-- Was verstehen Sie denn von Goethe mein werter Pole, bemerkte der Zungenschnalzer. Sie sollen erst einmal an die Ahnungsgrenze der Erotik kommen . . .
-- Ich bitte, keine Privatgespräche zu führen, rief Stilpe. Goethe und die Erotik beiseite: Was will der Bärenführer noch?
-- Wie gesagt, ich bin für das Littfaßsäulen¬ plakatformat und rot auf gelb, wie gesagt, und als Titel, wie gesagt, schlage ich vor: Die gesprenkelte Nachtigall.
-- Pschakreff, kikeriki, wallahei, Bruder, Du hast recht: Ausgezeichnet! Kasimir stürzte ein Glas Toddy hinunter.
Die andern, außer dem Peripathetiker, lachten. Der Bärenführer mischte Gin in seinen Cognac.
Der Peripathetiker aber erhob sich im Tumulte des Lachens, sah gerade vor sich hin und begann ganz leise:
-- Unsere Zeitschrift sollte: Das Prisma heißen. Damit ist für Alle Alles gesagt. Wie ein Prisma, das Strahlen fängt und Farben strahlt. Nicht Spiegel des Körperlichen, sondern Lichtsammler und Scheinwerfer. Nicht willkürlich in Kanten und Flächen, nicht roh und rauh, nicht
Viertes Buch, zweites Kapitel.
— Was verſtehen Sie denn von Goethe mein werter Pole, bemerkte der Zungenſchnalzer. Sie ſollen erſt einmal an die Ahnungsgrenze der Erotik kommen . . .
— Ich bitte, keine Privatgeſpräche zu führen, rief Stilpe. Goethe und die Erotik beiſeite: Was will der Bärenführer noch?
— Wie geſagt, ich bin für das Littfaßſäulen¬ plakatformat und rot auf gelb, wie geſagt, und als Titel, wie geſagt, ſchlage ich vor: Die geſprenkelte Nachtigall.
— Pſchakreff, kikeriki, wallahei, Bruder, Du haſt recht: Ausgezeichnet! Kaſimir ſtürzte ein Glas Toddy hinunter.
Die andern, außer dem Peripathetiker, lachten. Der Bärenführer miſchte Gin in ſeinen Cognac.
Der Peripathetiker aber erhob ſich im Tumulte des Lachens, ſah gerade vor ſich hin und begann ganz leiſe:
— Unſere Zeitſchrift ſollte: Das Prisma heißen. Damit iſt für Alle Alles geſagt. Wie ein Prisma, das Strahlen fängt und Farben ſtrahlt. Nicht Spiegel des Körperlichen, ſondern Lichtſammler und Scheinwerfer. Nicht willkürlich in Kanten und Flächen, nicht roh und rauh, nicht
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0355"n="341"/><fwplace="top"type="header">Viertes Buch, zweites Kapitel.<lb/></fw><p>— Was verſtehen Sie denn von Goethe<lb/>
mein werter Pole, bemerkte der Zungenſchnalzer.<lb/>
Sie ſollen erſt einmal an die Ahnungsgrenze der<lb/>
Erotik kommen . . .</p><lb/><p>— Ich bitte, keine Privatgeſpräche zu führen,<lb/>
rief Stilpe. Goethe und die Erotik beiſeite: Was<lb/>
will der Bärenführer noch?</p><lb/><p>— Wie geſagt, ich bin für das Littfaßſäulen¬<lb/>
plakatformat und rot auf gelb, wie geſagt, und als<lb/>
Titel, wie geſagt, ſchlage ich vor: Die geſprenkelte<lb/>
Nachtigall.</p><lb/><p>— Pſchakreff, kikeriki, wallahei, Bruder, Du haſt<lb/>
recht: Ausgezeichnet! Kaſimir ſtürzte ein Glas<lb/>
Toddy hinunter.</p><lb/><p>Die andern, außer dem Peripathetiker, lachten.<lb/>
Der Bärenführer miſchte Gin in ſeinen Cognac.</p><lb/><p>Der Peripathetiker aber erhob ſich im Tumulte<lb/>
des Lachens, ſah gerade vor ſich hin und begann<lb/>
ganz leiſe:</p><lb/><p>— Unſere Zeitſchrift ſollte: Das Prisma<lb/>
heißen. Damit iſt für Alle Alles geſagt. Wie<lb/>
ein Prisma, das Strahlen fängt und Farben<lb/>ſtrahlt. Nicht Spiegel des Körperlichen, ſondern<lb/>
Lichtſammler und Scheinwerfer. Nicht willkürlich<lb/>
in Kanten und Flächen, nicht roh und rauh, nicht<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[341/0355]
Viertes Buch, zweites Kapitel.
— Was verſtehen Sie denn von Goethe
mein werter Pole, bemerkte der Zungenſchnalzer.
Sie ſollen erſt einmal an die Ahnungsgrenze der
Erotik kommen . . .
— Ich bitte, keine Privatgeſpräche zu führen,
rief Stilpe. Goethe und die Erotik beiſeite: Was
will der Bärenführer noch?
— Wie geſagt, ich bin für das Littfaßſäulen¬
plakatformat und rot auf gelb, wie geſagt, und als
Titel, wie geſagt, ſchlage ich vor: Die geſprenkelte
Nachtigall.
— Pſchakreff, kikeriki, wallahei, Bruder, Du haſt
recht: Ausgezeichnet! Kaſimir ſtürzte ein Glas
Toddy hinunter.
Die andern, außer dem Peripathetiker, lachten.
Der Bärenführer miſchte Gin in ſeinen Cognac.
Der Peripathetiker aber erhob ſich im Tumulte
des Lachens, ſah gerade vor ſich hin und begann
ganz leiſe:
— Unſere Zeitſchrift ſollte: Das Prisma
heißen. Damit iſt für Alle Alles geſagt. Wie
ein Prisma, das Strahlen fängt und Farben
ſtrahlt. Nicht Spiegel des Körperlichen, ſondern
Lichtſammler und Scheinwerfer. Nicht willkürlich
in Kanten und Flächen, nicht roh und rauh, nicht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/355>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.