Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Viertes Kapitel: Diplomat. von Gleichartigkeit des Verbrauchs; schon die Unterschiede derInteressen innerhalb des deutschen Zollvereins zwischen Nord und Süd, Ost und West sind schwer und nur mit dem guten Willen zu überwinden, der der nationalen Zusammengehörigkeit entspringt; zwischen Ungarn und Galizien einerseits und dem Zollverein andrer¬ seits ist die Verschiedenheit des Verbrauchs zollpflichtiger Waaren zu stark, um eine Zollgemeinschaft durchführbar erscheinen zu lassen. Der Vertheilungsmaßstab für die Zollverträge würde stets für Deutschland nachtheilig bleiben, auch wenn die Ziffern es für Oestreich zu sein schienen. Letztres lebt in Cis- und mehr noch in Trans-Leithanien vorwiegend von eignen, nicht von importirten Erzeugnissen. Außerdem hatte ich damals allgemein und habe ich auch heut noch sporadisch nicht das nöthige Vertrauen zu undeut¬ schen Unterbeamten im Osten. Unser einziger Legationssekretär in Wien empfing mich mit In vertraulichem Gespräch fragte er mich gelegentlich, ob auch Viertes Kapitel: Diplomat. von Gleichartigkeit des Verbrauchs; ſchon die Unterſchiede derIntereſſen innerhalb des deutſchen Zollvereins zwiſchen Nord und Süd, Oſt und Weſt ſind ſchwer und nur mit dem guten Willen zu überwinden, der der nationalen Zuſammengehörigkeit entſpringt; zwiſchen Ungarn und Galizien einerſeits und dem Zollverein andrer¬ ſeits iſt die Verſchiedenheit des Verbrauchs zollpflichtiger Waaren zu ſtark, um eine Zollgemeinſchaft durchführbar erſcheinen zu laſſen. Der Vertheilungsmaßſtab für die Zollverträge würde ſtets für Deutſchland nachtheilig bleiben, auch wenn die Ziffern es für Oeſtreich zu ſein ſchienen. Letztres lebt in Cis- und mehr noch in Trans-Leithanien vorwiegend von eignen, nicht von importirten Erzeugniſſen. Außerdem hatte ich damals allgemein und habe ich auch heut noch ſporadiſch nicht das nöthige Vertrauen zu undeut¬ ſchen Unterbeamten im Oſten. Unſer einziger Legationsſekretär in Wien empfing mich mit In vertraulichem Geſpräch fragte er mich gelegentlich, ob auch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0113" n="86"/><fw place="top" type="header">Viertes Kapitel: Diplomat.<lb/></fw>von Gleichartigkeit des Verbrauchs; ſchon die Unterſchiede der<lb/> Intereſſen innerhalb des deutſchen Zollvereins zwiſchen Nord und<lb/> Süd, Oſt und Weſt ſind ſchwer und nur mit dem guten Willen<lb/> zu überwinden, der der nationalen Zuſammengehörigkeit entſpringt;<lb/> zwiſchen Ungarn und Galizien einerſeits und dem Zollverein andrer¬<lb/> ſeits iſt die Verſchiedenheit des Verbrauchs zollpflichtiger Waaren<lb/> zu ſtark, um eine Zollgemeinſchaft durchführbar erſcheinen zu laſſen.<lb/> Der Vertheilungsmaßſtab für die Zollverträge würde ſtets für<lb/> Deutſchland nachtheilig bleiben, auch wenn die Ziffern es für<lb/> Oeſtreich zu ſein ſchienen. Letztres lebt in Cis- und mehr noch<lb/> in Trans-Leithanien vorwiegend von eignen, nicht von importirten<lb/> Erzeugniſſen. Außerdem hatte ich damals allgemein und habe ich<lb/> auch heut noch ſporadiſch nicht das nöthige Vertrauen zu undeut¬<lb/> ſchen Unterbeamten im Oſten.