"Eure Kaiserliche Majestät wollen es mir gütig gestatten, daß ich den Ueberbringer dieses Blattes mit einigen eigenhändigen Schriftzügen an Ihrem Hoflager introduzire. Es ist der Herr von Bismarck-Schönhausen. Er gehört einem Rittergeschlecht an, welches länger als mein Haus in unsern Marken seßhaft, von jeher und besonders in ihm seine alten Tugenden bewährt hat. Die Erhal¬ tung und Stärkung der erfreulichen Zustände unsres platten Landes verdanken wir mit seinem furchtlosen und energischen Mühen in den bösen Tagen der jüngst verflossenen Jahre. Ew. Majestät wissen, daß Herr von Bismarck die Stellung meines Bundesgesandten be¬ kleidet. Da jetzt der Gesundheitszustand meines Gesandten an Ew. Majestät kaiserlichem Hofe, des Grafen von Arnim, dessen zeit¬ weilige Abwesenheit nöthig gemacht hat, das Verhältniß unsrer Höfe aber eine subalterne Vertretung nicht zuläßt (meiner Auf¬ fassung zufolge), so habe ich Herrn von Bismarck ausersehen, die Vices für Graf Arnim während dessen Abwesenheit zu versehen. Es ist mir ein befriedigender Gedanke, daß Ew. Majestät einen Mann kennen lernen, der bei uns im Lande wegen seines ritterlich-freien Gehorsams und seiner Unversöhnlichkeit gegen die Revolution bis in ihre Wurzeln hinein von Vielen verehrt, von Manchen gehaßt wird. Er ist mein Freund und treuer Diener und kommt mit dem frischen lebendigen sympathischen Eindruck meiner Grundsätze, meiner Handlungsweise, meines Willens und ich setze hinzu meiner Liebe zu Oestreich und zu Ew. Majestät nach Wien. Er kann, wenn es der Mühe werth gefunden wird, Ew. Majestät und Ihren höchsten Räthen über viele Gegenstände Rede und Antwort geben, wie es wohl Wenige im Stande sind; denn wenn nicht unerhörte, langvorbereitete Mißverständnisse zu tief eingewurzelt sind, was Gott in Gnaden verhüte, kann die kurze Zeit seiner Amtsführung in Wien wahrhaft segensreich werden. Herr von Bismarck kommt aus Frankfurt, wo das, was die rheinbundschwangeren Mittel¬ staaten mit Entzücken die Differenzen Oestreichs und Preußens nennen, jederzeit seinen stärksten Wiederhall und oft seine Quelle
Viertes Kapitel: Diplomat.
„Eure Kaiſerliche Majeſtät wollen es mir gütig geſtatten, daß ich den Ueberbringer dieſes Blattes mit einigen eigenhändigen Schriftzügen an Ihrem Hoflager introduzire. Es iſt der Herr von Bismarck-Schönhauſen. Er gehört einem Rittergeſchlecht an, welches länger als mein Haus in unſern Marken ſeßhaft, von jeher und beſonders in ihm ſeine alten Tugenden bewährt hat. Die Erhal¬ tung und Stärkung der erfreulichen Zuſtände unſres platten Landes verdanken wir mit ſeinem furchtloſen und energiſchen Mühen in den böſen Tagen der jüngſt verfloſſenen Jahre. Ew. Majeſtät wiſſen, daß Herr von Bismarck die Stellung meines Bundesgeſandten be¬ kleidet. Da jetzt der Geſundheitszuſtand meines Geſandten an Ew. Majeſtät kaiſerlichem Hofe, des Grafen von Arnim, deſſen zeit¬ weilige Abweſenheit nöthig gemacht hat, das Verhältniß unſrer Höfe aber eine ſubalterne Vertretung nicht zuläßt (meiner Auf¬ faſſung zufolge), ſo habe ich Herrn von Bismarck auserſehen, die Vices für Graf Arnim während deſſen Abweſenheit zu verſehen. Es iſt mir ein befriedigender Gedanke, daß Ew. Majeſtät einen Mann kennen lernen, der bei