Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünftes Kapitel: Wochenblattspartei. Krimkrieg.
geltend machten. Ich habe zu seiner Ernennung nach Petersburg,
später nach Paris mitgewirkt und Harry von Arnim aus der un¬
wichtigen Stellung, in welcher ich ihn fand, schnell und nicht ohne
Widerspruch in dem Cabinete befördert, aber an diesen beiden
befähigtsten unter meinen diplomatischen Mitarbeitern dasselbe erlebt,
wie Yglano an Anselmo in dem Chamissoschen Gedichte1).

Auch Rudolf von Auerswald hatte sich der Fraction zurück¬
haltend angeschlossen, kam aber im Juni 1854 zu mir nach Frank¬
furt, um mir zu sagen, daß er seinen Feldzug der letzten Jahre
für verloren halte, sich herauszuziehn wünsche und, wenn er den
Gesandten-Posten in Brasilien erhielte, versprechen wolle, sich um
innere Politik nicht mehr zu kümmern2). Obwohl ich Manteuffel
empfahl, in seinem Interesse darauf einzugehn und einen so feinen
Kopf, erfahrnen und achtbaren Mann und Freund des Prinzen
von Preußen auf diese ehrliche Weise zu neutralisiren, so war sein
und des Generals von Gerlach Mißtrauen oder Abneigung gegen
Auerswald doch so stark, daß der Minister seine Ernennung ab¬
lehnte. Manteuffel und Gerlach waren überhaupt, obschon nicht
untereinander, doch gegen die Partei Bethmann-Hollweg einig.
Auerswald blieb im Lande und einer der Hauptträger der Be¬
ziehungen zwischen diesen anti-Manteuffel'schen Elementen und dem
Prinzen.

Graf Robert Goltz, mit dem ich aus der Jugend her befreundet
war, versuchte in Frankfurt auch mich für die Fraction zu gewinnen.
Ich lehnte den Beitritt, soweit Mitwirkung zum Sturze Manteuffel's
von mir gefordert würde, mit der Motivirung ab, daß ich, wie
damals der Fall war, mit vollem Vertrauen Manteuffel's den Posten
in Frankfurt angetreten hätte und es nicht für ehrlich halten würde,
meine Stellung zum Könige zum Sturze Manteuffel's zu benutzen,
solange Letztrer mich nicht in die Nothwendigkeit versetzte, mit ihm

1) Vetter Anselmo.
2) S. Brief an Leopold v. Gerlach vom 6. Juni 1854, Ausgabe von
H. Kohl, S. 156.

Fünftes Kapitel: Wochenblattspartei. Krimkrieg.
geltend machten. Ich habe zu ſeiner Ernennung nach Petersburg,
ſpäter nach Paris mitgewirkt und Harry von Arnim aus der un¬
wichtigen Stellung, in welcher ich ihn fand, ſchnell und nicht ohne
Widerſpruch in dem Cabinete befördert, aber an dieſen beiden
befähigtſten unter meinen diplomatiſchen Mitarbeitern daſſelbe erlebt,
wie Yglano an Anſelmo in dem Chamiſſoſchen Gedichte1).

Auch Rudolf von Auerswald hatte ſich der Fraction zurück¬
haltend angeſchloſſen, kam aber im Juni 1854 zu mir nach Frank¬
furt, um mir zu ſagen, daß er ſeinen Feldzug der letzten Jahre
für verloren halte, ſich herauszuziehn wünſche und, wenn er den
Geſandten-Poſten in Braſilien erhielte, verſprechen wolle, ſich um
innere Politik nicht mehr zu kümmern2). Obwohl ich Manteuffel
empfahl, in ſeinem Intereſſe darauf einzugehn und einen ſo feinen
Kopf, erfahrnen und achtbaren Mann und Freund des Prinzen
von Preußen auf dieſe ehrliche Weiſe zu neutraliſiren, ſo war ſein
und des Generals von Gerlach Mißtrauen oder Abneigung gegen
Auerswald doch ſo ſtark, daß der Miniſter ſeine Ernennung ab¬
lehnte. Manteuffel und Gerlach waren überhaupt, obſchon nicht
untereinander, doch gegen die Partei Bethmann-Hollweg einig.
Auerswald blieb im Lande und einer der Hauptträger der Be¬
ziehungen zwiſchen dieſen anti-Manteuffel'ſchen Elementen und dem
Prinzen.

