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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Zweites Kapitel.

Diese Martha war eine schöne, schlank üppige
Person von etwa zwanzig Jahren mit dunkelblauen
Augen, zwei langen blonden Zöpfen und sehr blasser
Gesichtsfarbe. Sie hätte zu irgend etwas sehr
Unschuldigem Modell stehen können, und wie sie
aussah, so stellen sich sämmtliche Backfische Fausts
Gretchen vor. Dazu hatte sie eine sehr liebe, linde
Stimme und die allerweichsten, rundesten Be¬
wegungen. Professor Thumann hat diesen Typus
in die Seele der deutschen Bourgeoisie gemalt, und
wir begegnen ihm noch immer auf Wäschekartons,
Cigarrenkisten und Glaube-Liebe-Hoffnung-Bunt¬
drucken.

Damit wird es begreiflich erscheinen, daß der
sechzehneinhalbjährige Stilpe, öffentlicher Ober¬
tertianer und heimlicher Dichter, Vaterlands¬


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Zweites Kapitel.

Dieſe Martha war eine ſchöne, ſchlank üppige
Perſon von etwa zwanzig Jahren mit dunkelblauen
Augen, zwei langen blonden Zöpfen und ſehr blaſſer
Geſichtsfarbe. Sie hätte zu irgend etwas ſehr
Unſchuldigem Modell ſtehen können, und wie ſie
ausſah, ſo ſtellen ſich ſämmtliche Backfiſche Fauſts
Gretchen vor. Dazu hatte ſie eine ſehr liebe, linde
Stimme und die allerweichſten, rundeſten Be¬
wegungen. Profeſſor Thumann hat dieſen Typus
in die Seele der deutſchen Bourgeoiſie gemalt, und
wir begegnen ihm noch immer auf Wäſchekartons,
Cigarrenkiſten und Glaube-Liebe-Hoffnung-Bunt¬
drucken.

Damit wird es begreiflich erſcheinen, daß der
ſechzehneinhalbjährige Stilpe, öffentlicher Ober¬
tertianer und heimlicher Dichter, Vaterlands¬

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[[94]/0108] [Abbildung] Zweites Kapitel. Dieſe Martha war eine ſchöne, ſchlank üppige Perſon von etwa zwanzig Jahren mit dunkelblauen Augen, zwei langen blonden Zöpfen und ſehr blaſſer Geſichtsfarbe. Sie hätte zu irgend etwas ſehr Unſchuldigem Modell ſtehen können, und wie ſie ausſah, ſo ſtellen ſich ſämmtliche Backfiſche Fauſts Gretchen vor. Dazu hatte ſie eine ſehr liebe, linde Stimme und die allerweichſten, rundeſten Be¬ wegungen. Profeſſor Thumann hat dieſen Typus in die Seele der deutſchen Bourgeoiſie gemalt, und wir begegnen ihm noch immer auf Wäſchekartons, Cigarrenkiſten und Glaube-Liebe-Hoffnung-Bunt¬ drucken. Damit wird es begreiflich erſcheinen, daß der ſechzehneinhalbjährige Stilpe, öffentlicher Ober¬ tertianer und heimlicher Dichter, Vaterlands¬

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. [94]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/108>, abgerufen am 27.11.2024.