Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_062.001 § 22. Bildung von abwechselnd reimlosen und gereimten p3b_062.002 Verszeilen. p3b_062.003 p3b_062.008 p3b_062.012 p3b_062.015 p3b_062.017 p3b_062.023 Liebesahnung. p3b_062.028[Beginn Spaltensatz] Stoff. p3b_062.029 Lösung. Von Franz v. Kobell. p3b_062.102Wohl schmückt die schöne Jugend p3b_062.103 [Ende Spaltensatz]
So mancher grüne Kranz, p3b_062.104 Ein sonnigheller Äther p3b_062.105 Weht drüber seinen Glanz, p3b_062.106 Ein duftig warmer Maien p3b_062.107 Bringt seines Gartens Zier, p3b_062.108 Bringt farbig frische Blumen, p3b_062.109 Bringt frohe Lieder ihr; p3b_062.110 Doch Eines ist vor allen p3b_062.111 Jhr neidenswertes Gut, p3b_062.112 Die Blüte nicht der Wangen p3b_062.113 Und nicht das rasche Blut: p3b_062.001 § 22. Bildung von abwechselnd reimlosen und gereimten p3b_062.002 Verszeilen. p3b_062.003 p3b_062.008 p3b_062.012 p3b_062.015 p3b_062.017 p3b_062.023 Liebesahnung. p3b_062.028[Beginn Spaltensatz] Stoff. p3b_062.029 Lösung. Von Franz v. Kobell. p3b_062.102Wohl schmückt die schöne Jugend p3b_062.103 [Ende Spaltensatz]
So mancher grüne Kranz, p3b_062.104 Ein sonnigheller Äther p3b_062.105 Weht drüber seinen Glanz, p3b_062.106 Ein duftig warmer Maien p3b_062.107 Bringt seines Gartens Zier, p3b_062.108 Bringt farbig frische Blumen, p3b_062.109 Bringt frohe Lieder ihr; p3b_062.110 Doch Eines ist vor allen p3b_062.111 Jhr neidenswertes Gut, p3b_062.112 Die Blüte nicht der Wangen p3b_062.113 Und nicht das rasche Blut: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0088" n="62"/> </div> <div n="3"> <lb n="p3b_062.001"/> <head> <hi rendition="#c">§ 22. Bildung von abwechselnd reimlosen und gereimten <lb n="p3b_062.002"/> Verszeilen.</hi> </head> <p><lb n="p3b_062.003"/> 1. An die Übungen in der Ghaselenform schließen sich die Übungen <lb n="p3b_062.004"/> in abwechselnd reimlosen und gereimten Verszeilen eng an. Sie sind <lb n="p3b_062.005"/> in ihrer Anwendung noch leichter als die Ghasele, da ja nur immer <lb n="p3b_062.006"/> ein Reim in der Strophe nötig ist. (Wir kommen bei der gebrochen <lb n="p3b_062.007"/> geschriebenen Nibelungenstrophe noch einmal auf diese Form zurück.)</p> <p><lb n="p3b_062.008"/> 2. Daß sich bei Zusammenstellung von je 2 ungereimten und <lb n="p3b_062.009"/> 2 gereimten Verszeilen vierzeilige Strophen ergeben, ist nebensächlich, <lb n="p3b_062.010"/> kann aber immerhin als Überleitung zur Strophenbildung beachtet <lb n="p3b_062.011"/> werden.</p> <p><lb n="p3b_062.012"/> 3. Die Bildung reimloser und gereimter Verszeilen ist deshalb <lb n="p3b_062.013"/> sehr leicht, weil das große Material innerhalb zweier Zeilen zweifelsohne <lb n="p3b_062.014"/> mindestens <hi rendition="#g">ein</hi> Reimecho in sich schließt.</p> <p><lb n="p3b_062.015"/> 4. Mehr als 10 Takte sollten bei diesen Übungen beide Verszeilen <lb n="p3b_062.016"/> (mit Rücksicht auf die Architektonik des Reimes) nicht betragen.</p> <p><lb n="p3b_062.017"/> 5. Dilettanten wenden häufig den jambischen hyperkatalektischen <lb n="p3b_062.018"/> Quinar ohne ein strophisches Charakteristikum an. Noch beliebter sind <lb n="p3b_062.019"/> bei ihnen wegen leichter Handhabung die jambischen Viertakter. Der <lb n="p3b_062.020"/> Lernende thut gut daran, bei denselben die gereimte Zeile je um <lb n="p3b_062.021"/> 1 ganzen oder ½ Takt zu verkürzen, weil dadurch der Abschluß markanter <lb n="p3b_062.022"/> wird.</p> <p><lb n="p3b_062.023"/><hi rendition="#g">Aufgabe</hi> 1. <hi rendition="#g">Männlicher Reim. Nachstehender Stoff soll in <lb n="p3b_062.024"/> jambischen Dreitaktern gegeben werden, von denen je die geraden, <lb n="p3b_062.025"/> reimlosen hyperkatalektisch</hi> (⏑ – ⏑ – ⏑ – │ ⏑) <hi rendition="#g">sein mögen, während <lb n="p3b_062.026"/> die gereimten akatalektisch sind.</hi></p> <lb n="p3b_062.027"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Liebesahnung.</hi> </hi> </p> <lb n="p3b_062.028"/> <cb type="start"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Stoff.