Graf Robert Goltz, mit dem ich aus der Jugend her befreundet
war, verſuchte in Frankfurt auch mich für die Fraction zu gewinnen.
Ich lehnte den Beitritt, ſoweit Mitwirkung zum Sturze Manteuffel's
von mir gefordert würde, mit der Motivirung ab, daß ich, wie
damals der Fall war, mit vollem Vertrauen Manteuffel's den Poſten
in Frankfurt angetreten hätte und es nicht für ehrlich halten würde,
meine Stellung zum Könige zum Sturze Manteuffel's zu benutzen,
ſolange Letztrer mich nicht in die Nothwendigkeit verſetzte, mit ihm

1) Vetter Anſelmo.
2) S. Brief an Leopold v. Gerlach vom 6. Juni 1854, Ausgabe von
H. Kohl, S. 156.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0121" n="94"/><fw place="top" type="header">Fünftes Kapitel: Wochenblattspartei. Krimkrieg.<lb/></fw> geltend machten. Ich habe zu &#x017F;einer Ernennung nach Petersburg,<lb/>
&#x017F;päter nach Paris mitgewirkt und Harry von Arnim aus der un¬<lb/>
wichtigen Stellung, in welcher ich ihn fand, &#x017F;chnell und nicht ohne<lb/>
Wider&#x017F;pruch in dem Cabinete befördert, aber an die&#x017F;en beiden<lb/>
befähigt&#x017F;ten unter meinen diplomati&#x017F;chen Mitarbeitern da&#x017F;&#x017F;elbe erlebt,<lb/>
wie Yglano an An&#x017F;elmo in dem Chami&#x017F;&#x017F;o&#x017F;chen Gedichte<note place="foot" n="1)"><lb/>
Vetter An&#x017F;elmo.</note>.</p><lb/>
          <p>Auch Rudolf von Auerswald hatte &#x017F;ich der Fraction zurück¬<lb/>
haltend ange&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, kam aber im Juni 1854 zu mir nach Frank¬<lb/>
furt, um mir zu &#x017F;agen, daß er &#x017F;einen Feldzug der letzten Jahre<lb/>
für verloren halte, &#x017F;ich herauszuziehn wün&#x017F;che und, wenn er den<lb/>
Ge&#x017F;andten-Po&#x017F;ten in Bra&#x017F;ilien erhielte, ver&#x017F;prechen wolle, &#x017F;ich um<lb/>
innere Politik nicht mehr zu kümmern<note place="foot" n="2)"><lb/>
S. Brief an Leopold v. Gerlach vom 6. Juni 1854, Ausgabe von<lb/>
H. <hi rendition="#g">Kohl</hi>, S. 156.</note>. Obwohl ich Manteuffel<lb/>
empfahl, in &#x017F;einem Intere&#x017F;&#x017F;e darauf einzugehn und einen &#x017F;o feinen<lb/>
Kopf, erfahrnen und achtbaren Mann und Freund des Prinzen<lb/>
von Preußen auf die&#x017F;e ehrliche Wei&#x017F;e zu neutrali&#x017F;iren, &#x017F;o war &#x017F;ein<lb/>
und des Generals von Gerlach Mißtrauen oder Abneigung gegen<lb/>
Auerswald doch &#x017F;o &#x017F;tark, daß der Mini&#x017F;ter &#x017F;eine Ernennung ab¬<lb/>
lehnte. Manteuffel und Gerlach waren überhaupt, ob&#x017F;chon nicht<lb/>
untereinander, doch gegen die Partei Bethmann-Hollweg einig.<lb/>
Auerswald blieb im Lande und einer der Hauptträger der Be¬<lb/>
ziehungen zwi&#x017F;chen die&#x017F;en anti-Manteuffel'&#x017F;chen Elementen und dem<lb/>
Prinzen.</p><lb/>
