Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweites Buch, viertes Kapitel.

Er war ihrer überhaupt überdrüssig und warf
sich mehr ins Ideale, Heroische. Es kam, ihm
ein Wulst Gedanken wie: Neues Leben! Freiheit!
Selbständigkeit!

Je näher die Mathematiknachprüfung rückte, um
so dringlicher wurden diese Gedanken.

Wenn er nun diese Prüfung nicht bestünde?
Die Perspektive war scheußlich, aber das scheußlichste
an ihr war der Gedanke, daß er, der jetzt in Unter¬
sekunde mit Sie angeredet wurde, in Obertertia
wieder gedutzt werden würde. Also: Das Symbol
der Knechtschaft!

Aber auch, wenn er bestünde! Wie gräßlich
war diese ganze Schule überhaupt! Und so
noch vier Jahre bis zur Freiheit, bis zur Uni¬
versität!

Und in diesen vier Jahren immer dieses leere
Stroh, das Einem vorgeworfen wurde: Da, drisch,
aber im Takt!

Und was waren das für Leute, die die Aufsicht
dabei führten! Oh, diese Druschmeister! Herr¬
gott, diese Professoren!

Ein paar waren ihm ja "interessante Knaben",
ein bischen steifleinen und steifbeinen, aber man
konnte ihnen gut sein, denn, nun ja eben: Sie

Zweites Buch, viertes Kapitel.

Er war ihrer überhaupt überdrüſſig und warf
ſich mehr ins Ideale, Heroiſche. Es kam, ihm
ein Wulſt Gedanken wie: Neues Leben! Freiheit!
Selbſtändigkeit!

Je näher die Mathematiknachprüfung rückte, um
ſo dringlicher wurden dieſe Gedanken.

Wenn er nun dieſe Prüfung nicht beſtünde?
Die Perſpektive war ſcheußlich, aber das ſcheußlichſte
an ihr war der Gedanke, daß er, der jetzt in Unter¬
ſekunde mit Sie angeredet wurde, in Obertertia
wieder gedutzt werden würde. Alſo: Das Symbol
der Knechtſchaft!

Aber auch, wenn er beſtünde! Wie gräßlich
war dieſe ganze Schule überhaupt! Und ſo
noch vier Jahre bis zur Freiheit, bis zur Uni¬
verſität!

Und in dieſen vier Jahren immer dieſes leere
Stroh, das Einem vorgeworfen wurde: Da, driſch,
aber im Takt!

Und was waren das für Leute, die die Aufſicht
dabei führten! Oh, dieſe Druſchmeiſter! Herr¬
gott, dieſe Profeſſoren!

Ein paar waren ihm ja „intereſſante Knaben“,
ein bischen ſteifleinen und ſteifbeinen, aber man
konnte ihnen gut ſein, denn, nun ja eben: Sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0137" n="123"/>
          <fw place="top" type="header">Zweites Buch, viertes Kapitel.<lb/></fw>
          <p>Er war ihrer überhaupt überdrü&#x017F;&#x017F;ig und warf<lb/>
&#x017F;ich mehr ins Ideale, Heroi&#x017F;che. Es kam, ihm<lb/>
ein Wul&#x017F;t Gedanken wie: Neues Leben! Freiheit!<lb/>
Selb&#x017F;tändigkeit!</p><lb/>
          <p>Je näher die Mathematiknachprüfung rückte, um<lb/>
&#x017F;o dringlicher wurden die&#x017F;e Gedanken.</p><lb/>
          <p>Wenn er nun die&#x017F;e Prüfung nicht be&#x017F;tünde?<lb/>
Die Per&#x017F;pektive war &#x017F;cheußlich, aber das &#x017F;cheußlich&#x017F;te<lb/>
an ihr war der Gedanke, daß er, der jetzt in Unter¬<lb/>
&#x017F;ekunde mit Sie angeredet wurde, in Obertertia<lb/>
wieder gedutzt werden würde. Al&#x017F;o: Das Symbol<lb/>
der Knecht&#x017F;chaft!</p><lb/>
          <p>Aber auch, wenn er be&#x017F;tünde! Wie gräßlich<lb/>
war die&#x017F;e ganze Schule überhaupt! Und &#x017F;o<lb/>
noch vier Jahre bis zur Freiheit, bis zur Uni¬<lb/>
ver&#x017F;ität!</p><lb/>
          <p>Und in die&#x017F;en vier Jahren immer die&#x017F;es leere<lb/>
Stroh, das Einem vorgeworfen wurde: Da, dri&#x017F;ch,<lb/>
aber im Takt!</p><lb/>
          <p>Und was waren das für Leute, die die Auf&#x017F;icht<lb/>
dabei führten! Oh, die&#x017F;e Dru&#x017F;chmei&#x017F;ter! Herr¬<lb/>
gott, die&#x017F;e Profe&#x017F;&#x017F;oren!</p><lb/>
          <p>Ein paar waren ihm ja &#x201E;intere&#x017F;&#x017F;ante Knaben&#x201C;,<lb/>
ein bischen &#x017F;teifleinen und &#x017F;teifbeinen, aber man<lb/>
konnte ihnen gut &#x017F;ein, denn, nun ja eben: Sie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0137] Zweites Buch, viertes Kapitel. Er war ihrer überhaupt überdrüſſig und warf ſich mehr ins Ideale, Heroiſche. Es kam, ihm ein Wulſt Gedanken wie: Neues Leben! Freiheit! Selbſtändigkeit! Je näher die Mathematiknachprüfung rückte, um ſo dringlicher wurden dieſe Gedanken. Wenn er nun dieſe Prüfung nicht beſtünde? Die Perſpektive war ſcheußlich, aber das ſcheußlichſte an ihr war der Gedanke, daß er, der jetzt in Unter¬ ſekunde mit Sie angeredet wurde, in Obertertia wieder gedutzt werden würde. Alſo: Das Symbol der Knechtſchaft! Aber auch, wenn er beſtünde! Wie gräßlich war dieſe ganze Schule überhaupt! Und ſo noch vier Jahre bis zur Freiheit, bis zur Uni¬ verſität! Und in dieſen vier Jahren immer dieſes leere Stroh, das Einem vorgeworfen wurde: Da, driſch, aber im Takt! Und was waren das für Leute, die die Aufſicht dabei führten! Oh, dieſe Druſchmeiſter! Herr¬ gott, dieſe Profeſſoren! Ein paar waren ihm ja „intereſſante Knaben“, ein bischen ſteifleinen und ſteifbeinen, aber man konnte ihnen gut ſein, denn, nun ja eben: Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/137
Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/137>, abgerufen am 18.12.2024.