</p><lb/> <p>Unſer einziger Legationsſekretär in Wien empfing mich mit<lb/> Verſtimmung darüber, daß er nicht Geſchäftsträger wurde, und<lb/> ſuchte in Berlin Urlaub nach. Derſelbe wurde von dem Miniſter<lb/> verweigert, von mir aber demnächſt bewilligt. So kam es, daß<lb/> ich mich auf den mir von früher her befreundeten hanöverſchen<lb/> Geſandten Graf Adolf Platen behufs der Vorſtellung bei den<lb/> Miniſtern und der Einführung in die diplomatiſche Geſellſchaft an¬<lb/> gewieſen fand.</p><lb/> <p>In vertraulichem Geſpräch fragte er mich gelegentlich, ob auch<lb/> ich glaubte, daß ich zu Manteuffel's Nachfolger beſtimmt ſei.<lb/> Ich erwiderte, das läge einſtweilen nicht in meinen Wünſchen.<lb/> Ich glaubte allerdings, daß der König mich in ſpätrer Zeit ein¬<lb/> mal zu ſeinem Miniſter zu machen gedenke und mich dazu er¬<lb/> ziehn wolle, in dieſer Abſicht auch mir die <hi rendition="#aq">mission extra¬<lb/> ordinaire</hi> nach Oeſtreich übertragen habe. Mein Wunſch aber<lb/> wäre, noch etwa zehn Jahre lang in Frankfurt oder an verſchiednen<lb/> Höfen als Geſandter die Welt zu ſehn und dann gern etwa zehn<lb/> Jahre lang, womöglich mit Ruhm, Miniſter zu ſein, dann auf<lb/> dem Lande über das Erlebte nachzudenken und wie mein alter Onkel<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [86/0113]
Viertes Kapitel: Diplomat.
von Gleichartigkeit des Verbrauchs; ſchon die Unterſchiede der
Intereſſen innerhalb des deutſchen Zollvereins zwiſchen Nord und
Süd, Oſt und Weſt ſind ſchwer und nur mit dem guten Willen
zu überwinden, der der nationalen Zuſammengehörigkeit entſpringt;
zwiſchen Ungarn und Galizien einerſeits und dem Zollverein andrer¬
ſeits iſt die Verſchiedenheit des Verbrauchs zollpflichtiger Waaren
zu ſtark, um eine Zollgemeinſchaft durchführbar erſcheinen zu laſſen.
Der Vertheilungsmaßſtab für die Zollverträge würde ſtets für
Deutſchland nachtheilig bleiben, auch wenn die Ziffern es für
Oeſtreich zu ſein ſchienen. Letztres lebt in Cis- und mehr noch
in Trans-Leithanien vorwiegend von eignen, nicht von importirten
Erzeugniſſen. Außerdem hatte ich damals allgemein und habe ich
auch heut noch ſporadiſch nicht das nöthige Vertrauen zu undeut¬
ſchen Unterbeamten im Oſten.
Unſer einziger Legationsſekretär in Wien empfing mich mit
Verſtimmung darüber, daß er nicht Geſchäftsträger wurde, und
ſuchte in Berlin Urlaub nach. Derſelbe wurde von dem Miniſter
verweigert, von mir aber demnächſt bewilligt. So kam es, daß
ich mich auf den mir von früher her befreundeten hanöverſchen
Geſandten Graf Adolf Platen behufs der Vorſtellung bei den
Miniſtern und der Einführung in die diplomatiſche Geſellſchaft an¬
gewieſen fand.
In vertraulichem Geſpräch fragte er mich gelegentlich, ob auch
ich glaubte, daß ich zu Manteuffel's Nachfolger beſtimmt ſei.
Ich erwiderte, das läge einſtweilen nicht in meinen Wünſchen.
Ich glaubte allerdings, daß der König mich in ſpätrer Zeit ein¬
mal zu ſeinem Miniſter zu machen gedenke und mich dazu er¬
ziehn wolle, in dieſer Abſicht auch mir die mission extra¬
ordinaire nach Oeſtreich übertragen habe. Mein Wunſch aber
wäre, noch etwa zehn Jahre lang in Frankfurt oder an verſchiednen
Höfen als Geſandter die Welt zu ſehn und dann gern etwa zehn
Jahre lang, womöglich mit Ruhm, Miniſter zu ſein, dann auf
dem Lande über das Erlebte nachzudenken und wie mein alter Onkel
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