Fraction Bethmann-Hollweg und der Prinz v. Preußen. R. Goltz.
wenn er ihrer bei Hofe bedurfte. Daß die Erinnerung an Olmütz das Mittel war, den Prinzen zum Bundesgenossen für den Kampf gegen Manteuffel zu gewinnen, das konnte Niemand besser wissen als er, und diesen Stachel für die Empfindung des Prinzen in Wirksamkeit zu erhalten, hatte er auf Reisen und zu Hause stets gute Gelegenheit.
Die später nach Bethmann-Hollweg benannte Partei, richtiger Coterie, stützte sich ursprünglich auf den Grafen Robert von der Goltz, einen Mann von ungewöhnlicher Befähigung und Thätigkeit. Herr von Manteuffel hatte das Ungeschick gehabt, diese strebsame Capacität schlecht zu behandeln; der dadurch stellungslos gewordene Graf wurde der Impresario für die Truppe, welche zuerst als höfische Fraction und später als Ministerium des Regenten auf der Bühne erschien. Sie begann in der Presse, besonders durch das von ihr gegründete "Preußische Wochenblatt", und durch persönliche Wer¬ bungen in politischen und Hofkreisen sich Geltung zu schaffen. Die "Finanzirung", wie die Börse sich ausdrückt, wurde durch die großen Vermögen Bethmann-Hollweg's und der Grafen Fürstenberg-Stamm¬ heim und Albert Pourtales, und die politische Aufgabe, als deren Ziel zunächst der Sturz Manteuffel's gestellt war, von den geschickten Händen der Grafen Goltz und Pourtales besorgt. Beide schrieben ein elegantes Französisch in geschickter Diction, während Herr von Manteuffel in der Herstellung diplomatischer Aktenstücke haupt¬ sächlich auf die hausbackne Tradition seiner Beamten von der französischen Kolonie in Berlin angewiesen war. Auch Graf Pourtales war von dem Ministerpräsidenten im Dienste verstimmt und von dem Könige als Rival Manteuffel's ermuthigt worden.
Goltz wollte ohne Zweifel, wenn nicht der unmittelbare Nach¬ folger Manteuffel's, doch früher oder später Minister werden. Er hatte auch das Zeug dazu, viel mehr als Harry von Arnim, weil er weniger Eitelkeit und mehr Patriotismus und Charakter besaß; freilich auch mehr Zorn und Galle, die sich vermöge der ihm inne¬ wohnenden Energie als Subtrahenda von seiner praktischen Leistung
Fraction Bethmann-Hollweg und der Prinz v. Preußen. R. Goltz.
wenn er ihrer bei Hofe bedurfte. Daß die Erinnerung an Olmütz das Mittel war, den Prinzen zum Bundesgenoſſen für den Kampf gegen Manteuffel zu gewinnen, das konnte Niemand beſſer wiſſen als er, und dieſen Stachel für die Empfindung des Prinzen in Wirkſamkeit zu erhalten, hatte er auf Reiſen und zu Hauſe ſtets gute Gelegenheit.
Die ſpäter nach Bethmann-Hollweg benannte Partei, richtiger Coterie, ſtützte ſich urſprünglich auf den Grafen Robert von der Goltz, einen Mann von ungewöhnlicher Befähigung und Thätigkeit. Herr von Manteuffel hatte das Ungeſchick gehabt, dieſe ſtrebſame Capacität ſchlecht zu behandeln; der dadurch ſtellungslos gewordene Graf wurde der Impreſario für die Truppe, welche zuerſt als höfiſche Fraction und ſpäter als Miniſterium des Regenten auf der Bühne erſchien. Sie begann in der Preſſe, beſonders durch das von ihr gegründete „Preußiſche Wochenblatt“, und durch perſönliche Wer¬ bungen in politiſchen und Hofkreiſen ſich Geltung zu ſchaffen. Die „Finanzirung“, wie die Börſe ſich ausdrückt, wurde durch die großen Vermögen Bethmann-Hollweg's und der Grafen Fürſtenberg-Stamm¬ heim und Albert Pourtalès, und die politiſche Aufgabe, als deren Ziel zunächſt der Sturz Manteuffel's geſtellt war, von den geſchickten Händen der Grafen Goltz und Pourtalès beſorgt. Beide ſchrieben ein elegantes Franzöſiſch in geſchickter Diction, während Herr von Manteuffel in der Herſtellung diplomatiſcher Aktenſtücke haupt¬ ſächlich auf die hausbackne Tradition ſeiner Beamten von der franzöſiſchen Kolonie in Berlin angewieſen war. Auch Graf Pourtalès war von dem Miniſterpräſidenten im Dienſte verſtimmt und von dem Könige als Rival Manteuffel's ermuthigt worden.
