Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.Zweites Buch, zweites Kapitel. "Das Lumen (man sollte es die Funzel nennen) [Abbildung]
Zuweilen gab es aber auch Verzweiflungsaus¬ Ich bin ein Mensch, und, hat mich Gott gemacht, So soll er einstehn auch für das Gemachte Und soll nicht Sünde heißen, was ich thu, Und seiner Pfaffen ekelhafte Schaar Auf mich loslassen wie ein Heer von Geiern. Ich bin voll Wollust, und ich schreie laut Nach Wollust wie der Hirsch nach Wasser schreit. So gebt sie mir, denn Gott hats so gewollt, 7 *
Zweites Buch, zweites Kapitel. „Das Lumen (man ſollte es die Funzel nennen) [Abbildung]
Zuweilen gab es aber auch Verzweiflungsaus¬ Ich bin ein Menſch, und, hat mich Gott gemacht, So ſoll er einſtehn auch für das Gemachte Und ſoll nicht Sünde heißen, was ich thu, Und ſeiner Pfaffen ekelhafte Schaar Auf mich loslaſſen wie ein Heer von Geiern. Ich bin voll Wolluſt, und ich ſchreie laut Nach Wolluſt wie der Hirſch nach Waſſer ſchreit. So gebt ſie mir, denn Gott hats ſo gewollt, 7 *
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0113" n="99"/> <fw place="top" type="header">Zweites Buch, zweites Kapitel.<lb/></fw> <p>„Das Lumen (man ſollte es die Funzel nennen)<lb/> ſagt, Gott ſei wie die Luft, die man auch nicht<lb/> ſieht, aber ſpürt, und ohne die man nicht leben<lb/> könne. Dann iſt die Philoſophie wohl eine Luft¬<lb/> pumpe. Man ſetze die Funzel hinein, und ſie<lb/> wird verlöſchen. Deshalb hat ſie auch ſo einen<lb/> Abſcheu vor der Philoſophie.“</p><lb/> <figure/> <p>Zuweilen gab es aber auch Verzweiflungsaus¬<lb/> brüche in dieſem Tagebuch, ſo ſehr Stilpe auch be¬<lb/> müht war, in ihm den ſcharfen Geiſt zu poſieren,<lb/> deſſen Atheismus über jeden Zweifel und jede Angſt<lb/> erhaben war. Dann türmte er bedenkliche Jamben-<lb/> Quadern aufeinander:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Ich bin ein Menſch, und, hat mich Gott gemacht,</l><lb/> <l>So ſoll er einſtehn auch für das Gemachte</l><lb/> <l>Und ſoll nicht Sünde heißen, was ich thu,</l><lb/> <l>Und ſeiner Pfaffen ekelhafte Schaar</l><lb/> <l>Auf mich loslaſſen wie ein Heer von Geiern.</l><lb/> <l>Ich bin voll Wolluſt, und ich ſchreie laut</l><lb/> <l>Nach Wolluſt wie der Hirſch nach Waſſer ſchreit.</l><lb/> <l>So gebt ſie mir, denn Gott hats ſo gewollt,</l><lb/> <fw place="bottom" type="sig">7 *<lb/></fw> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [99/0113]
Zweites Buch, zweites Kapitel.
„Das Lumen (man ſollte es die Funzel nennen)
ſagt, Gott ſei wie die Luft, die man auch nicht
ſieht, aber ſpürt, und ohne die man nicht leben
könne. Dann iſt die Philoſophie wohl eine Luft¬
pumpe. Man ſetze die Funzel hinein, und ſie
wird verlöſchen. Deshalb hat ſie auch ſo einen
Abſcheu vor der Philoſophie.“
[Abbildung]
Zuweilen gab es aber auch Verzweiflungsaus¬
brüche in dieſem Tagebuch, ſo ſehr Stilpe auch be¬
müht war, in ihm den ſcharfen Geiſt zu poſieren,
deſſen Atheismus über jeden Zweifel und jede Angſt
erhaben war. Dann türmte er bedenkliche Jamben-
Quadern aufeinander:
Ich bin ein Menſch, und, hat mich Gott gemacht,
So ſoll er einſtehn auch für das Gemachte
Und ſoll nicht Sünde heißen, was ich thu,
Und ſeiner Pfaffen ekelhafte Schaar
Auf mich loslaſſen wie ein Heer von Geiern.
Ich bin voll Wolluſt, und ich ſchreie laut
Nach Wolluſt wie der Hirſch nach Waſſer ſchreit.
So gebt ſie mir, denn Gott hats ſo gewollt,
7 *
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |