Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite
Stilpe.

Es versteht sich, daß auch der Herrgott übel
wegkam in diesem Tagebuche:

"Was ist denn Gott? Ein Substantivum
generis masculini. Oder ein Eigenname? Aber
was für ein Wesens damit gemacht wird! Wozu
denn nur? Das gute Lumen (das war der
Religionslehrer) sieht nie so dumm aus, als wie
wenn es Gott sagt. Liegt das nun an diesem
Substantivum oder am Lumen? Ich muß Gir¬
linger fragen."

[Abbildung]

"Übrigens sollen ja auch große Leute an Gott
geglaubt haben. Girlinger behauptet sogar, sie
hätten ihn erfunden. Wer weiß, wo er das her
hat. Er liest jetzt viel Philosophisches. Wenn
nur Kant nicht so dunkel wäre. Diese verfluchten
langen Perioden. Schopenhauer geht eher. Aber
es ist entsetzlich, wie er über die Weiber schimpft.
Ich glaube, man muß ein alter Knacks sein, um
diese Philosophen lesen zu können."

[Abbildung]
Stilpe.

Es verſteht ſich, daß auch der Herrgott übel
wegkam in dieſem Tagebuche:

„Was iſt denn Gott? Ein Subſtantivum
generis masculini. Oder ein Eigenname? Aber
was für ein Weſens damit gemacht wird! Wozu
denn nur? Das gute Lumen (das war der
Religionslehrer) ſieht nie ſo dumm aus, als wie
wenn es Gott ſagt. Liegt das nun an dieſem
Subſtantivum oder am Lumen? Ich muß Gir¬
linger fragen.“

[Abbildung]

„Übrigens ſollen ja auch große Leute an Gott
geglaubt haben. Girlinger behauptet ſogar, ſie
hätten ihn erfunden. Wer weiß, wo er das her
hat. Er lieſt jetzt viel Philoſophiſches. Wenn
nur Kant nicht ſo dunkel wäre. Dieſe verfluchten
langen Perioden. Schopenhauer geht eher. Aber
es iſt entſetzlich, wie er über die Weiber ſchimpft.
Ich glaube, man muß ein alter Knacks ſein, um
dieſe Philoſophen leſen zu können.“

[Abbildung]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0112" n="98"/>
          <fw place="top" type="header">Stilpe.<lb/></fw>
          <p>Es ver&#x017F;teht &#x017F;ich, daß auch der Herrgott übel<lb/>
wegkam in die&#x017F;em Tagebuche:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Was i&#x017F;t denn Gott? Ein Sub&#x017F;tantivum<lb/>
generis masculini. Oder ein Eigenname? Aber<lb/>
was für ein We&#x017F;ens damit gemacht wird! Wozu<lb/>
denn nur? Das gute Lumen (das war der<lb/>
Religionslehrer) &#x017F;ieht nie &#x017F;o dumm aus, als wie<lb/>
wenn es Gott &#x017F;agt. Liegt das nun an die&#x017F;em<lb/>
Sub&#x017F;tantivum oder am Lumen? Ich muß Gir¬<lb/>
linger fragen.&#x201C;</p><lb/>
          <figure/>
          <p>&#x201E;Übrigens &#x017F;ollen ja auch große Leute an Gott<lb/>
geglaubt haben. Girlinger behauptet &#x017F;ogar, &#x017F;ie<lb/>
hätten ihn erfunden. Wer weiß, wo er das her<lb/>
hat. Er lie&#x017F;t jetzt viel Philo&#x017F;ophi&#x017F;ches. Wenn<lb/>
nur Kant nicht &#x017F;o dunkel wäre. Die&#x017F;e verfluchten<lb/>
langen Perioden. Schopenhauer geht eher. Aber<lb/>
es i&#x017F;t ent&#x017F;etzlich, wie er über die Weiber &#x017F;chimpft.<lb/>
Ich glaube, man muß ein alter Knacks &#x017F;ein, um<lb/>
die&#x017F;e Philo&#x017F;ophen le&#x017F;en zu können.&#x201C;</p><lb/>
          <figure/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0112] Stilpe. Es verſteht ſich, daß auch der Herrgott übel wegkam in dieſem Tagebuche: „Was iſt denn Gott? Ein Subſtantivum generis masculini. Oder ein Eigenname? Aber was für ein Weſens damit gemacht wird! Wozu denn nur? Das gute Lumen (das war der Religionslehrer) ſieht nie ſo dumm aus, als wie wenn es Gott ſagt. Liegt das nun an dieſem Subſtantivum oder am Lumen? Ich muß Gir¬ linger fragen.“ [Abbildung] „Übrigens ſollen ja auch große Leute an Gott geglaubt haben. Girlinger behauptet ſogar, ſie hätten ihn erfunden. Wer weiß, wo er das her hat. Er lieſt jetzt viel Philoſophiſches. Wenn nur Kant nicht ſo dunkel wäre. Dieſe verfluchten langen Perioden. Schopenhauer geht eher. Aber es iſt entſetzlich, wie er über die Weiber ſchimpft. Ich glaube, man muß ein alter Knacks ſein, um dieſe Philoſophen leſen zu können.“ [Abbildung]

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/112
Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/112>, abgerufen am 27.11.2024.