uns im Lande wegen ſeines ritterlich-freien Gehorſams und ſeiner Unverſöhnlichkeit gegen die Revolution bis in ihre Wurzeln hinein von Vielen verehrt, von Manchen gehaßt wird. Er iſt mein Freund und treuer Diener und kommt mit dem friſchen lebendigen ſympathiſchen Eindruck meiner Grundſätze, meiner Handlungsweiſe, meines Willens und ich ſetze hinzu meiner Liebe zu Oeſtreich und zu Ew. Majeſtät nach Wien. Er kann, wenn es der Mühe werth gefunden wird, Ew. Majeſtät und Ihren höchſten Räthen über viele Gegenſtände Rede und Antwort geben, wie es wohl Wenige im Stande ſind; denn wenn nicht unerhörte, langvorbereitete Mißverſtändniſſe zu tief eingewurzelt ſind, was Gott in Gnaden verhüte, kann die kurze Zeit ſeiner Amtsführung in Wien wahrhaft ſegensreich werden. Herr von Bismarck kommt aus Frankfurt, wo das, was die rheinbundſchwangeren Mittel¬ ſtaaten mit Entzücken die Differenzen Oeſtreichs und Preußens nennen, jederzeit ſeinen ſtärkſten Wiederhall und oft ſeine Quelle
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Viertes Kapitel: Diplomat.
„Eure Kaiſerliche Majeſtät wollen es mir gütig geſtatten,
daß ich den Ueberbringer dieſes Blattes mit einigen eigenhändigen
Schriftzügen an Ihrem Hoflager introduzire. Es iſt der Herr von
Bismarck-Schönhauſen. Er gehört einem Rittergeſchlecht an, welches
länger als mein Haus in unſern Marken ſeßhaft, von jeher und
beſonders in ihm ſeine alten Tugenden bewährt hat. Die Erhal¬
tung und Stärkung der erfreulichen Zuſtände unſres platten Landes
verdanken wir mit ſeinem furchtloſen und energiſchen Mühen in
den böſen Tagen der jüngſt verfloſſenen Jahre. Ew. Majeſtät wiſſen,
daß Herr von Bismarck die Stellung meines Bundesgeſandten be¬
kleidet. Da jetzt der Geſundheitszuſtand meines Geſandten an
Ew. Majeſtät kaiſerlichem Hofe, des Grafen von Arnim, deſſen zeit¬
weilige Abweſenheit nöthig gemacht hat, das Verhältniß unſrer
Höfe aber eine ſubalterne Vertretung nicht zuläßt (meiner Auf¬
faſſung zufolge), ſo habe ich Herrn von Bismarck auserſehen, die
Vices für Graf Arnim während deſſen Abweſenheit zu verſehen. Es
iſt mir ein befriedigender Gedanke, daß Ew. Majeſtät einen Mann
kennen lernen, der bei uns im Lande wegen ſeines ritterlich-freien
Gehorſams und ſeiner Unverſöhnlichkeit gegen die Revolution bis
in ihre Wurzeln hinein von Vielen verehrt, von Manchen gehaßt
wird. Er iſt mein Freund und treuer Diener und kommt mit
dem friſchen lebendigen ſympathiſchen Eindruck meiner Grundſätze,
meiner Handlungsweiſe, meines Willens und ich ſetze hinzu meiner
Liebe zu Oeſtreich und zu Ew. Majeſtät nach Wien. Er kann,
wenn es der Mühe werth gefunden wird, Ew. Majeſtät und Ihren
höchſten Räthen über viele Gegenſtände Rede und Antwort geben,
wie es wohl Wenige im Stande ſind; denn wenn nicht unerhörte,
langvorbereitete Mißverſtändniſſe zu tief eingewurzelt ſind, was
Gott in Gnaden verhüte, kann die kurze Zeit ſeiner Amtsführung
in Wien wahrhaft ſegensreich werden. Herr von Bismarck kommt
aus Frankfurt, wo das, was die rheinbundſchwangeren Mittel¬
ſtaaten mit Entzücken die Differenzen Oeſtreichs und Preußens
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/111>, abgerufen am 23.11.2024.
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