Goltz wollte ohne Zweifel, wenn nicht der unmittelbare Nach¬ folger Manteuffel's, doch früher oder ſpäter Miniſter werden. Er hatte auch das Zeug dazu, viel mehr als Harry von Arnim, weil er weniger Eitelkeit und mehr Patriotismus und Charakter beſaß; freilich auch mehr Zorn und Galle, die ſich vermöge der ihm inne¬ wohnenden Energie als Subtrahenda von ſeiner praktiſchen Leiſtung
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Fraction Bethmann-Hollweg und der Prinz v. Preußen. R. Goltz.
wenn er ihrer bei Hofe bedurfte. Daß die Erinnerung an
Olmütz das Mittel war, den Prinzen zum Bundesgenoſſen für den
Kampf gegen Manteuffel zu gewinnen, das konnte Niemand beſſer
wiſſen als er, und dieſen Stachel für die Empfindung des
Prinzen in Wirkſamkeit zu erhalten, hatte er auf Reiſen und zu
Hauſe ſtets gute Gelegenheit.
Die ſpäter nach Bethmann-Hollweg benannte Partei, richtiger
Coterie, ſtützte ſich urſprünglich auf den Grafen Robert von der Goltz,
einen Mann von ungewöhnlicher Befähigung und Thätigkeit. Herr
von Manteuffel hatte das Ungeſchick gehabt, dieſe ſtrebſame Capacität
ſchlecht zu behandeln; der dadurch ſtellungslos gewordene Graf
wurde der Impreſario für die Truppe, welche zuerſt als höfiſche
Fraction und ſpäter als Miniſterium des Regenten auf der Bühne
erſchien. Sie begann in der Preſſe, beſonders durch das von ihr
gegründete „Preußiſche Wochenblatt“, und durch perſönliche Wer¬
bungen in politiſchen und Hofkreiſen ſich Geltung zu ſchaffen. Die
„Finanzirung“, wie die Börſe ſich ausdrückt, wurde durch die großen
Vermögen Bethmann-Hollweg's und der Grafen Fürſtenberg-Stamm¬
heim und Albert Pourtalès, und die politiſche Aufgabe, als deren
Ziel zunächſt der Sturz Manteuffel's geſtellt war, von den geſchickten
Händen der Grafen Goltz und Pourtalès beſorgt. Beide ſchrieben
ein elegantes Franzöſiſch in geſchickter Diction, während Herr
von Manteuffel in der Herſtellung diplomatiſcher Aktenſtücke haupt¬
ſächlich auf die hausbackne Tradition ſeiner Beamten von der
franzöſiſchen Kolonie in Berlin angewieſen war. Auch Graf
Pourtalès war von dem Miniſterpräſidenten im Dienſte verſtimmt
und von dem Könige als Rival Manteuffel's ermuthigt worden.
Goltz wollte ohne Zweifel, wenn nicht der unmittelbare Nach¬
folger Manteuffel's, doch früher oder ſpäter Miniſter werden. Er
hatte auch das Zeug dazu, viel mehr als Harry von Arnim, weil
er weniger Eitelkeit und mehr Patriotismus und Charakter beſaß;
freilich auch mehr Zorn und Galle, die ſich vermöge der ihm inne¬
wohnenden Energie als Subtrahenda von ſeiner praktiſchen Leiſtung
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/120>, abgerufen am 17.02.2025.
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