Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_022.001 p3b_022.004 p3b_022.015 p3b_022.017 "Jn jenen widersinnigen p3b_022.024 Hiatusreichen Halbtrochä'n, die jeder kennt, p3b_022.025 Wo bald ein Reim sich findet, bald auch wieder nicht, p3b_022.026 Bricht unser Missionarius den Geist heraus, p3b_022.027 Versteht sich, bloß den müllnerischen &c." p3b_022.028 Nicht die Halbtrochä'n verdienen's: p3b_022.031 Stellt sie nur auf richt'ge Füße, p3b_022.032 Wahrt sie vor'm Hiatenballast, p3b_022.033 Vor Spondeen-Überfrachtung, p3b_022.034 Und von Harmonie gebändigt, p3b_022.035 Wandelt leicht der feste Schritt." p3b_022.036 [Beginn Spaltensatz] Stoff. p3b_022.039 Lösung. Von Herder. p3b_022.102 p3b_022.001 p3b_022.004 p3b_022.015 p3b_022.017 „Jn jenen widersinnigen p3b_022.024 Hiatusreichen Halbtrochä'n, die jeder kennt, p3b_022.025 Wo bald ein Reim sich findet, bald auch wieder nicht, p3b_022.026 Bricht unser Missionarius den Geist heraus, p3b_022.027 Versteht sich, bloß den müllnerischen &c.“ p3b_022.028 Nicht die Halbtrochä'n verdienen's: p3b_022.031 Stellt sie nur auf richt'ge Füße, p3b_022.032 Wahrt sie vor'm Hiatenballast, p3b_022.033 Vor Spondeen-Überfrachtung, p3b_022.034 Und von Harmonie gebändigt, p3b_022.035 Wandelt leicht der feste Schritt.“ p3b_022.036 [Beginn Spaltensatz] Stoff. p3b_022.039 Lösung. Von Herder. p3b_022.102 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0048" n="22"/> <p><lb n="p3b_022.001"/> 4. Die bequemste Form ist der akatalektische und der katalektische <lb n="p3b_022.002"/> ungereimte trochäische Viertakter, auf die wir uns fürs erste beschränken.</p> <lb n="p3b_022.003"/> <p><lb n="p3b_022.004"/> 5. Für lebhafte Aktion paßt dieses Versmaß mit seiner sinkenden <lb n="p3b_022.005"/> Tendenz nur dann, wenn die Satztakte von Takt zu Takt übergreifen <lb n="p3b_022.006"/> und Cäsuren ergeben. Bei geschickter Bauart kann dieser Vers als <lb n="p3b_022.007"/> lyrischer, folglich auch als dramatischer Vers auftreten und fliegen <lb n="p3b_022.008"/> und fortreißen. Wir empfehlen ihn nicht, weil ihn unsere Schauspieler <lb n="p3b_022.009"/> nicht sprechen können, und weil er unsere Dichter häufig zum Rhetorischen <lb n="p3b_022.010"/> und Bombastischen verleitet. Er eignet sich besonders zu <lb n="p3b_022.011"/> leichten, humoristischen, geistreichen poetischen Erzählungen und Romanzen <lb n="p3b_022.012"/> und zu kleinen epischen Gedichten elegischer Natur. (Jn einigen <lb n="p3b_022.013"/> poetischen Erzählungen [z. B. Heines] nimmt er sich freilich höchst <lb n="p3b_022.014"/> langweilig aus.)</p> <p><lb n="p3b_022.015"/> 6. Da viele trochäische Satztakte mit Vokalen endigen, so liegt <lb n="p3b_022.016"/> die Gefahr der Hiate nahe, die zu vermeiden sind.</p> <p><lb n="p3b_022.017"/> 7. Allzuviele Spondeen dem Verse einzufügen, würde den trochäischen <lb n="p3b_022.018"/> Rhythmus beeinträchtigen und dem Verse ein schweres Gepräge verleihen. <lb n="p3b_022.019"/> Platen vervehmt die trochäischen Viertakter (oder Halbtrochäen, <lb n="p3b_022.020"/> wie er sie im Hinblick auf den nach Dipodien gemessenen antiken Tetrameter <lb n="p3b_022.021"/> [Achttakter] nennt), indem er (Ges. Werke <hi rendition="#aq">IV</hi>, 77. Ausg. 1854) <lb n="p3b_022.022"/> im Unmut über Müllners „Schuld“ sich also vernehmen läßt:</p> <lb n="p3b_022.023"/> <lg> <l> „Jn jenen widersinnigen</l> <lb n="p3b_022.024"/> <l>Hiatusreichen Halbtrochä'n, die jeder kennt,</l> <lb n="p3b_022.025"/> <l>Wo bald ein Reim sich findet, bald auch wieder nicht,</l> <lb n="p3b_022.026"/> <l>Bricht unser Missionarius den Geist heraus,</l> <lb n="p3b_022.027"/> <l>Versteht sich, bloß den müllnerischen &c.