          <p>Graf Robert Goltz, mit dem ich aus der Jugend her befreundet<lb/>
war, ver&#x017F;uchte in Frankfurt auch mich für die Fraction zu gewinnen.<lb/>
Ich lehnte den Beitritt, &#x017F;oweit Mitwirkung zum Sturze Manteuffel's<lb/>
von mir gefordert würde, mit der Motivirung ab, daß ich, wie<lb/>
damals der Fall war, mit vollem Vertrauen Manteuffel's den Po&#x017F;ten<lb/>
in Frankfurt angetreten hätte und es nicht für ehrlich halten würde,<lb/>
meine Stellung zum Könige zum Sturze Manteuffel's zu benutzen,<lb/>
&#x017F;olange Letztrer mich nicht in die Nothwendigkeit ver&#x017F;etzte, mit ihm<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0121] Fünftes Kapitel: Wochenblattspartei. Krimkrieg. geltend machten. Ich habe zu ſeiner Ernennung nach Petersburg, ſpäter nach Paris mitgewirkt und Harry von Arnim aus der un¬ wichtigen Stellung, in welcher ich ihn fand, ſchnell und nicht ohne Widerſpruch in dem Cabinete befördert, aber an dieſen beiden befähigtſten unter meinen diplomatiſchen Mitarbeitern daſſelbe erlebt, wie Yglano an Anſelmo in dem Chamiſſoſchen Gedichte 1). Auch Rudolf von Auerswald hatte ſich der Fraction zurück¬ haltend angeſchloſſen, kam aber im Juni 1854 zu mir nach Frank¬ furt, um mir zu ſagen, daß er ſeinen Feldzug der letzten Jahre für verloren halte, ſich herauszuziehn wünſche und, wenn er den Geſandten-Poſten in Braſilien erhielte, verſprechen wolle, ſich um innere Politik nicht mehr zu kümmern 2). Obwohl ich Manteuffel empfahl, in ſeinem Intereſſe darauf einzugehn und einen ſo feinen Kopf, erfahrnen und achtbaren Mann und Freund des Prinzen von Preußen auf dieſe ehrliche Weiſe zu neutraliſiren, ſo war ſein und des Generals von Gerlach Mißtrauen oder Abneigung gegen Auerswald doch ſo ſtark, daß der Miniſter ſeine Ernennung ab¬ lehnte. Manteuffel und Gerlach waren überhaupt, obſchon nicht untereinander, doch gegen die Partei Bethmann-Hollweg einig. Auerswald blieb im Lande und einer der Hauptträger der Be¬ ziehungen zwiſchen dieſen anti-Manteuffel'ſchen Elementen und dem Prinzen. Graf Robert Goltz, mit dem ich aus der Jugend her befreundet war, verſuchte in Frankfurt auch mich für die Fraction zu gewinnen. Ich lehnte den Beitritt, ſoweit Mitwirkung zum Sturze Manteuffel's von mir gefordert würde, mit der Motivirung ab, daß ich, wie damals der Fall war, mit vollem Vertrauen Manteuffel's den Poſten in Frankfurt angetreten hätte und es nicht für ehrlich halten würde, meine Stellung zum Könige zum Sturze Manteuffel's zu benutzen, ſolange Letztrer mich nicht in die Nothwendigkeit verſetzte, mit ihm 1) Vetter Anſelmo. 2) S. Brief an Leopold v. Gerlach vom 6. Juni 1854, Ausgabe von H. Kohl, S. 156.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/121
Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/121>, abgerufen am 23.11.2024.