außer Oestreich versuchsweise verlangten, daß Preußen sie der öst¬
reichisch-westmächtlichen Vergewaltigung gegenüber vertrete, konnte
ich als Träger der preußischen Politik mich einer Beschämung und
Erbitterung nicht erwehren, wenn ich sah, wie wir gegenüber den
nicht einmal in höflichen Formen vorgebrachten Zumuthungen Oest¬
reichs jede eigne Politik und jede selbständige Ansicht opferten, von

Fünftes Kapitel: Wochenblattspartei. Krimkrieg.
und deſſen Freunde am Hofe) u. ſ. w. ein Gegengewicht zu haben,
was nun, Gott ſei Dank, durch Goltzens Trotz vereitelt iſt. — Ich
denke mir, daß ein Plan im Werke iſt — ob in allen zum Mit¬
handeln beſtimmten Perſonen bewußt oder unbewußt, halb oder ganz,
laſſe ich dahingeſtellt ſein — ein Miniſterium unter den Auſpicien
des Prinzen von Preußen zu formiren, in dem — nach Entfernung
von Raumer, Weſtphalen, Bodelſchwingh — Manteuffel als Präſes,
Ladenberg als Cultus, Goltz als Auswärtiger functioniren ſoll
und welches ſich die Kammermajorität verſchafft, was ich nicht für
ſehr ſchwierig halte. Damit ſitzt der arme König zwiſchen der
Kammermajorität und ſeinem Nachfolger und kann ſich nicht rühren.
Alles was Weſtphalen und Raumer zu Stande gebracht, und ſie
ſind die einzigen Menſchen, die etwas gethan, würde wieder ver¬
loren gehn, von den übrigen Folgen zu ſchweigen. Manteuffel
als doppelter Novembermann wäre wie ſchon jetzt inévitable.“

Der Gegenſatz der verſchiedenen Elemente, welche die Ent¬
ſchließungen des Königs zu beſtimmen ſuchten, ſteigerte ſich, der
Angriff der Bethmann-Hollweg'ſchen Fraction auf Manteuffel be¬
lebte ſich während des Krimkrieges. Der Miniſterpräſident hat
ſeine Abneigung gegen den Bruch mit Oeſtreich und gegen eine
Politik, wie ſie nach den böhmiſchen Schlachtfeldern führte, am
nachdrücklichſten in allen für unſre Freundſchaft mit Oeſtreich kri¬
tiſchen Momenten bethätigt. In der Zeit des Fürſten Schwarzen¬
berg, demnächſt des Krimkrieges und der Ausbeutung Preußens
für die öſtreichiſche Orientpolitik erinnerte unſer Verhältniß zu
Oeſtreich an das zwiſchen Leporello und Don Juan. In Frank¬
furt, wo zur Zeit des Krimkriegs die übrigen Bundesſtaaten
außer Oeſtreich verſuchsweiſe verlangten, daß Preußen ſie der öſt¬
reichiſch-weſtmächtlichen Vergewaltigung gegenüber vertrete, konnte
ich als Träger der preußiſchen Politik mich einer Beſchämung und
Erbitterung nicht erwehren, wenn ich ſah, wie wir gegenüber den
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[96/0123] Fünftes Kapitel: Wochenblattspartei. Krimkrieg. und deſſen Freunde am Hofe) u. ſ. w. ein Gegengewicht zu haben, was nun, Gott ſei Dank, durch Goltzens Trotz vereitelt iſt. — Ich denke mir, daß ein Plan im Werke iſt — ob in allen zum Mit¬ handeln beſtimmten Perſonen bewußt oder unbewußt, halb oder ganz, laſſe ich dahingeſtellt ſein — ein Miniſterium unter den Auſpicien des Prinzen von Preußen zu formiren, in dem — nach Entfernung von Raumer, Weſtphalen, Bodelſchwingh — Manteuffel als Präſes, Ladenberg als Cultus, Goltz als Auswärtiger functioniren ſoll und welches ſich die Kammermajorität verſchafft, was ich nicht für ſehr ſchwierig halte. Damit ſitzt der arme König zwiſchen der Kammermajorität und ſeinem Nachfolger und kann ſich nicht rühren. Alles was Weſtphalen und Raumer zu Stande gebracht, und ſie ſind die einzigen Menſchen, die etwas gethan, würde wieder ver¬ loren gehn, von den übrigen Folgen zu ſchweigen. Manteuffel als doppelter Novembermann wäre wie ſchon jetzt inévitable.“ Der Gegenſatz der verſchiedenen Elemente, welche die Ent¬ ſchließungen des Königs zu beſtimmen ſuchten, ſteigerte ſich, der Angriff der Bethmann-Hollweg'ſchen Fraction auf Manteuffel be¬ lebte ſich während des Krimkrieges. Der Miniſterpräſident hat ſeine Abneigung gegen den Bruch mit Oeſtreich und gegen eine Politik, wie ſie nach den böhmiſchen Schlachtfeldern führte, am nachdrücklichſten in allen für unſre Freundſchaft mit Oeſtreich kri¬ tiſchen Momenten bethätigt. In der Zeit des Fürſten Schwarzen¬ berg, demnächſt des Krimkrieges und der Ausbeutung Preußens für die öſtreichiſche Orientpolitik erinnerte unſer Verhältniß zu Oeſtreich an das zwiſchen Leporello und Don Juan. In Frank¬ furt, wo zur Zeit des Krimkriegs die übrigen Bundesſtaaten außer Oeſtreich verſuchsweiſe verlangten, daß Preußen ſie der öſt¬ reichiſch-weſtmächtlichen Vergewaltigung gegenüber vertrete, konnte ich als Träger der preußiſchen Politik mich einer Beſchämung und Erbitterung nicht erwehren, wenn ich ſah, wie wir gegenüber den nicht einmal in höflichen Formen vorgebrachten Zumuthungen Oeſt¬ reichs jede eigne Politik und jede ſelbſtändige Anſicht opferten, von

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/123>, abgerufen am 27.11.2024.