Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Stilpe.
gewesen war, das schlechthin Große, Fabelhafte.
Den alten Pastor, der ihm den Konfirmanden¬
unterricht erteilte, setzte er in ewige Verlegenheiten.
Was ist Gott? fragte Pastor Schulze.

-- Ein kolossales Wesen.

-- Nicht doch, Stilpe. Wie heißt es im Kate¬
chismus?

Nun, das wußte er wol auch, Aber das ge¬
nügte ihm nicht.

-- Herr Pastor: Ist Gott größer als das
Königreich Sachsen?

-- Gott ist so groß, daß ihn menschliche Worte
nicht ausdrücken können.

-- Herr Pastor: Kennt mich Gott?

-- Freilich, denn er kennt alle Dinge.

-- Wenn ich bete, hört er mich?

-- Freilich, freilich, und er freut sich, wenn
Du betest.

-- Wenn nun aber Rammer auch betet, wem
hört er denn da zu, Rammern oder mir?

-- Dir und Rammern und Millionen anderen!

-- Aber vergißt er denn nicht manchmal was?

-- Nie, Stilpe, er weiß jeden Laut und jeden
Gedanken, selbst das Summen der Biene ver¬
steht er.

Stilpe.
geweſen war, das ſchlechthin Große, Fabelhafte.
Den alten Paſtor, der ihm den Konfirmanden¬
unterricht erteilte, ſetzte er in ewige Verlegenheiten.
Was iſt Gott? fragte Paſtor Schulze.

— Ein koloſſales Weſen.

— Nicht doch, Stilpe. Wie heißt es im Kate¬
chismus?

Nun, das wußte er wol auch, Aber das ge¬
nügte ihm nicht.

— Herr Paſtor: Iſt Gott größer als das
Königreich Sachſen?

— Gott iſt ſo groß, daß ihn menſchliche Worte
nicht ausdrücken können.

— Herr Paſtor: Kennt mich Gott?

— Freilich, denn er kennt alle Dinge.

— Wenn ich bete, hört er mich?

— Freilich, freilich, und er freut ſich, wenn
Du beteſt.

— Wenn nun aber Rammer auch betet, wem
hört er denn da zu, Rammern oder mir?

— Dir und Rammern und Millionen anderen!

— Aber vergißt er denn nicht manchmal was?

— Nie, Stilpe, er weiß jeden Laut und jeden
Gedanken, ſelbſt das Summen der Biene ver¬
ſteht er.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0090" n="76"/><fw place="top" type="header">Stilpe.<lb/></fw> gewe&#x017F;en war, das &#x017F;chlechthin Große, Fabelhafte.<lb/>
Den alten Pa&#x017F;tor, der ihm den Konfirmanden¬<lb/>
unterricht erteilte, &#x017F;etzte er in ewige Verlegenheiten.<lb/>
Was i&#x017F;t Gott? fragte Pa&#x017F;tor Schulze.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Ein kolo&#x017F;&#x017F;ales We&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Nicht doch, Stilpe. Wie heißt es im Kate¬<lb/>
chismus?</p><lb/>
          <p>Nun, das wußte er wol auch, Aber das ge¬<lb/>
nügte ihm nicht.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Herr Pa&#x017F;tor: I&#x017F;t Gott größer als das<lb/>
Königreich Sach&#x017F;en?</p><lb/>
          <p>&#x2014; Gott i&#x017F;t &#x017F;o groß, daß ihn men&#x017F;chliche Worte<lb/>
nicht ausdrücken können.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Herr Pa&#x017F;tor: Kennt mich Gott?</p><lb/>
          <p>&#x2014; Freilich, denn er kennt alle Dinge.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Wenn ich bete, hört er mich?</p><lb/>
          <p>&#x2014; Freilich, freilich, und er freut &#x017F;ich, wenn<lb/>
Du bete&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Wenn nun aber Rammer auch betet, wem<lb/>
hört er denn da zu, Rammern oder mir?</p><lb/>
          <p>&#x2014; Dir <hi rendition="#g">und</hi> Rammern und Millionen anderen!</p><lb/>
          <p>&#x2014; Aber vergißt er denn nicht manchmal was?</p><lb/>
          <p>&#x2014; Nie, Stilpe, er weiß jeden Laut und jeden<lb/>
Gedanken, &#x017F;elb&#x017F;t das Summen der Biene ver¬<lb/>
&#x017F;teht er.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0090] Stilpe. geweſen war, das ſchlechthin Große, Fabelhafte. Den alten Paſtor, der ihm den Konfirmanden¬ unterricht erteilte, ſetzte er in ewige Verlegenheiten. Was iſt Gott? fragte Paſtor Schulze. — Ein koloſſales Weſen. — Nicht doch, Stilpe. Wie heißt es im Kate¬ chismus? Nun, das wußte er wol auch, Aber das ge¬ nügte ihm nicht. — Herr Paſtor: Iſt Gott größer als das Königreich Sachſen? — Gott iſt ſo groß, daß ihn menſchliche Worte nicht ausdrücken können. — Herr Paſtor: Kennt mich Gott? — Freilich, denn er kennt alle Dinge. — Wenn ich bete, hört er mich? — Freilich, freilich, und er freut ſich, wenn Du beteſt. — Wenn nun aber Rammer auch betet, wem hört er denn da zu, Rammern oder mir? — Dir und Rammern und Millionen anderen! — Aber vergißt er denn nicht manchmal was? — Nie, Stilpe, er weiß jeden Laut und jeden Gedanken, ſelbſt das Summen der Biene ver¬ ſteht er.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/90
Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/90>, abgerufen am 09.11.2024.