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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Zweites Buch, erstes Kapitel.
Auch ohne die Pockennarben wäre er kein Adonis
gewesen.

Dazu trug er sich recht sonderbar. Etwas
wild-westartig und nicht eben sorgfältig. Ein
schwarz karrierter Anzug, dessen Grundfarbe ein
lehmiges Gelb war; dazu ein flatternder grüner
Hängeschlips. Alles in einem liederlichen Zu¬
stande, der jetzt noch besonders zur Geltung kam,
wo die Jacke durch die Balgerei einen Riß be¬
kommen hatte.

-- So, Stilpe! Also Du ohrfeigst den Primus
Deiner Klasse. Natürlich, wer fast der Letzte ist,
muß seinen Zorn an den besseren Schülern aus¬
lassen. Willst Du die Güte haben und sagen, wie
Du zu dieser Lümmelei gekommen bist?

Stilpe kräuselte seine Oberlippe noch etwas
nach oben und setzte ein sehr verächtliches Gesicht
auf. Dabei zuckte er die Achseln und wischte sich
die Lohe von den Kleidern.

-- Also wirds bald!?

-- Ich mag nicht denunzieren.

-- Was magst Du nicht? Denunzieren sagst
Du? Hört mal, leiht euerm Kameraden doch Heyses
Fremdwörterbuch; er scheint nicht zu wissen, was
denunzieren heißt.

Zweites Buch, erſtes Kapitel.
Auch ohne die Pockennarben wäre er kein Adonis
geweſen.

Dazu trug er ſich recht ſonderbar. Etwas
wild-weſtartig und nicht eben ſorgfältig. Ein
ſchwarz karrierter Anzug, deſſen Grundfarbe ein
lehmiges Gelb war; dazu ein flatternder grüner
Hängeſchlips. Alles in einem liederlichen Zu¬
ſtande, der jetzt noch beſonders zur Geltung kam,
wo die Jacke durch die Balgerei einen Riß be¬
kommen hatte.

— So, Stilpe! Alſo Du ohrfeigſt den Primus
Deiner Klaſſe. Natürlich, wer faſt der Letzte iſt,
muß ſeinen Zorn an den beſſeren Schülern aus¬
laſſen. Willſt Du die Güte haben und ſagen, wie
Du zu dieſer Lümmelei gekommen biſt?

Stilpe kräuſelte ſeine Oberlippe noch etwas
nach oben und ſetzte ein ſehr verächtliches Geſicht
auf. Dabei zuckte er die Achſeln und wiſchte ſich
die Lohe von den Kleidern.

— Alſo wirds bald!?

— Ich mag nicht denunzieren.

— Was magſt Du nicht? Denunzieren ſagſt
Du? Hört mal, leiht euerm Kameraden doch Heyſes
Fremdwörterbuch; er ſcheint nicht zu wiſſen, was
denunzieren heißt.

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[87/0101] Zweites Buch, erſtes Kapitel. Auch ohne die Pockennarben wäre er kein Adonis geweſen. Dazu trug er ſich recht ſonderbar. Etwas wild-weſtartig und nicht eben ſorgfältig. Ein ſchwarz karrierter Anzug, deſſen Grundfarbe ein lehmiges Gelb war; dazu ein flatternder grüner Hängeſchlips. Alles in einem liederlichen Zu¬ ſtande, der jetzt noch beſonders zur Geltung kam, wo die Jacke durch die Balgerei einen Riß be¬ kommen hatte. — So, Stilpe! Alſo Du ohrfeigſt den Primus Deiner Klaſſe. Natürlich, wer faſt der Letzte iſt, muß ſeinen Zorn an den beſſeren Schülern aus¬ laſſen. Willſt Du die Güte haben und ſagen, wie Du zu dieſer Lümmelei gekommen biſt? Stilpe kräuſelte ſeine Oberlippe noch etwas nach oben und ſetzte ein ſehr verächtliches Geſicht auf. Dabei zuckte er die Achſeln und wiſchte ſich die Lohe von den Kleidern. — Alſo wirds bald!? — Ich mag nicht denunzieren. — Was magſt Du nicht? Denunzieren ſagſt Du? Hört mal, leiht euerm Kameraden doch Heyſes Fremdwörterbuch; er ſcheint nicht zu wiſſen, was denunzieren heißt.

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/101>, abgerufen am 26.11.2024.