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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Stilpe.
sächlich seelischer Natur zu werden. Die Strunks,
die nur die Großen noch über sich hatten, wurden
von diesen nicht geprügelt, sondern verhöhnt.

So ein Strunk, das ist wohl was! Bildet sich
vielleicht ein, daß er schon ein Großer ist? So ein
Jämmerling! Hat noch kurze Hosen an und thut sich
dicke! Vielleicht, weil er Selektaner ist? Weil er
seinen Namen mit griechischen Buchstaben in alle
Bücher schreibt? Ist was Rechtes! Ist doch noch
ein kleiner Junge, mit dem man lange noch nicht
über Alles reden kann.

Aber immerhin kamen die Selektaner unter den
Strunks schon mit den Großen in einige Berührung.
Da sie mehr Schularbeiten zu machen hatten, als
die übrigen, durften sie mit den Großen eine
Stunde länger aufbleiben. Diese Arbeitsstunde
wurde, da die Inspektoren im Schlafsaal sein
mußten, nicht ständig überwacht. Es kam nur zu¬
weilen der Direktor, um nachzusehen, ob die Stunde
nicht etwa ausgedehnt wurde, und um nachzuriechen,
ob nicht geraucht worden war. Aber, wenn der
Direktor Kegelabend hatte, war man sicher. Dann
rauchte alles, auch die Strunks. Es gab sogar
eine Wasserpfeife! Und wer gut turnen konnte,
kletterte die Mauer hinan, ließ sich auf den Brief¬

Stilpe.
ſächlich ſeeliſcher Natur zu werden. Die Strunks,
die nur die Großen noch über ſich hatten, wurden
von dieſen nicht geprügelt, ſondern verhöhnt.

So ein Strunk, das iſt wohl was! Bildet ſich
vielleicht ein, daß er ſchon ein Großer iſt? So ein
Jämmerling! Hat noch kurze Hoſen an und thut ſich
dicke! Vielleicht, weil er Selektaner iſt? Weil er
ſeinen Namen mit griechiſchen Buchſtaben in alle
Bücher ſchreibt? Iſt was Rechtes! Iſt doch noch
ein kleiner Junge, mit dem man lange noch nicht
über Alles reden kann.

Aber immerhin kamen die Selektaner unter den
Strunks ſchon mit den Großen in einige Berührung.
Da ſie mehr Schularbeiten zu machen hatten, als
die übrigen, durften ſie mit den Großen eine
Stunde länger aufbleiben. Dieſe Arbeitsſtunde
wurde, da die Inſpektoren im Schlafſaal ſein
mußten, nicht ſtändig überwacht. Es kam nur zu¬
weilen der Direktor, um nachzuſehen, ob die Stunde
nicht etwa ausgedehnt wurde, und um nachzuriechen,
ob nicht geraucht worden war. Aber, wenn der
Direktor Kegelabend hatte, war man ſicher. Dann
rauchte alles, auch die Strunks. Es gab ſogar
eine Waſſerpfeife! Und wer gut turnen konnte,
kletterte die Mauer hinan, ließ ſich auf den Brief¬

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[38/0052] Stilpe. ſächlich ſeeliſcher Natur zu werden. Die Strunks, die nur die Großen noch über ſich hatten, wurden von dieſen nicht geprügelt, ſondern verhöhnt. So ein Strunk, das iſt wohl was! Bildet ſich vielleicht ein, daß er ſchon ein Großer iſt? So ein Jämmerling! Hat noch kurze Hoſen an und thut ſich dicke! Vielleicht, weil er Selektaner iſt? Weil er ſeinen Namen mit griechiſchen Buchſtaben in alle Bücher ſchreibt? Iſt was Rechtes! Iſt doch noch ein kleiner Junge, mit dem man lange noch nicht über Alles reden kann. Aber immerhin kamen die Selektaner unter den Strunks ſchon mit den Großen in einige Berührung. Da ſie mehr Schularbeiten zu machen hatten, als die übrigen, durften ſie mit den Großen eine Stunde länger aufbleiben. Dieſe Arbeitsſtunde wurde, da die Inſpektoren im Schlafſaal ſein mußten, nicht ſtändig überwacht. Es kam nur zu¬ weilen der Direktor, um nachzuſehen, ob die Stunde nicht etwa ausgedehnt wurde, und um nachzuriechen, ob nicht geraucht worden war. Aber, wenn der Direktor Kegelabend hatte, war man ſicher. Dann rauchte alles, auch die Strunks. Es gab ſogar eine Waſſerpfeife! Und wer gut turnen konnte, kletterte die Mauer hinan, ließ ſich auf den Brief¬

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/52>, abgerufen am 24.11.2024.