Frühling verbrauchen, und dann in der des Namens ihres literarischen Hauptheiligen. Denn sie lasen damals ausschließlich Dichtungen der Sturm- und Drangperiode.
Dann schoben sich Ibsen und die Russen, dann Zola und der Naturalismus ein, und nun wurde aus dem Lesezirkel, wo man mit verteilten Rollen "Die Kindermörderin", "Sturm und Drang", "Der Hofmeister" gelesen hatte, ein Debattierklub, wo man vor allem "Herrn Schillinger", den Dichter "des pp. Wallenstein", vernichtete und Vorträge fol¬ gender Art hielt: "Die Wahrheit als einziges Prin¬ zip der Kunst", "Inwiefern Naturalismus und So¬ zialdemokratie Parallelerscheinungen sind", "Emile Zola und Henrik Ibsen: Die Tragesäulen der neuen Literatur", "Worin liegt die Gemeingefährlichkeit des sogenannten Idealismus?"
Zu dieser Zeit waren die Vier sehr rabiat.
Ihr zweites Wort war: Konsequenz. Gewisse Namen durften, bei hohen Strafen, bis zu zwanzig Pfennigen, unter ihnen nicht genannt werden, so Paul Heyse und Julius Wolf. Wer es wagte, "Schiller und Goethe" zu sagen, statt "Goethe und Schiller", mußte, da gab es kein Erbarmen, Tabak für alle Vier auf einen Monat kaufen. Aber auch
Zweites Buch, fünftes Kapitel.
Frühling verbrauchen, und dann in der des Namens ihres literariſchen Hauptheiligen. Denn ſie laſen damals ausſchließlich Dichtungen der Sturm- und Drangperiode.
Dann ſchoben ſich Ibſen und die Ruſſen, dann Zola und der Naturalismus ein, und nun wurde aus dem Leſezirkel, wo man mit verteilten Rollen „Die Kindermörderin“, „Sturm und Drang“, „Der Hofmeiſter“ geleſen hatte, ein Debattierklub, wo man vor allem „Herrn Schillinger“, den Dichter „des pp. Wallenſtein“, vernichtete und Vorträge fol¬ gender Art hielt: „Die Wahrheit als einziges Prin¬ zip der Kunſt“, „Inwiefern Naturalismus und So¬ zialdemokratie Parallelerſcheinungen ſind“, „Emile Zola und Henrik Ibſen: Die Trageſäulen der neuen Literatur“, „Worin liegt die Gemeingefährlichkeit des ſogenannten Idealismus?“
Zu dieſer Zeit waren die Vier ſehr rabiat.
Ihr zweites Wort war: Konſequenz. Gewiſſe Namen durften, bei hohen Strafen, bis zu zwanzig Pfennigen, unter ihnen nicht genannt werden, ſo Paul Heyſe und Julius Wolf. Wer es wagte, „Schiller und Goethe“ zu ſagen, ſtatt „Goethe und Schiller“, mußte, da gab es kein Erbarmen, Tabak für alle Vier auf einen Monat kaufen. Aber auch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0185"n="171"/><fwplace="top"type="header">Zweites Buch, fünftes Kapitel.<lb/></fw> Frühling verbrauchen, und dann in der des Namens<lb/>
ihres literariſchen Hauptheiligen. Denn ſie laſen<lb/>
damals ausſchließlich Dichtungen der Sturm- und<lb/>
Drangperiode.</p><lb/><p>Dann ſchoben ſich Ibſen und die Ruſſen, dann<lb/>
Zola und der Naturalismus ein, und nun wurde<lb/>
aus dem Leſezirkel, wo man mit verteilten Rollen<lb/>„Die Kindermörderin“, „Sturm und Drang“, „Der<lb/>
Hofmeiſter“ geleſen hatte, ein Debattierklub, wo<lb/>
man vor allem „Herrn Schillinger“, den Dichter<lb/>„des pp. Wallenſtein“, vernichtete und Vorträge fol¬<lb/>
gender Art hielt: „Die Wahrheit als einziges Prin¬<lb/>
zip der Kunſt“, „Inwiefern Naturalismus und So¬<lb/>
zialdemokratie Parallelerſcheinungen ſind“, „Emile<lb/>
Zola und Henrik Ibſen: Die Trageſäulen der neuen<lb/>
Literatur“, „Worin liegt die Gemeingefährlichkeit<lb/>
des ſogenannten Idealismus?“</p><lb/><p>Zu dieſer Zeit waren die Vier ſehr rabiat.</p><lb/><p>Ihr zweites Wort war: Konſequenz. Gewiſſe<lb/>
Namen durften, bei hohen Strafen, bis zu zwanzig<lb/>
Pfennigen, unter ihnen nicht genannt werden, ſo<lb/>
Paul Heyſe und Julius Wolf. Wer es wagte,<lb/>„Schiller und Goethe“ zu ſagen, ſtatt „Goethe und<lb/>
Schiller“, mußte, da gab es kein Erbarmen, Tabak<lb/>
für alle Vier auf einen Monat kaufen. Aber auch<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[171/0185]
Zweites Buch, fünftes Kapitel.
Frühling verbrauchen, und dann in der des Namens
ihres literariſchen Hauptheiligen. Denn ſie laſen
damals ausſchließlich Dichtungen der Sturm- und
Drangperiode.
Dann ſchoben ſich Ibſen und die Ruſſen, dann
Zola und der Naturalismus ein, und nun wurde
aus dem Leſezirkel, wo man mit verteilten Rollen
„Die Kindermörderin“, „Sturm und Drang“, „Der
Hofmeiſter“ geleſen hatte, ein Debattierklub, wo
man vor allem „Herrn Schillinger“, den Dichter
„des pp. Wallenſtein“, vernichtete und Vorträge fol¬
gender Art hielt: „Die Wahrheit als einziges Prin¬
zip der Kunſt“, „Inwiefern Naturalismus und So¬
zialdemokratie Parallelerſcheinungen ſind“, „Emile
Zola und Henrik Ibſen: Die Trageſäulen der neuen
Literatur“, „Worin liegt die Gemeingefährlichkeit
des ſogenannten Idealismus?“
Zu dieſer Zeit waren die Vier ſehr rabiat.
Ihr zweites Wort war: Konſequenz. Gewiſſe
Namen durften, bei hohen Strafen, bis zu zwanzig
Pfennigen, unter ihnen nicht genannt werden, ſo
Paul Heyſe und Julius Wolf. Wer es wagte,
„Schiller und Goethe“ zu ſagen, ſtatt „Goethe und
Schiller“, mußte, da gab es kein Erbarmen, Tabak
für alle Vier auf einen Monat kaufen. Aber auch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/185>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.