</hi> </hi> </p> <p><lb n="p3b_062.029"/> Wohl schmücket unsere Jugend │ <lb n="p3b_062.030"/> manch schöner Kranz; │ ein sonniger <lb n="p3b_062.031"/> Äther │ beglänzt sie, │ ein warmer <lb n="p3b_062.032"/> Mai │ bringt Blumen │ und frohe <lb n="p3b_062.033"/> Lieder. │ Doch um Eines │ ist sie besonders <lb n="p3b_062.034"/> zu beneiden: │ es sind nicht <lb n="p3b_062.035"/> die roten Wangen │ und nicht das <lb n="p3b_062.036"/> rasche Blut, │</p> <cb/> <lb n="p3b_062.101"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Lösung. Von Franz</hi> v. <hi rendition="#g">Kobell.</hi></hi> </p> <lb n="p3b_062.102"/> <lg> <l>Wohl schmückt die schöne Jugend</l> <lb n="p3b_062.103"/> <l>So mancher grüne Kranz,</l> <lb n="p3b_062.104"/> <l>Ein sonnigheller Äther</l> <lb n="p3b_062.105"/> <l>Weht drüber seinen Glanz,</l> <lb n="p3b_062.106"/> <l>Ein duftig warmer Maien</l> <lb n="p3b_062.107"/> <l>Bringt seines Gartens Zier,</l> <lb n="p3b_062.108"/> <l>Bringt farbig frische Blumen,</l> <lb n="p3b_062.109"/> <l>Bringt frohe Lieder ihr;</l> <lb n="p3b_062.110"/> <l>Doch Eines ist vor allen</l> <lb n="p3b_062.111"/> <l>Jhr neidenswertes Gut,</l> <lb n="p3b_062.112"/> <l>Die Blüte nicht der Wangen</l> <lb n="p3b_062.113"/> <l>Und nicht das rasche Blut:</l> </lg> <cb type="end"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [62/0088]
p3b_062.001
§ 22. Bildung von abwechselnd reimlosen und gereimten p3b_062.002
Verszeilen. p3b_062.003
1. An die Übungen in der Ghaselenform schließen sich die Übungen p3b_062.004
in abwechselnd reimlosen und gereimten Verszeilen eng an. Sie sind p3b_062.005
in ihrer Anwendung noch leichter als die Ghasele, da ja nur immer p3b_062.006
ein Reim in der Strophe nötig ist. (Wir kommen bei der gebrochen p3b_062.007
geschriebenen Nibelungenstrophe noch einmal auf diese Form zurück.)
p3b_062.008
2. Daß sich bei Zusammenstellung von je 2 ungereimten und p3b_062.009
2 gereimten Verszeilen vierzeilige Strophen ergeben, ist nebensächlich, p3b_062.010
kann aber immerhin als Überleitung zur Strophenbildung beachtet p3b_062.011
werden.
p3b_062.012
3. Die Bildung reimloser und gereimter Verszeilen ist deshalb p3b_062.013
sehr leicht, weil das große Material innerhalb zweier Zeilen zweifelsohne p3b_062.014
mindestens ein Reimecho in sich schließt.
p3b_062.015
4. Mehr als 10 Takte sollten bei diesen Übungen beide Verszeilen p3b_062.016
(mit Rücksicht auf die Architektonik des Reimes) nicht betragen.
p3b_062.017
5. Dilettanten wenden häufig den jambischen hyperkatalektischen p3b_062.018
Quinar ohne ein strophisches Charakteristikum an. Noch beliebter sind p3b_062.019
bei ihnen wegen leichter Handhabung die jambischen Viertakter. Der p3b_062.020
Lernende thut gut daran, bei denselben die gereimte Zeile je um p3b_062.021
1 ganzen oder ½ Takt zu verkürzen, weil dadurch der Abschluß markanter p3b_062.022
wird.
p3b_062.023
Aufgabe 1. Männlicher Reim. Nachstehender Stoff soll in p3b_062.024
jambischen Dreitaktern gegeben werden, von denen je die geraden, p3b_062.025
reimlosen hyperkatalektisch (⏑ – ⏑ – ⏑ – │ ⏑) sein mögen, während p3b_062.026
die gereimten akatalektisch sind.
p3b_062.027
Liebesahnung.
p3b_062.028
Stoff.
p3b_062.029
Wohl schmücket unsere Jugend │ p3b_062.030
manch schöner Kranz; │ ein sonniger p3b_062.031
Äther │ beglänzt sie, │ ein warmer p3b_062.032
Mai │ bringt Blumen │ und frohe p3b_062.033
Lieder. │ Doch um Eines │ ist sie besonders p3b_062.034
zu beneiden: │ es sind nicht p3b_062.035
die roten Wangen │ und nicht das p3b_062.036
rasche Blut, │
p3b_062.101
Lösung. Von Franz v. Kobell.
p3b_062.102
Wohl schmückt die schöne Jugend p3b_062.103
So mancher grüne Kranz, p3b_062.104
Ein sonnigheller Äther p3b_062.105
Weht drüber seinen Glanz, p3b_062.106
Ein duftig warmer Maien p3b_062.107
Bringt seines Gartens Zier, p3b_062.108
Bringt farbig frische Blumen, p3b_062.109
Bringt frohe Lieder ihr; p3b_062.110
Doch Eines ist vor allen p3b_062.111
Jhr neidenswertes Gut, p3b_062.112
Die Blüte nicht der Wangen p3b_062.113
Und nicht das rasche Blut:
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |