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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Zweites Buch, zweites Kapitel.
über das erlaubte Maaß der Lobpreisung antiker
Freiheitshelden wie Harmodios und Aristogeiton
hinausgingen.

Aber in seinen Tagebüchern rumorte sich die
Empörung seines Wortschatzes am wildesten aus.
Dort fanden sich in wunderlichem Nebeneinander
die Namen von Gajus und Tiberius Gracchus,
Catilina, Marat, Danton, Robespiere, August
Bebel und Eugen Richter. Für Majestätsbe¬
leidigungen hatte er sich eine eigene Geheimschrift
erfunden. Der vor vier Wochen noch angebetete
Name Bismarcks war von nun an durch das
Zeichen eines Dolches wiedergegeben, wofür die
Erklärung lautete: "Man kann das nehmen, wie
man will. Entweder als den Dolch, mit dem
dieser hochfahrende Strunkjunker die Freiheit
Deutschlands hingemordet hat, oder als den Dolch,
mit dem er . . .? . . ."

Die Freiheit Deutschlands hatte übrigens auch
ihr Geheimzeichen ("denn sie ist ganz und gar
verboten"), nämlich ein Epsilon und Gamma, was
heißen sollte: Eleutheria Germanias. Dieses Epsilon
Gamma schnitt sich der entflammte Demokrat sogar
auf seinen linken Unterarm ins Fleisch; aber nicht
sehr tief.

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Zweites Buch, zweites Kapitel.
über das erlaubte Maaß der Lobpreiſung antiker
Freiheitshelden wie Harmodios und Ariſtogeiton
hinausgingen.

Aber in ſeinen Tagebüchern rumorte ſich die
Empörung ſeines Wortſchatzes am wildeſten aus.
Dort fanden ſich in wunderlichem Nebeneinander
die Namen von Gajus und Tiberius Gracchus,
Catilina, Marat, Danton, Robespiere, Auguſt
Bebel und Eugen Richter. Für Majeſtätsbe¬
leidigungen hatte er ſich eine eigene Geheimſchrift
erfunden. Der vor vier Wochen noch angebetete
Name Bismarcks war von nun an durch das
Zeichen eines Dolches wiedergegeben, wofür die
Erklärung lautete: „Man kann das nehmen, wie
man will. Entweder als den Dolch, mit dem
dieſer hochfahrende Strunkjunker die Freiheit
Deutſchlands hingemordet hat, oder als den Dolch,
mit dem er . . .? . . .“

Die Freiheit Deutſchlands hatte übrigens auch
ihr Geheimzeichen („denn ſie iſt ganz und gar
verboten“), nämlich ein Epſilon und Gamma, was
heißen ſollte: Eleutheria Germanias. Dieſes Epſilon
Gamma ſchnitt ſich der entflammte Demokrat ſogar
auf ſeinen linken Unterarm ins Fleiſch; aber nicht
ſehr tief.

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[97/0111] Zweites Buch, zweites Kapitel. über das erlaubte Maaß der Lobpreiſung antiker Freiheitshelden wie Harmodios und Ariſtogeiton hinausgingen. Aber in ſeinen Tagebüchern rumorte ſich die Empörung ſeines Wortſchatzes am wildeſten aus. Dort fanden ſich in wunderlichem Nebeneinander die Namen von Gajus und Tiberius Gracchus, Catilina, Marat, Danton, Robespiere, Auguſt Bebel und Eugen Richter. Für Majeſtätsbe¬ leidigungen hatte er ſich eine eigene Geheimſchrift erfunden. Der vor vier Wochen noch angebetete Name Bismarcks war von nun an durch das Zeichen eines Dolches wiedergegeben, wofür die Erklärung lautete: „Man kann das nehmen, wie man will. Entweder als den Dolch, mit dem dieſer hochfahrende Strunkjunker die Freiheit Deutſchlands hingemordet hat, oder als den Dolch, mit dem er . . .? . . .“ Die Freiheit Deutſchlands hatte übrigens auch ihr Geheimzeichen („denn ſie iſt ganz und gar verboten“), nämlich ein Epſilon und Gamma, was heißen ſollte: Eleutheria Germanias. Dieſes Epſilon Gamma ſchnitt ſich der entflammte Demokrat ſogar auf ſeinen linken Unterarm ins Fleiſch; aber nicht ſehr tief. 7

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/111>, abgerufen am 27.11.2024.