Dürfte ich Sie um etwas Feuer bitten, werter Herr?
Er erhält ein Streichholz, verbeugt sich wieder¬ um sehr höflich und zündet sich den Stummel an; stößt die Tabakwolken mit Genuß von sich, betrachtet den Stummel mit Zärtlichkeit, lächelt und sagt: Sie müssen nämlich wissen: Ich bin auch Künstler!
Der Baßgeiger sieht ihn fragend an.
-- Ach nein, so schön geigen kann ich nicht. Nein. Aber -- dichten! Haben Sie keine Kindtaufe in Aussicht? Ich machs billig. Wenn nur vom Essen was übrig bleibt . . . Dies sehr demütig, traurig.
Aber auf einmal wird er wild und fängt an zu schimpfen: Auf das Gesindel, das Geld und kein Talent hat, auf alle, die ihn verachten, weil sie Kameele sind, während er ein Genie ist u. s. w. -- Ich sage euch: Ein fabelhafter Ausbruch mitten in den johlenden Mob hinein, der sich königlich zu amüsieren anfängt, während der Dichter, an der Rampe hin- und herrennend wie ein Eisbär im Käfig, Zorn, Wut, Verachtung nach allen Rich¬ tungen schleudert.
Ich hatte die Empfindung, daß Stilpe dies alles improvisierte.
Dann fiel er wieder in den demütigen Ton und
Stilpe.
Dürfte ich Sie um etwas Feuer bitten, werter Herr?
Er erhält ein Streichholz, verbeugt ſich wieder¬ um ſehr höflich und zündet ſich den Stummel an; ſtößt die Tabakwolken mit Genuß von ſich, betrachtet den Stummel mit Zärtlichkeit, lächelt und ſagt: Sie müſſen nämlich wiſſen: Ich bin auch Künſtler!
Der Baßgeiger ſieht ihn fragend an.
— Ach nein, ſo ſchön geigen kann ich nicht. Nein. Aber — dichten! Haben Sie keine Kindtaufe in Ausſicht? Ich machs billig. Wenn nur vom Eſſen was übrig bleibt . . . Dies ſehr demütig, traurig.
Aber auf einmal wird er wild und fängt an zu ſchimpfen: Auf das Geſindel, das Geld und kein Talent hat, auf alle, die ihn verachten, weil ſie Kameele ſind, während er ein Genie iſt u. ſ. w. — Ich ſage euch: Ein fabelhafter Ausbruch mitten in den johlenden Mob hinein, der ſich königlich zu amüſieren anfängt, während der Dichter, an der Rampe hin- und herrennend wie ein Eisbär im Käfig, Zorn, Wut, Verachtung nach allen Rich¬ tungen ſchleudert.
Ich hatte die Empfindung, daß Stilpe dies alles improviſierte.
Dann fiel er wieder in den demütigen Ton und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0408"n="394"/><fwplace="top"type="header">Stilpe.<lb/></fw>Dürfte ich Sie um etwas Feuer bitten, werter<lb/>
Herr?</p><lb/><p>Er erhält ein Streichholz, verbeugt ſich wieder¬<lb/>
um ſehr höflich und zündet ſich den Stummel an;<lb/>ſtößt die Tabakwolken mit Genuß von ſich, betrachtet<lb/>
den Stummel mit Zärtlichkeit, lächelt und ſagt: Sie<lb/>
müſſen nämlich wiſſen: Ich bin auch Künſtler!</p><lb/><p>Der Baßgeiger ſieht ihn fragend an.</p><lb/><p>— Ach nein, ſo ſchön geigen kann ich nicht.<lb/>
Nein. Aber — dichten! Haben Sie keine Kindtaufe<lb/>
in Ausſicht? Ich machs billig. Wenn nur vom Eſſen<lb/>
was übrig bleibt . . . Dies ſehr demütig, traurig.</p><lb/><p>Aber auf einmal wird er wild und fängt an<lb/>
zu ſchimpfen: Auf das Geſindel, das Geld und kein<lb/>
Talent hat, auf alle, die ihn verachten, weil ſie<lb/>
Kameele ſind, während er ein Genie iſt u. ſ. w. —<lb/>
Ich ſage euch: Ein fabelhafter Ausbruch mitten<lb/>
in den johlenden Mob hinein, der ſich königlich<lb/>
zu amüſieren anfängt, während der Dichter, an der<lb/>
Rampe hin- und herrennend wie ein Eisbär im<lb/>
Käfig, Zorn, Wut, Verachtung nach allen Rich¬<lb/>
tungen ſchleudert.</p><lb/><p>Ich hatte die Empfindung, daß Stilpe dies<lb/>
alles improviſierte.</p><lb/><p>Dann fiel er wieder in den demütigen Ton und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[394/0408]
Stilpe.
Dürfte ich Sie um etwas Feuer bitten, werter
Herr?
Er erhält ein Streichholz, verbeugt ſich wieder¬
um ſehr höflich und zündet ſich den Stummel an;
ſtößt die Tabakwolken mit Genuß von ſich, betrachtet
den Stummel mit Zärtlichkeit, lächelt und ſagt: Sie
müſſen nämlich wiſſen: Ich bin auch Künſtler!
Der Baßgeiger ſieht ihn fragend an.
— Ach nein, ſo ſchön geigen kann ich nicht.
Nein. Aber — dichten! Haben Sie keine Kindtaufe
in Ausſicht? Ich machs billig. Wenn nur vom Eſſen
was übrig bleibt . . . Dies ſehr demütig, traurig.
Aber auf einmal wird er wild und fängt an
zu ſchimpfen: Auf das Geſindel, das Geld und kein
Talent hat, auf alle, die ihn verachten, weil ſie
Kameele ſind, während er ein Genie iſt u. ſ. w. —
Ich ſage euch: Ein fabelhafter Ausbruch mitten
in den johlenden Mob hinein, der ſich königlich
zu amüſieren anfängt, während der Dichter, an der
Rampe hin- und herrennend wie ein Eisbär im
Käfig, Zorn, Wut, Verachtung nach allen Rich¬
tungen ſchleudert.
Ich hatte die Empfindung, daß Stilpe dies
alles improviſierte.
Dann fiel er wieder in den demütigen Ton und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/408>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.