Diese schweren Weine machen faul, diese Cham¬ pagner lügen blos von Räuschen, diese kostbaren Liköre sind wie Seidenpolster, in denen man ver¬ sinkt, ohne daß man glaubt, Houri-Arme schlängen sich um Nacken und Brust.
Was ist das für ein Leben! Kein Ruck und Zuck, kein Taumeln und Drehen. Geradehin, auf Gummirädern, hinter verschlossenen Kaleschenfenstern, allein.
Diese "Collegen"! Wie ernst! Wie bedeutend! "Beamte der öffentlichen Meinung. Richter im Reiche des Schönen. Staatsanwälte des Geistes. Pioniere des Fortschritts. Enkel Lessings. Ver¬ antwortliche Redakteure der Moral." Oh, ihr . . .!
Na! Ich kenne euch doch? Ihr habt doch aller¬ hand Respekt vor mir? Ich unterstehe doch annoch makellos eurem Ehrengerichte? Wißt ihr denn nicht, daß ich täglich Unzucht mit allen Lastern des Witzes treibe? Warum werft ihr mich denn nicht hinaus?
Solltet ihr . . . auch . . .? Blos nicht mit soviel Frechheit . . . ? . . .
Wie, wenn ich einmal meine Comödie, die ja ein Stück der euren ist, ohne Schminke auf eure Papierbühne brächte? Wenn ich die litterarischen
Viertes Buch, erſtes Kapitel.
Dieſe ſchweren Weine machen faul, dieſe Cham¬ pagner lügen blos von Räuſchen, dieſe koſtbaren Liköre ſind wie Seidenpolſter, in denen man ver¬ ſinkt, ohne daß man glaubt, Houri-Arme ſchlängen ſich um Nacken und Bruſt.
Was iſt das für ein Leben! Kein Ruck und Zuck, kein Taumeln und Drehen. Geradehin, auf Gummirädern, hinter verſchloſſenen Kaleſchenfenſtern, allein.
Dieſe „Collegen“! Wie ernſt! Wie bedeutend! „Beamte der öffentlichen Meinung. Richter im Reiche des Schönen. Staatsanwälte des Geiſtes. Pioniere des Fortſchritts. Enkel Leſſings. Ver¬ antwortliche Redakteure der Moral.“ Oh, ihr . . .!
Na! Ich kenne euch doch? Ihr habt doch aller¬ hand Reſpekt vor mir? Ich unterſtehe doch annoch makellos eurem Ehrengerichte? Wißt ihr denn nicht, daß ich täglich Unzucht mit allen Laſtern des Witzes treibe? Warum werft ihr mich denn nicht hinaus?
Solltet ihr . . . auch . . .? Blos nicht mit ſoviel Frechheit . . . ? . . .
Wie, wenn ich einmal meine Comödie, die ja ein Stück der euren iſt, ohne Schminke auf eure Papierbühne brächte? Wenn ich die litterariſchen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0331"n="317"/><fwplace="top"type="header">Viertes Buch, erſtes Kapitel.<lb/></fw><p>Dieſe ſchweren Weine machen faul, dieſe Cham¬<lb/>
pagner lügen blos von Räuſchen, dieſe koſtbaren<lb/>
Liköre ſind wie Seidenpolſter, in denen man ver¬<lb/>ſinkt, ohne daß man glaubt, Houri-Arme ſchlängen<lb/>ſich um Nacken und Bruſt.</p><lb/><p>Was iſt das für ein Leben! Kein Ruck und<lb/>
Zuck, kein Taumeln und Drehen. Geradehin, auf<lb/>
Gummirädern, hinter verſchloſſenen Kaleſchenfenſtern,<lb/>
allein.</p><lb/><p>Dieſe „Collegen“! Wie ernſt! Wie bedeutend!<lb/>„Beamte der öffentlichen Meinung. Richter im<lb/>
Reiche des Schönen. Staatsanwälte des Geiſtes.<lb/>
Pioniere des Fortſchritts. Enkel Leſſings. Ver¬<lb/>
antwortliche Redakteure der Moral.“ Oh, ihr . . .!</p><lb/><p>Na! Ich kenne euch doch? Ihr habt doch aller¬<lb/>
hand Reſpekt vor mir? Ich unterſtehe doch<lb/>
annoch makellos eurem Ehrengerichte? Wißt ihr<lb/>
denn nicht, daß ich täglich Unzucht mit allen Laſtern<lb/>
des Witzes treibe? Warum werft ihr mich denn<lb/>
nicht hinaus?</p><lb/><p>Solltet ihr . . . auch . . .? Blos nicht mit<lb/>ſoviel Frechheit . . . ? . . .</p><lb/><p>Wie, wenn ich einmal meine Comödie, die ja<lb/>
ein Stück der euren iſt, ohne Schminke auf eure<lb/>
Papierbühne brächte? Wenn ich die litterariſchen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[317/0331]
Viertes Buch, erſtes Kapitel.
Dieſe ſchweren Weine machen faul, dieſe Cham¬
pagner lügen blos von Räuſchen, dieſe koſtbaren
Liköre ſind wie Seidenpolſter, in denen man ver¬
ſinkt, ohne daß man glaubt, Houri-Arme ſchlängen
ſich um Nacken und Bruſt.
Was iſt das für ein Leben! Kein Ruck und
Zuck, kein Taumeln und Drehen. Geradehin, auf
Gummirädern, hinter verſchloſſenen Kaleſchenfenſtern,
allein.
Dieſe „Collegen“! Wie ernſt! Wie bedeutend!
„Beamte der öffentlichen Meinung. Richter im
Reiche des Schönen. Staatsanwälte des Geiſtes.
Pioniere des Fortſchritts. Enkel Leſſings. Ver¬
antwortliche Redakteure der Moral.“ Oh, ihr . . .!
Na! Ich kenne euch doch? Ihr habt doch aller¬
hand Reſpekt vor mir? Ich unterſtehe doch
annoch makellos eurem Ehrengerichte? Wißt ihr
denn nicht, daß ich täglich Unzucht mit allen Laſtern
des Witzes treibe? Warum werft ihr mich denn
nicht hinaus?
Solltet ihr . . . auch . . .? Blos nicht mit
ſoviel Frechheit . . . ? . . .
Wie, wenn ich einmal meine Comödie, die ja
ein Stück der euren iſt, ohne Schminke auf eure
Papierbühne brächte? Wenn ich die litterariſchen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/331>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.