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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Stilpe.
schafter unmöglich gewesen, wenn er nicht gleich¬
zeitig ein unübertrefflicher Blagueur, geradezu ein
Meister der Blague gewesen wäre. Stilpen, der
selber in dieser Kunst viel vermochte, konnte er
dadurch manchmal rasend machen. Nur der Bären¬
führer und der Peripathetiker ließen sich nie beirren,
der Bärenführer, weil er überhaupt aus Allem nur
inwendige Heiterkeit schöpfte, und der Peripathetiker,
weil sein Geist doch immer noch schneller lief, als
die Blague des Polen.

Dagegen ließ sich der vierte der Eigentlichen,
den sie den Zungenschnalzer nannten, nicht selten
verführen, Kasimirn auf das polnische Glatteis my¬
stischer Schnoddrigkeiten zu folgen. Er liebte das
Mystische gar nicht, er war ganz auf das Ästhe¬
tische und Erotische gerichtet. Stilpe nannte ihn
Doktor der Erotologie. Er bestritt der Menschheit
das Recht, in erotischen Dingen irgend etwas
pervers zu nennen und machte aus dem, was er
nun nicht pervers, sondern kultiviert nannte, ein
eifriges praktisches Studium. Er wäre gerne ein
Don Juan der Perversität gewesen, indessen ent¬
gleiste seine Don Juanschaft schon auf dem ge¬
wöhnlichen Gebiete der Erotik recht häufig. Aber
er nahm Alles für genossen und schnalzte mit der

Stilpe.
ſchafter unmöglich geweſen, wenn er nicht gleich¬
zeitig ein unübertrefflicher Blagueur, geradezu ein
Meiſter der Blague geweſen wäre. Stilpen, der
ſelber in dieſer Kunſt viel vermochte, konnte er
dadurch manchmal raſend machen. Nur der Bären¬
führer und der Peripathetiker ließen ſich nie beirren,
der Bärenführer, weil er überhaupt aus Allem nur
inwendige Heiterkeit ſchöpfte, und der Peripathetiker,
weil ſein Geiſt doch immer noch ſchneller lief, als
die Blague des Polen.

Dagegen ließ ſich der vierte der Eigentlichen,
den ſie den Zungenſchnalzer nannten, nicht ſelten
verführen, Kaſimirn auf das polniſche Glatteis my¬
ſtiſcher Schnoddrigkeiten zu folgen. Er liebte das
Myſtiſche gar nicht, er war ganz auf das Äſthe¬
tiſche und Erotiſche gerichtet. Stilpe nannte ihn
Doktor der Erotologie. Er beſtritt der Menſchheit
das Recht, in erotiſchen Dingen irgend etwas
pervers zu nennen und machte aus dem, was er
nun nicht pervers, ſondern kultiviert nannte, ein
eifriges praktiſches Studium. Er wäre gerne ein
Don Juan der Perverſität geweſen, indeſſen ent¬
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[334/0348] Stilpe. ſchafter unmöglich geweſen, wenn er nicht gleich¬ zeitig ein unübertrefflicher Blagueur, geradezu ein Meiſter der Blague geweſen wäre. Stilpen, der ſelber in dieſer Kunſt viel vermochte, konnte er dadurch manchmal raſend machen. Nur der Bären¬ führer und der Peripathetiker ließen ſich nie beirren, der Bärenführer, weil er überhaupt aus Allem nur inwendige Heiterkeit ſchöpfte, und der Peripathetiker, weil ſein Geiſt doch immer noch ſchneller lief, als die Blague des Polen. Dagegen ließ ſich der vierte der Eigentlichen, den ſie den Zungenſchnalzer nannten, nicht ſelten verführen, Kaſimirn auf das polniſche Glatteis my¬ ſtiſcher Schnoddrigkeiten zu folgen. Er liebte das Myſtiſche gar nicht, er war ganz auf das Äſthe¬ tiſche und Erotiſche gerichtet. Stilpe nannte ihn Doktor der Erotologie. Er beſtritt der Menſchheit das Recht, in erotiſchen Dingen irgend etwas pervers zu nennen und machte aus dem, was er nun nicht pervers, ſondern kultiviert nannte, ein eifriges praktiſches Studium. Er wäre gerne ein Don Juan der Perverſität geweſen, indeſſen ent¬ gleiſte ſeine Don Juanſchaft ſchon auf dem ge¬ wöhnlichen Gebiete der Erotik recht häufig. Aber er nahm Alles für genoſſen und ſchnalzte mit der

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/348>, abgerufen am 22.11.2024.