Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite
Viertes Buch, erstes Kapitel.

Diese schweren Weine machen faul, diese Cham¬
pagner lügen blos von Räuschen, diese kostbaren
Liköre sind wie Seidenpolster, in denen man ver¬
sinkt, ohne daß man glaubt, Houri-Arme schlängen
sich um Nacken und Brust.

Was ist das für ein Leben! Kein Ruck und
Zuck, kein Taumeln und Drehen. Geradehin, auf
Gummirädern, hinter verschlossenen Kaleschenfenstern,
allein.

Diese "Collegen"! Wie ernst! Wie bedeutend!
"Beamte der öffentlichen Meinung. Richter im
Reiche des Schönen. Staatsanwälte des Geistes.
Pioniere des Fortschritts. Enkel Lessings. Ver¬
antwortliche Redakteure der Moral." Oh, ihr . . .!

Na! Ich kenne euch doch? Ihr habt doch aller¬
hand Respekt vor mir? Ich unterstehe doch
annoch makellos eurem Ehrengerichte? Wißt ihr
denn nicht, daß ich täglich Unzucht mit allen Lastern
des Witzes treibe? Warum werft ihr mich denn
nicht hinaus?

Solltet ihr . . . auch . . .? Blos nicht mit
soviel Frechheit . . . ? . . .

Wie, wenn ich einmal meine Comödie, die ja
ein Stück der euren ist, ohne Schminke auf eure
Papierbühne brächte? Wenn ich die litterarischen

Viertes Buch, erſtes Kapitel.

Dieſe ſchweren Weine machen faul, dieſe Cham¬
pagner lügen blos von Räuſchen, dieſe koſtbaren
Liköre ſind wie Seidenpolſter, in denen man ver¬
ſinkt, ohne daß man glaubt, Houri-Arme ſchlängen
ſich um Nacken und Bruſt.

Was iſt das für ein Leben! Kein Ruck und
Zuck, kein Taumeln und Drehen. Geradehin, auf
Gummirädern, hinter verſchloſſenen Kaleſchenfenſtern,
allein.

Dieſe „Collegen“! Wie ernſt! Wie bedeutend!
„Beamte der öffentlichen Meinung. Richter im
Reiche des Schönen. Staatsanwälte des Geiſtes.
Pioniere des Fortſchritts. Enkel Leſſings. Ver¬
antwortliche Redakteure der Moral.“ Oh, ihr . . .!

Na! Ich kenne euch doch? Ihr habt doch aller¬
hand Reſpekt vor mir? Ich unterſtehe doch
annoch makellos eurem Ehrengerichte? Wißt ihr
denn nicht, daß ich täglich Unzucht mit allen Laſtern
des Witzes treibe? Warum werft ihr mich denn
nicht hinaus?

Solltet ihr . . . auch . . .? Blos nicht mit
ſoviel Frechheit . . . ? . . .

Wie, wenn ich einmal meine Comödie, die ja
ein Stück der euren iſt, ohne Schminke auf eure
Papierbühne brächte? Wenn ich die litterariſchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0331" n="317"/>
          <fw place="top" type="header">Viertes Buch, er&#x017F;tes Kapitel.<lb/></fw>
          <p>Die&#x017F;e &#x017F;chweren Weine machen faul, die&#x017F;e Cham¬<lb/>
pagner lügen blos von Räu&#x017F;chen, die&#x017F;e ko&#x017F;tbaren<lb/>
Liköre &#x017F;ind wie Seidenpol&#x017F;ter, in denen man ver¬<lb/>
&#x017F;inkt, ohne daß man glaubt, Houri-Arme &#x017F;chlängen<lb/>
&#x017F;ich um Nacken und Bru&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Was i&#x017F;t das für ein Leben! Kein Ruck und<lb/>
Zuck, kein Taumeln und Drehen. Geradehin, auf<lb/>
Gummirädern, hinter ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Kale&#x017F;chenfen&#x017F;tern,<lb/>
allein.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e &#x201E;Collegen&#x201C;! Wie ern&#x017F;t! Wie bedeutend!<lb/>
&#x201E;Beamte der öffentlichen Meinung. Richter im<lb/>
Reiche des Schönen. Staatsanwälte des Gei&#x017F;tes.<lb/>
Pioniere des Fort&#x017F;chritts. Enkel Le&#x017F;&#x017F;ings. Ver¬<lb/>
antwortliche Redakteure der Moral.&#x201C; Oh, ihr . . .!</p><lb/>
          <p>Na! Ich kenne euch doch? Ihr habt doch aller¬<lb/>
hand Re&#x017F;pekt vor mir? Ich unter&#x017F;tehe doch<lb/>
annoch makellos eurem Ehrengerichte? Wißt ihr<lb/>
denn nicht, daß ich täglich Unzucht mit allen La&#x017F;tern<lb/>
des Witzes treibe? Warum werft ihr mich denn<lb/>
nicht hinaus?</p><lb/>
          <p>Solltet ihr . . . auch . . .? Blos nicht mit<lb/>
&#x017F;oviel Frechheit . . . ? . . .</p><lb/>
          <p>Wie, wenn ich einmal meine Comödie, die ja<lb/>
ein Stück der euren i&#x017F;t, ohne Schminke auf eure<lb/>
Papierbühne brächte? Wenn ich die litterari&#x017F;chen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[317/0331] Viertes Buch, erſtes Kapitel. Dieſe ſchweren Weine machen faul, dieſe Cham¬ pagner lügen blos von Räuſchen, dieſe koſtbaren Liköre ſind wie Seidenpolſter, in denen man ver¬ ſinkt, ohne daß man glaubt, Houri-Arme ſchlängen ſich um Nacken und Bruſt. Was iſt das für ein Leben! Kein Ruck und Zuck, kein Taumeln und Drehen. Geradehin, auf Gummirädern, hinter verſchloſſenen Kaleſchenfenſtern, allein. Dieſe „Collegen“! Wie ernſt! Wie bedeutend! „Beamte der öffentlichen Meinung. Richter im Reiche des Schönen. Staatsanwälte des Geiſtes. Pioniere des Fortſchritts. Enkel Leſſings. Ver¬ antwortliche Redakteure der Moral.“ Oh, ihr . . .! Na! Ich kenne euch doch? Ihr habt doch aller¬ hand Reſpekt vor mir? Ich unterſtehe doch annoch makellos eurem Ehrengerichte? Wißt ihr denn nicht, daß ich täglich Unzucht mit allen Laſtern des Witzes treibe? Warum werft ihr mich denn nicht hinaus? Solltet ihr . . . auch . . .? Blos nicht mit ſoviel Frechheit . . . ? . . . Wie, wenn ich einmal meine Comödie, die ja ein Stück der euren iſt, ohne Schminke auf eure Papierbühne brächte? Wenn ich die litterariſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/331
Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/331>, abgerufen am 25.11.2024.