Meine Adresse teile ich Dir nicht mit, um vor Deiner Verräterei sicher zu sein. Denn es giebt keine Gemeinheit, die ich Dir nicht zutraute. . ."
Dieser Brief, den er vielmal in sich hin und her wandte und mit zahlreichen vergifteten Spitzen versah, beruhigte ihn ungemein.
Als er ihn auswendig wußte, war er so weit, die "Jammerhaftigkeit dieses Staatsanwaltssprö߬ lings" für ein Glück anzusehen.
Wäre ich denn in seiner Gegenwart frei ge¬ wesen? Hätte er mich nicht in meinen besten Ent¬ schlüssen gestört? Was für eine unglaubliche Ver¬ irrung dieser Gedanke überhaupt gewesen ist, mit dieser Hundeschnauze zusammen nach Griechenland gehen zu wollen. Aber eine gute Lehre das! Immer und Alles allein! Jedes Vertrauen ist Wegwurf!
Er schrieb sich diese Maxime in sein Notizbuch und empfand das ganze differenzierte Wohlgefühl des Pessimisten.
Er wurde sogar übermütig. Warte, mein braver Knabe, dachte er sich und nahm die Girlingerschen Sachen aus dem Koffer, hing sie, nachdem er sie zerrissen hatte, auf eine Bohnenstange und stellte das Ganze nach Art einer Vogelscheuche in ein
Stilpe.
Meine Adreſſe teile ich Dir nicht mit, um vor Deiner Verräterei ſicher zu ſein. Denn es giebt keine Gemeinheit, die ich Dir nicht zutraute. . .“
Dieſer Brief, den er vielmal in ſich hin und her wandte und mit zahlreichen vergifteten Spitzen verſah, beruhigte ihn ungemein.
Als er ihn auswendig wußte, war er ſo weit, die „Jammerhaftigkeit dieſes Staatsanwaltsſprö߬ lings“ für ein Glück anzuſehen.
Wäre ich denn in ſeiner Gegenwart frei ge¬ weſen? Hätte er mich nicht in meinen beſten Ent¬ ſchlüſſen geſtört? Was für eine unglaubliche Ver¬ irrung dieſer Gedanke überhaupt geweſen iſt, mit dieſer Hundeſchnauze zuſammen nach Griechenland gehen zu wollen. Aber eine gute Lehre das! Immer und Alles allein! Jedes Vertrauen iſt Wegwurf!
Er ſchrieb ſich dieſe Maxime in ſein Notizbuch und empfand das ganze differenzierte Wohlgefühl des Peſſimiſten.
Er wurde ſogar übermütig. Warte, mein braver Knabe, dachte er ſich und nahm die Girlingerſchen Sachen aus dem Koffer, hing ſie, nachdem er ſie zerriſſen hatte, auf eine Bohnenſtange und ſtellte das Ganze nach Art einer Vogelſcheuche in ein
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Stilpe.
Meine Adreſſe teile ich Dir nicht mit, um vor
Deiner Verräterei ſicher zu ſein. Denn es giebt
keine Gemeinheit, die ich Dir nicht zutraute. . .“
Dieſer Brief, den er vielmal in ſich hin und
her wandte und mit zahlreichen vergifteten Spitzen
verſah, beruhigte ihn ungemein.
Als er ihn auswendig wußte, war er ſo weit,
die „Jammerhaftigkeit dieſes Staatsanwaltsſprö߬
lings“ für ein Glück anzuſehen.
Wäre ich denn in ſeiner Gegenwart frei ge¬
weſen? Hätte er mich nicht in meinen beſten Ent¬
ſchlüſſen geſtört? Was für eine unglaubliche Ver¬
irrung dieſer Gedanke überhaupt geweſen iſt, mit
dieſer Hundeſchnauze zuſammen nach Griechenland
gehen zu wollen. Aber eine gute Lehre das!
Immer und Alles allein! Jedes Vertrauen iſt
Wegwurf!
Er ſchrieb ſich dieſe Maxime in ſein Notizbuch
und empfand das ganze differenzierte Wohlgefühl
des Peſſimiſten.
Er wurde ſogar übermütig. Warte, mein braver
Knabe, dachte er ſich und nahm die Girlingerſchen
Sachen aus dem Koffer, hing ſie, nachdem er ſie
zerriſſen hatte, auf eine Bohnenſtange und ſtellte
das Ganze nach Art einer Vogelſcheuche in ein
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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/166>, abgerufen am 29.11.2024.
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