Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_011.001 Voll Nötigkeiten zieht der Knabe fort. p3b_011.002 Du siehst ihm weinend nach, bis er verschwindet, p3b_011.003 Und nimmer wird er wieder dein! Er kehrt p3b_011.004 Zurück, er liebt, er wählt der Jungfrau'n eine, p3b_011.005 Er lebt. Sie leben, Andre leben auf p3b_011.006 Aus ihm - du hast nun einen Mann an ihm, p3b_011.007 Hast einen Menschen - aber mehr kein Kind! p3b_011.008 Die Tochter bringt vermählt dir ihre Kinder p3b_011.009 Aus Freude gern noch manchmal in dein Haus! p3b_011.010 Du hast die Mutter, aber mehr kein Kind! p3b_011.011 Geh' fleißig um mit deinen Kindern! Habe p3b_011.012 Sie Tag und Nacht um dich, und liebe sie, p3b_011.013 Und laß dich lieben einzig schöne Jahre. p3b_011.014 Stoff. p3b_011.019Leopold. Hoheit, der Krieg, der viele rauh macht, - mich hat er weicher p3b_011.020 Fürstin (bewegt). Sie dürfen es, Leopold. Der Himmel hat Sie mir gerade p3b_011.030 Leopold (auffahrend). Das wagte man gegen die Fürstin! Man täuschte Sie p3b_011.034 (Wüster Lärm.) p3b_011.036 Lösung. p3b_011.038Leopold. Der Krieg, der rauhe Herzen schafft, hat mich p3b_011.039
So weich gestimmt, wie niemals ich's geahnt. p3b_011.040 Wie oft empfand ich doch in Feindesland p3b_011.041 Die ganze Pein des Worts: Verlassensein! p3b_011.001 Voll Nötigkeiten zieht der Knabe fort. p3b_011.002 Du siehst ihm weinend nach, bis er verschwindet, p3b_011.003 Und nimmer wird er wieder dein! Er kehrt p3b_011.004 Zurück, er liebt, er wählt der Jungfrau'n eine, p3b_011.005 Er lebt. Sie leben, Andre leben auf p3b_011.006 Aus ihm ─ du hast nun einen Mann an ihm, p3b_011.007 Hast einen Menschen ─ aber mehr kein Kind! p3b_011.008 Die Tochter bringt vermählt dir ihre Kinder p3b_011.009 Aus Freude gern noch manchmal in dein Haus! p3b_011.010 Du hast die Mutter, aber mehr kein Kind! p3b_011.011 Geh' fleißig um mit deinen Kindern! Habe p3b_011.012 Sie Tag und Nacht um dich, und liebe sie, p3b_011.013 Und laß dich lieben einzig schöne Jahre. p3b_011.014 Stoff. p3b_011.019Leopold. Hoheit, der Krieg, der viele rauh macht, ─ mich hat er weicher p3b_011.020 Fürstin (bewegt). Sie dürfen es, Leopold. Der Himmel hat Sie mir gerade p3b_011.030 Leopold (auffahrend). Das wagte man gegen die Fürstin! Man täuschte Sie p3b_011.034 (Wüster Lärm.) p3b_011.036 Lösung. p3b_011.038Leopold. Der Krieg, der rauhe Herzen schafft, hat mich p3b_011.039
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Zurück, er liebt, er wählt der Jungfrau'n eine, p3b_011.005
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Geh' fleißig um mit deinen Kindern! Habe p3b_011.012
Sie Tag und Nacht um dich, und liebe sie, p3b_011.013
Und laß dich lieben einzig schöne Jahre.
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Aufgabe 2. Eine kurze Scene aus einem Drama des Verfassers p3b_011.015
(„Der geräuschlose Feldzug“ 1874. 2. Aufl.) soll in jambische p3b_011.016
Quinare umgewandelt werden. (Weiteres Material zur p3b_011.017
Erlangung größtmöglicher Übung bietet jedes Prosadrama.)
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Stoff.
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Leopold. Hoheit, der Krieg, der viele rauh macht, ─ mich hat er weicher p3b_011.020
gestimmt, als je. Jn Feindesland empfand ich oft ein Verlassensein, p3b_011.021
das ich zuvor nie kannte. Die Sehnsucht zog mich zurück in Jhre stille, p3b_011.022
idyllische Residenz, wo mir ein Stern aufgegangen war von ewigem, p3b_011.023
mildem Glanze, der meine Hoffnung wurde bei Sieg und bei Gefahr. Jhre p3b_011.024
Briefe, Hoheit, die früheren Zeichen Jhrer hohen Gunst, beglückten mich, p3b_011.025
wie mich der Ausruf ermuthigte, mit dem Sie mich empfingen. Geliebte p3b_011.026
Fürstin, bin ich Jhnen wirklich teuer? Darf ich kühn mein Auge mit p3b_011.027
der Frage erheben, die der Mann im Leben nur einmal an das Weib p3b_011.028
seiner Liebe richtet? (Tumult unten.)
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Fürstin (bewegt). Sie dürfen es, Leopold. Der Himmel hat Sie mir gerade p3b_011.030
in der schweren Stunde wiedergeschenkt, wo ich Jhren Tod so innig beweinte, p3b_011.031
wo schon die schwarze Rotte ihre Hand ausstreckte ─ nach p3b_011.032
meiner Ehre und meines Landes Freiheit!
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Leopold (auffahrend). Das wagte man gegen die Fürstin! Man täuschte Sie p3b_011.034
sogar mit meinem Tode?! (Geschrei unten.) „Nieder mit den Jesuiten!!“
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Fürstin. Gerechter Gott! Was geht in der Stadt vor?
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Leopold.
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Wie oft empfand ich doch in Feindesland p3b_011.041
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Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/37>, abgerufen am 16.07.2024. |