Birken, Sigmund von: Pegnesische Gesprächspiel-Gesellschaft von Nymfen und Hirten. Nürnberg, 1665.Die Lebendig-Todten würde lügen/ wann ich es leugnete. Esist aber nichtes an dir/ (unterredte Do- rilis/) das einem Todten gleich sihet. Wie solte er leben? rieffe Alcidor. Die Seele des Verliebten/ ist ja nicht/ wo sie lebet/ sondern wo sie liebet. (a) Er ist ihm selber gestorben/ und lebet in seiner Mörderinn. Wie kan man einen ermorden/ (fragte Galathee/) den man nit anruhret? Und wie können wir morden/ (thäte Sylvia hinzu/) welches ein Thun ist? indem wir geliebet werden/ welches ein Leiden ist? Zwar das Wort/ Lieben/ (widerredte Floridan/) ist ein Thun: aber das Werk/ ist ein Leiden. (b) Wer liebet/ der leidet; und hingegen die machet leiden/ die da geliebet wird. Weil aber (sagte Dori- lis dargegen/) der Liebhaber freywillig liebet und folgbar leidet/ so kan er ja nie- manden als sich selber anklagen; am al- lerwenigsten die Geliebte/ die ihm/ nicht befihlet/ vielmehr verbietet/ ihre Person zu lie- (a) Anima amantis non est, ubi animat, sed ubi amat. (b) Amare, est Passivum: amari, Activum.
Die Lebendig-Todten wuͤrde luͤgen/ wann ich es leugnete. Esiſt aber nichtes an dir/ (unterredte Do- rilis/) das einem Todten gleich ſihet. Wie ſolte er leben? rieffe Alcidor. Die Seele des Verliebten/ iſt ja nicht/ wo ſie lebet/ ſondern wo ſie liebet. (a) Er iſt ihm ſelber geſtorben/ und lebet in ſeiner Moͤrderinn. Wie kan man einen ermorden/ (fragte Galathee/) den man nit anrůhret? Und wie koͤnnen wir morden/ (thaͤte Sylvia hinzu/) welches ein Thun iſt? indem wir geliebet werden/ welches ein Leiden iſt? Zwar das Wort/ Lieben/ (widerredte Floridan/) iſt ein Thun: aber das Werk/ iſt ein Leiden. (b) Wer liebet/ der leidet; und hingegen die machet leiden/ die da geliebet wird. Weil aber (ſagte Dori- lis dargegen/) der Liebhaber freywillig liebet und folgbar leidet/ ſo kan er ja nie- manden als ſich ſelber anklagen; am al- lerwenigſten die Geliebte/ die ihm/ nicht befihlet/ vielmehr verbietet/ ihre Perſon zu lie- (a) Anima amantis non eſt, ubi animat, ſed ubi amat. (b) Amare, eſt Paſſivum: amari, Activum.
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Die Lebendig-Todten
wuͤrde luͤgen/ wann ich es leugnete. Es
iſt aber nichtes an dir/ (unterredte Do-
rilis/) das einem Todten gleich ſihet. Wie
ſolte er leben? rieffe Alcidor. Die Seele
des Verliebten/ iſt ja nicht/ wo ſie lebet/
ſondern wo ſie liebet. (a) Er iſt ihm ſelber
geſtorben/ und lebet in ſeiner Moͤrderinn.
Wie kan man einen ermorden/ (fragte
Galathee/) den man nit anrůhret? Und
wie koͤnnen wir morden/ (thaͤte Sylvia
hinzu/) welches ein Thun iſt? indem wir
geliebet werden/ welches ein Leiden iſt?
Zwar das Wort/ Lieben/ (widerredte
Floridan/) iſt ein Thun: aber das Werk/
iſt ein Leiden. (b) Wer liebet/ der leidet;
und hingegen die machet leiden/ die da
geliebet wird. Weil aber (ſagte Dori-
lis dargegen/) der Liebhaber freywillig
liebet und folgbar leidet/ ſo kan er ja nie-
manden als ſich ſelber anklagen; am al-
lerwenigſten die Geliebte/ die ihm/ nicht
befihlet/ vielmehr verbietet/ ihre Perſon
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(a) Anima amantis non eſt, ubi animat,
ſed ubi amat.
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Zitationshilfe: | Birken, Sigmund von: Pegnesische Gesprächspiel-Gesellschaft von Nymfen und Hirten. Nürnberg, 1665, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/birken_gespraechspiel_1665/104>, abgerufen am 15.08.2024. |