Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.Stilpe. es ist kalt, sehr kalt! Überaus kalt! Außerdemweiß kein Mensch, was ein Prisma ist. Der Titel erfordert ein Conversationslexicon. Auch kann man keine Lyrik unterbringen. Oder? Nein, man kann nicht, durchaus nicht! . . . Dagegen: Phallus! Ja: Hier ist Lyrik, ausgesprochen Lyrik. Sehr warm. Winkend. Kraft und Saft und Sinndeute der Welt. . . . Aber warum nicht: Der Phalluswald? Hört doch nur: Der Phalluswald! In ihm singt die gesprenkelte Nachtigall mit süßem Geschluchz, in ihm auch kann man irgendwo das Prisma aufhängen! Sinnend wandelt hier der Peripa¬ thetiker, anmutig lehnt hier der Bärenführer und läßt aus seiner großen Zehe eine neue Welt wachsen, neue Tänze übt zwischen den fäuligen Stämmen der Zungenschnalzer nach der Melodie des Bauchtanzes von Hawai, tief bohrt sich ins Wurzelgeflecht die blutige Seelensuchekralle Kasimirs, und auch ich werde in diesem Schattenhain der Urgefühle die Lieder finden, die, wie ich mit Be¬ stimmtheit behaupten darf, irgendwo in mir schlummern. Lieben Freunde, trinkt Cognac und Gin, machet Stilpe. es iſt kalt, ſehr kalt! Überaus kalt! Außerdemweiß kein Menſch, was ein Prisma iſt. Der Titel erfordert ein Converſationslexicon. Auch kann man keine Lyrik unterbringen. Oder? Nein, man kann nicht, durchaus nicht! . . . Dagegen: Phallus! Ja: Hier iſt Lyrik, ausgeſprochen Lyrik. Sehr warm. Winkend. Kraft und Saft und Sinndeute der Welt. . . . Aber warum nicht: Der Phalluswald? Hört doch nur: Der Phalluswald! In ihm ſingt die geſprenkelte Nachtigall mit ſüßem Geſchluchz, in ihm auch kann man irgendwo das Prisma aufhängen! Sinnend wandelt hier der Peripa¬ thetiker, anmutig lehnt hier der Bärenführer und läßt aus ſeiner großen Zehe eine neue Welt wachſen, neue Tänze übt zwiſchen den fäuligen Stämmen der Zungenſchnalzer nach der Melodie des Bauchtanzes von Hawai, tief bohrt ſich ins Wurzelgeflecht die blutige Seelenſuchekralle Kaſimirs, und auch ich werde in dieſem Schattenhain der Urgefühle die Lieder finden, die, wie ich mit Be¬ ſtimmtheit behaupten darf, irgendwo in mir ſchlummern. Lieben Freunde, trinkt Cognac und Gin, machet <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0360" n="346"/><fw place="top" type="header">Stilpe.<lb/></fw> es iſt kalt, <hi rendition="#g">ſehr</hi> kalt! Überaus kalt! Außerdem<lb/> weiß kein Menſch, was ein Prisma iſt. Der Titel<lb/> erfordert ein Converſationslexicon. Auch kann<lb/> man keine Lyrik unterbringen. Oder? Nein, man<lb/> kann <hi rendition="#g">nicht</hi>, durchaus nicht! . . . Dagegen: Phallus!<lb/> Ja: Hier iſt Lyrik, ausgeſprochen Lyrik. Sehr warm.<lb/> Winkend. Kraft und Saft und Sinndeute der<lb/> Welt. . . . Aber warum nicht: Der Phalluswald?<lb/> Hört doch nur: Der Phalluswald! In ihm ſingt<lb/> die geſprenkelte Nachtigall mit ſüßem Geſchluchz,<lb/> in ihm auch kann man irgendwo das Prisma<lb/> aufhängen! Sinnend wandelt hier der Peripa¬<lb/> thetiker, anmutig lehnt hier der Bärenführer und<lb/> läßt aus ſeiner großen Zehe eine neue Welt<lb/> wachſen, neue Tänze übt zwiſchen den fäuligen<lb/> Stämmen der Zungenſchnalzer nach der Melodie<lb/> des Bauchtanzes von Hawai, tief bohrt ſich ins<lb/> Wurzelgeflecht die blutige Seelenſuchekralle Kaſimirs,<lb/> und auch ich werde in dieſem Schattenhain der<lb/> Urgefühle die Lieder finden, die, wie ich mit Be¬<lb/> ſtimmtheit behaupten darf, irgendwo in mir<lb/> ſchlummern.</p><lb/> <p>Lieben Freunde, trinkt Cognac und Gin, machet<lb/> ein Feuer in euch an, daß eure Augen glühende<lb/> Kugeln werden, groß wie die Uhrſcheiben am Rat¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [346/0360]
Stilpe.
es iſt kalt, ſehr kalt! Überaus kalt! Außerdem
weiß kein Menſch, was ein Prisma iſt. Der Titel
erfordert ein Converſationslexicon. Auch kann
man keine Lyrik unterbringen. Oder? Nein, man
kann nicht, durchaus nicht! . . . Dagegen: Phallus!
Ja: Hier iſt Lyrik, ausgeſprochen Lyrik. Sehr warm.
Winkend. Kraft und Saft und Sinndeute der
Welt. . . . Aber warum nicht: Der Phalluswald?
Hört doch nur: Der Phalluswald! In ihm ſingt
die geſprenkelte Nachtigall mit ſüßem Geſchluchz,
in ihm auch kann man irgendwo das Prisma
aufhängen! Sinnend wandelt hier der Peripa¬
thetiker, anmutig lehnt hier der Bärenführer und
läßt aus ſeiner großen Zehe eine neue Welt
wachſen, neue Tänze übt zwiſchen den fäuligen
Stämmen der Zungenſchnalzer nach der Melodie
des Bauchtanzes von Hawai, tief bohrt ſich ins
Wurzelgeflecht die blutige Seelenſuchekralle Kaſimirs,
und auch ich werde in dieſem Schattenhain der
Urgefühle die Lieder finden, die, wie ich mit Be¬
ſtimmtheit behaupten darf, irgendwo in mir
ſchlummern.
Lieben Freunde, trinkt Cognac und Gin, machet
ein Feuer in euch an, daß eure Augen glühende
Kugeln werden, groß wie die Uhrſcheiben am Rat¬
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Zitationshilfe: | Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/360>, abgerufen am 16.07.2024. |