Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_025.001 p3b_025.008 Lösung. Von Em. Geibel. p3b_025.022Jn der Schwester Haus nach langer Jrrfahrt p3b_025.023 p3b_025.032Trat ich ein; da hört' ich's drinnen jauchzen p3b_025.024 Hell von unbekannten Kinderstimmen. p3b_025.025 Sieh', und im Gemach, in das der Abend p3b_025.026 Golden flutete durch schattend Weinlaub, p3b_025.027 Sah ich wohlgemut die Kleinen spielen, p3b_025.028 Sieben an der Zahl. Die blonden Häupter p3b_025.029 Tummelten im reichergoßnen Schimmer p3b_025.030 Froh umher, und wie die Rosen blühten p3b_025.031 Jhre Wangen von gesunder Frische. Ach, sie alle waren nicht geboren, p3b_025.033
Als ich auszog, durch die Welt zu schweifen, p3b_025.034 Selbst die Namen wußt' ich kaum zu nennen. p3b_025.035 Still verwundert drum mit großen Augen p3b_025.036 Schauten sie mich an, das Spiel verstummte, p3b_025.037 Und die Älteste, mir schüchtern nahend, p3b_025.038 Fragte mit der Mutter Ton: wer bist du? p3b_025.039 Doch da kam die Schwester. Jn die Arme p3b_025.040 Sank ich ihr, und dann voll Wonne zeigte p3b_025.041 Sie die Kinder mir, den Schatz des Hauses, p3b_025.042 Der so lieblich sich gemehrt, und zeigte p3b_025.043 Dann den heimgekehrten Ohm den Kindern. p3b_025.001 p3b_025.008 Lösung. Von Em. Geibel. p3b_025.022Jn der Schwester Haus nach langer Jrrfahrt p3b_025.023 p3b_025.032Trat ich ein; da hört' ich's drinnen jauchzen p3b_025.024 Hell von unbekannten Kinderstimmen. p3b_025.025 Sieh', und im Gemach, in das der Abend p3b_025.026 Golden flutete durch schattend Weinlaub, p3b_025.027 Sah ich wohlgemut die Kleinen spielen, p3b_025.028 Sieben an der Zahl. Die blonden Häupter p3b_025.029 Tummelten im reichergoßnen Schimmer p3b_025.030 Froh umher, und wie die Rosen blühten p3b_025.031 Jhre Wangen von gesunder Frische. Ach, sie alle waren nicht geboren, p3b_025.033
Als ich auszog, durch die Welt zu schweifen, p3b_025.034 Selbst die Namen wußt' ich kaum zu nennen. p3b_025.035 Still verwundert drum mit großen Augen p3b_025.036 Schauten sie mich an, das Spiel verstummte, p3b_025.037 Und die Älteste, mir schüchtern nahend, p3b_025.038 Fragte mit der Mutter Ton: wer bist du? p3b_025.039 Doch da kam die Schwester. Jn die Arme p3b_025.040 Sank ich ihr, und dann voll Wonne zeigte p3b_025.041 Sie die Kinder mir, den Schatz des Hauses, p3b_025.042 Der so lieblich sich gemehrt, und zeigte p3b_025.043 Dann den heimgekehrten Ohm den Kindern. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0051" n="25"/><lb n="p3b_025.001"/> fragte mit dem Tone der Mutter: Wer bist du? │ Da nahte auch schon <lb n="p3b_025.002"/> die Schwester. Jch sank ihr │ in die Arme. Dann zeigte sie mir voll <lb n="p3b_025.003"/> Wonne │ ihre Kinder, des Hauses Schatz, │ der sich so lieblich gemehret; dann <lb n="p3b_025.004"/> nannte sie │ den heimgekehrten Onkel den Kindern. │ Nun entstand ein großer <lb n="p3b_025.005"/> Jubel. │ Die entschlossenen Buben kletterten an mir empor, │ um mich zu küssen; <lb n="p3b_025.006"/> die Mädchen bogen │ mein Haupt herab; und selbst das Kleinste, das sich erst <lb n="p3b_025.007"/> vor meinem Bart gescheut hatte, │ langte mit den Händchen nach mir.</p> <p><lb n="p3b_025.008"/> Wie wohl ward mir's, so ganz umschlungen │ und umrankt vom frischen <lb n="p3b_025.009"/> jungen Leben, │ das mich wie eine Bienentraube am Bienenstocke │ umhing und <lb n="p3b_025.010"/> mich nach tausend Wundern fragte. │ Aber ein leiser Wehmutshauch │ ging mir <lb n="p3b_025.011"/> doch durchs Herz, denn diese Küsse │ und Fragen, die rings auf mich einstürmten, <lb n="p3b_025.012"/> │ mahnten mich zugleich: Soviel Schritte │ diese Kinder ins Leben thaten, <lb n="p3b_025.013"/> so viel Schritte │ bist auch du dem Tode zugeschritten, │ und täglich rascher reift <lb n="p3b_025.014"/> in ihnen │ das Geschlecht, welches dereinst über deinem Grabe │ wandeln <lb n="p3b_025.015"/> soll, um selig zu sein oder zu weinen. │ Und ich legte meine Hände wie <lb n="p3b_025.016"/> segnend │ auf ihr Haupt und dachte still bei mir: │ Seid mir gegrüßt, ihr holden <lb n="p3b_025.017"/> Todesboten, │ ich danke euch, daß ihr so lieblich │ den ernsten Gruß an mich <lb n="p3b_025.018"/> bestellt habt. │ Wachset freudig auf zu vollem Leben, │ daß, wenn ich einst dahin <lb n="p3b_025.019"/> sein werde, │ ihr mit euren Brüdern vollenden könnt, │ was ich und mein <lb n="p3b_025.020"/> Geschlecht nicht vermochte.