“</l> </lg> <p><lb n="p3b_022.028"/> Mit Recht bekämpft G. von Vincke Platens Anschauung, indem <lb n="p3b_022.029"/> er (in seinem „kleinen Sündenregister“ S. 44, 1882) pathetisch ausruft:</p> <lb n="p3b_022.030"/> <lg> <l>Nicht die Halbtrochä'n verdienen's:</l> <lb n="p3b_022.031"/> <l>Stellt sie nur auf richt'ge Füße,</l> <lb n="p3b_022.032"/> <l>Wahrt sie vor'm Hiatenballast,</l> <lb n="p3b_022.033"/> <l>Vor Spondeen-Überfrachtung,</l> <lb n="p3b_022.034"/> <l>Und von Harmonie gebändigt,</l> <lb n="p3b_022.035"/> <l>Wandelt leicht der feste Schritt.“</l> </lg> <p> <lb n="p3b_022.036"/> <hi rendition="#g">Aufgabe. 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4. Die bequemste Form ist der akatalektische und der katalektische p3b_022.002
ungereimte trochäische Viertakter, auf die wir uns fürs erste beschränken.
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5. Für lebhafte Aktion paßt dieses Versmaß mit seiner sinkenden p3b_022.005
Tendenz nur dann, wenn die Satztakte von Takt zu Takt übergreifen p3b_022.006
und Cäsuren ergeben. Bei geschickter Bauart kann dieser Vers als p3b_022.007
lyrischer, folglich auch als dramatischer Vers auftreten und fliegen p3b_022.008
und fortreißen. Wir empfehlen ihn nicht, weil ihn unsere Schauspieler p3b_022.009
nicht sprechen können, und weil er unsere Dichter häufig zum Rhetorischen p3b_022.010
und Bombastischen verleitet. Er eignet sich besonders zu p3b_022.011
leichten, humoristischen, geistreichen poetischen Erzählungen und Romanzen p3b_022.012
und zu kleinen epischen Gedichten elegischer Natur. (Jn einigen p3b_022.013
poetischen Erzählungen [z. B. Heines] nimmt er sich freilich höchst p3b_022.014
langweilig aus.)
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6. Da viele trochäische Satztakte mit Vokalen endigen, so liegt p3b_022.016
die Gefahr der Hiate nahe, die zu vermeiden sind.
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7. Allzuviele Spondeen dem Verse einzufügen, würde den trochäischen p3b_022.018
Rhythmus beeinträchtigen und dem Verse ein schweres Gepräge verleihen. p3b_022.019
Platen vervehmt die trochäischen Viertakter (oder Halbtrochäen, p3b_022.020
wie er sie im Hinblick auf den nach Dipodien gemessenen antiken Tetrameter p3b_022.021
[Achttakter] nennt), indem er (Ges. Werke IV, 77. Ausg. 1854) p3b_022.022
im Unmut über Müllners „Schuld“ sich also vernehmen läßt:
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Versteht sich, bloß den müllnerischen &c.“
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Mit Recht bekämpft G. von Vincke Platens Anschauung, indem p3b_022.029
er (in seinem „kleinen Sündenregister“ S. 44, 1882) pathetisch ausruft:
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Nicht die Halbtrochä'n verdienen's: p3b_022.031
Stellt sie nur auf richt'ge Füße, p3b_022.032
Wahrt sie vor'm Hiatenballast, p3b_022.033
Vor Spondeen-Überfrachtung, p3b_022.034
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Wandelt leicht der feste Schritt.“
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Aufgabe. Der nachstehende Stoff soll in ungereimten trochäischen p3b_022.037
Viertaktern wiedergegeben werden.
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Einen Tag vor seinem Tode ließ p3b_022.040
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