Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Stilpe.
zu stolz sind, um zu dilettänteln. An Stoff ge¬
bricht es diesem Sporte niemals, aber hier war
er besonders üppig und interessant, weil die Cena¬
cliers in ihrem ehemaligen Freunde, dem Ex-
Schaunard Stilpe, ein besonders ergiebiges Objekt
hatten.

Die Debatte drehte sich recht häufig um ihn,
und besonders Girlinger ward nicht müde, ihn zu
vivisecieren. Er sprach es direkt aus, daß Stilpe
für ihn das interessanteste Schauspiel sei, und daß
er ihn ganz sicher niemals aus den Augen ver¬
lieren werde. Er hatte natürlich auch schon eine
Prognose bis ins Letzte in Bereitschaft, hütete
sich aber doch, sie mit Bestimmtheit verlauten zu
lassen. Die Kühnheit Wipperts, der im Geiste schon
das Sterbebett Stilpes in der Charite mit der
Aufschrift del. trem. sah, besaß er doch nicht.
Dafür dachte er seinem Metier zufolge mehr an
Plötzensee. Barmann, der in Secunda deutsche
Literaturgeschichte traktierte, huldigte höheren Per¬
spektiven; er konstruierte sich einen modernen Fall
Günther. Stössel war im Grunde voll phan¬
tastischer Erwartungen:

-- Paßt auf: Plötzlich tritt er mit einem Werke
hervor. Jetzt ist alles Schutt und Scherben. Aber

Stilpe.
zu ſtolz ſind, um zu dilettänteln. An Stoff ge¬
bricht es dieſem Sporte niemals, aber hier war
er beſonders üppig und intereſſant, weil die Céna¬
cliers in ihrem ehemaligen Freunde, dem Ex-
Schaunard Stilpe, ein beſonders ergiebiges Objekt
hatten.

Die Debatte drehte ſich recht häufig um ihn,
und beſonders Girlinger ward nicht müde, ihn zu
viviſecieren. Er ſprach es direkt aus, daß Stilpe
für ihn das intereſſanteſte Schauſpiel ſei, und daß
er ihn ganz ſicher niemals aus den Augen ver¬
lieren werde. Er hatte natürlich auch ſchon eine
Prognoſe bis ins Letzte in Bereitſchaft, hütete
ſich aber doch, ſie mit Beſtimmtheit verlauten zu
laſſen. Die Kühnheit Wipperts, der im Geiſte ſchon
das Sterbebett Stilpes in der Charité mit der
Aufſchrift del. trem. ſah, beſaß er doch nicht.
Dafür dachte er ſeinem Metier zufolge mehr an
Plötzenſee. Barmann, der in Secunda deutſche
Literaturgeſchichte traktierte, huldigte höheren Per¬
ſpektiven; er konſtruierte ſich einen modernen Fall
Günther. Stöſſel war im Grunde voll phan¬
taſtiſcher Erwartungen:

— Paßt auf: Plötzlich tritt er mit einem Werke
hervor. Jetzt iſt alles Schutt und Scherben. Aber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0396" n="382"/><fw place="top" type="header">Stilpe.<lb/></fw>zu &#x017F;tolz &#x017F;ind, um zu dilettänteln. An Stoff ge¬<lb/>
bricht es die&#x017F;em Sporte niemals, aber hier war<lb/>
er be&#x017F;onders üppig und intere&#x017F;&#x017F;ant, weil die C<hi rendition="#aq">é</hi>na¬<lb/>
cliers in ihrem ehemaligen Freunde, dem Ex-<lb/>
Schaunard Stilpe, ein be&#x017F;onders ergiebiges Objekt<lb/>
hatten.</p><lb/>
          <p>Die Debatte drehte &#x017F;ich recht häufig um ihn,<lb/>
und be&#x017F;onders Girlinger ward nicht müde, ihn zu<lb/>
vivi&#x017F;ecieren. Er &#x017F;prach es direkt aus, daß Stilpe<lb/>
für ihn das intere&#x017F;&#x017F;ante&#x017F;te Schau&#x017F;piel &#x017F;ei, und daß<lb/>
er ihn ganz &#x017F;icher niemals aus den Augen ver¬<lb/>
lieren werde. Er hatte natürlich auch &#x017F;chon eine<lb/>
Progno&#x017F;e bis ins Letzte in Bereit&#x017F;chaft, hütete<lb/>
&#x017F;ich aber doch, &#x017F;ie mit Be&#x017F;timmtheit verlauten zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Die Kühnheit Wipperts, der im Gei&#x017F;te &#x017F;chon<lb/>
das Sterbebett Stilpes in der Charit<hi rendition="#aq">é</hi> mit der<lb/>
Auf&#x017F;chrift <hi rendition="#aq">del</hi>. <hi rendition="#aq">trem</hi>. &#x017F;ah, be&#x017F;aß er doch nicht.<lb/>
Dafür dachte er &#x017F;einem Metier zufolge mehr an<lb/>
Plötzen&#x017F;ee. Barmann, der in Secunda deut&#x017F;che<lb/>
Literaturge&#x017F;chichte traktierte, huldigte höheren Per¬<lb/>
&#x017F;pektiven; er kon&#x017F;truierte &#x017F;ich einen modernen Fall<lb/>
Günther. Stö&#x017F;&#x017F;el war im Grunde voll phan¬<lb/>
ta&#x017F;ti&#x017F;cher Erwartungen:</p><lb/>
          <p>&#x2014; Paßt auf: Plötzlich tritt er mit einem <hi rendition="#g">Werke</hi><lb/>
hervor. Jetzt i&#x017F;t alles Schutt und Scherben. Aber<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0396] Stilpe. zu ſtolz ſind, um zu dilettänteln. An Stoff ge¬ bricht es dieſem Sporte niemals, aber hier war er beſonders üppig und intereſſant, weil die Céna¬ cliers in ihrem ehemaligen Freunde, dem Ex- Schaunard Stilpe, ein beſonders ergiebiges Objekt hatten. Die Debatte drehte ſich recht häufig um ihn, und beſonders Girlinger ward nicht müde, ihn zu viviſecieren. Er ſprach es direkt aus, daß Stilpe für ihn das intereſſanteſte Schauſpiel ſei, und daß er ihn ganz ſicher niemals aus den Augen ver¬ lieren werde. Er hatte natürlich auch ſchon eine Prognoſe bis ins Letzte in Bereitſchaft, hütete ſich aber doch, ſie mit Beſtimmtheit verlauten zu laſſen. Die Kühnheit Wipperts, der im Geiſte ſchon das Sterbebett Stilpes in der Charité mit der Aufſchrift del. trem. ſah, beſaß er doch nicht. Dafür dachte er ſeinem Metier zufolge mehr an Plötzenſee. Barmann, der in Secunda deutſche Literaturgeſchichte traktierte, huldigte höheren Per¬ ſpektiven; er konſtruierte ſich einen modernen Fall Günther. Stöſſel war im Grunde voll phan¬ taſtiſcher Erwartungen: — Paßt auf: Plötzlich tritt er mit einem Werke hervor. Jetzt iſt alles Schutt und Scherben. Aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/396
Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/396>, abgerufen am 22.11.2024.