</p> <lb n="p3b_025.021"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Lösung. Von Em. Geibel.</hi> </hi> </p> <lb n="p3b_025.022"/> <lg> <l>Jn der Schwester Haus nach langer Jrrfahrt</l> <lb n="p3b_025.023"/> <l>Trat ich ein; da hört' ich's drinnen jauchzen</l> <lb n="p3b_025.024"/> <l>Hell von unbekannten Kinderstimmen.</l> <lb n="p3b_025.025"/> <l>Sieh', und im Gemach, in das der Abend</l> <lb n="p3b_025.026"/> <l>Golden flutete durch schattend Weinlaub,</l> <lb n="p3b_025.027"/> <l>Sah ich wohlgemut die Kleinen spielen,</l> <lb n="p3b_025.028"/> <l>Sieben an der Zahl. Die blonden Häupter</l> <lb n="p3b_025.029"/> <l>Tummelten im reichergoßnen Schimmer</l> <lb n="p3b_025.030"/> <l>Froh umher, und wie die Rosen blühten</l> <lb n="p3b_025.031"/> <l>Jhre Wangen von gesunder Frische. </l> </lg> <lb n="p3b_025.032"/> <lg> <l>Ach, sie alle waren nicht geboren,</l> <lb n="p3b_025.033"/> <l>Als ich auszog, durch die Welt zu schweifen,</l> <lb n="p3b_025.034"/> <l>Selbst die Namen wußt' ich kaum zu nennen.</l> <lb n="p3b_025.035"/> <l>Still verwundert drum mit großen Augen</l> <lb n="p3b_025.036"/> <l>Schauten sie mich an, das Spiel verstummte,</l> <lb n="p3b_025.037"/> <l>Und die Älteste, mir schüchtern nahend,</l> <lb n="p3b_025.038"/> <l>Fragte mit der Mutter Ton: wer bist du?</l> <lb n="p3b_025.039"/> <l>Doch da kam die Schwester. Jn die Arme</l> <lb n="p3b_025.040"/> <l>Sank ich ihr, und dann voll Wonne zeigte</l> <lb n="p3b_025.041"/> <l>Sie die Kinder mir, den Schatz des Hauses,</l> <lb n="p3b_025.042"/> <l>Der so lieblich sich gemehrt, und zeigte</l> <lb n="p3b_025.043"/> <l>Dann den heimgekehrten Ohm den Kindern.</l> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [25/0051]
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fragte mit dem Tone der Mutter: Wer bist du? │ Da nahte auch schon p3b_025.002
die Schwester. Jch sank ihr │ in die Arme. Dann zeigte sie mir voll p3b_025.003
Wonne │ ihre Kinder, des Hauses Schatz, │ der sich so lieblich gemehret; dann p3b_025.004
nannte sie │ den heimgekehrten Onkel den Kindern. │ Nun entstand ein großer p3b_025.005
Jubel. │ Die entschlossenen Buben kletterten an mir empor, │ um mich zu küssen; p3b_025.006
die Mädchen bogen │ mein Haupt herab; und selbst das Kleinste, das sich erst p3b_025.007
vor meinem Bart gescheut hatte, │ langte mit den Händchen nach mir.
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Wie wohl ward mir's, so ganz umschlungen │ und umrankt vom frischen p3b_025.009
jungen Leben, │ das mich wie eine Bienentraube am Bienenstocke │ umhing und p3b_025.010
mich nach tausend Wundern fragte. │ Aber ein leiser Wehmutshauch │ ging mir p3b_025.011
doch durchs Herz, denn diese Küsse │ und Fragen, die rings auf mich einstürmten, p3b_025.012
│ mahnten mich zugleich: Soviel Schritte │ diese Kinder ins Leben thaten, p3b_025.013
so viel Schritte │ bist auch du dem Tode zugeschritten, │ und täglich rascher reift p3b_025.014
in ihnen │ das Geschlecht, welches dereinst über deinem Grabe │ wandeln p3b_025.015
soll, um selig zu sein oder zu weinen. │ Und ich legte meine Hände wie p3b_025.016
segnend │ auf ihr Haupt und dachte still bei mir: │ Seid mir gegrüßt, ihr holden p3b_025.017
Todesboten, │ ich danke euch, daß ihr so lieblich │ den ernsten Gruß an mich p3b_025.018
bestellt habt. │ Wachset freudig auf zu vollem Leben, │ daß, wenn ich einst dahin p3b_025.019
sein werde, │ ihr mit euren Brüdern vollenden könnt, │ was ich und mein p3b_025.020
Geschlecht nicht vermochte.
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Lösung. Von Em. Geibel.
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Jn der Schwester Haus nach langer Jrrfahrt p3b_025.023
Trat ich ein; da hört' ich's drinnen jauchzen p3b_025.024
Hell von unbekannten Kinderstimmen. p3b_025.025
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Golden flutete durch schattend Weinlaub, p3b_025.027
Sah ich wohlgemut die Kleinen spielen, p3b_025.028
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Froh umher, und wie die Rosen blühten p3b_025.031
Jhre Wangen von gesunder Frische.
p3b_025.032
Ach, sie alle waren nicht geboren, p3b_025.033
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Sie die Kinder mir, den Schatz des Hauses, p3b_025.042
Der so lieblich sich gemehrt, und zeigte p3b_025.043
Dann den heimgekehrten Ohm den Kindern.
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