Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_266.001 p3b_266.003 p3b_266.004 p3b_266.005 p3b_266.006 p3b_266.007 § 94. I. Feile einzelner Verse und Strophen. p3b_266.008a. Schiller. p3b_266.009Aus: "Die Jdeale". p3b_266.010[Beginn Spaltensatz] Ursprüngliche Fassung. p3b_266.011Erloschen sind die heitern Sonnen p3b_266.012 [Spaltenumbruch]
p3b_266.101Die meiner Jugend Pfad erhellt, p3b_266.013 Die Jdeale sind zerronnen p3b_266.014 Die einst das trunkne Herz geschwellt; p3b_266.015 Die schöne Frucht, die kaum zu keimen p3b_266.016 Begann, da liegt sie schon erstarrt. p3b_266.017 Mich weckt aus meinen frohen Träumen p3b_266.018 Mit rauhem Arm die Gegenwart. p3b_266.019 Die Wirklichkeit mit ihren Schranken p3b_266.020 Umlagert den gebundnen Geist; p3b_266.021 Sie stürzt, die Schöpfung der Gedanken, p3b_266.022 Der Dichtung schöner Flor zerreißt. p3b_266.023 So schlang ich mich mit Liebesarmen p3b_266.024 Um die Natur mit Jugendlust, p3b_266.025 Bis sie zu atmen, zu erwarmen p3b_266.026 Begann an meiner Dichterbrust. Verbesserung und Feile Schillers. p3b_266.102Er ist dahin, der süße Glaube p3b_266.103 p3b_266.106An Wesen, die mein Traum gebar, p3b_266.104 Der rauhen Wirklichkeit zum Raube p3b_266.105 Was einst so schön, so göttlich war. Wie einst mit flehendem Verlangen p3b_266.107 [Ende Spaltensatz]
Pygmalion den Stein umschloß, p3b_266.108 Bis in des Marmors kalte Wangen p3b_266.109 Empfindung glühend sich ergoß, p3b_266.110 p3b_266.111 p3b_266.001 p3b_266.003 p3b_266.004 p3b_266.005 p3b_266.006 p3b_266.007 § 94. I. Feile einzelner Verse und Strophen. p3b_266.008a. Schiller. p3b_266.009Aus: „Die Jdeale“. p3b_266.010[Beginn Spaltensatz] Ursprüngliche Fassung. p3b_266.011Erloschen sind die heitern Sonnen p3b_266.012 [Spaltenumbruch]
p3b_266.101Die meiner Jugend Pfad erhellt, p3b_266.013 Die Jdeale sind zerronnen p3b_266.014 Die einst das trunkne Herz geschwellt; p3b_266.015 Die schöne Frucht, die kaum zu keimen p3b_266.016 Begann, da liegt sie schon erstarrt. p3b_266.017 Mich weckt aus meinen frohen Träumen p3b_266.018 Mit rauhem Arm die Gegenwart. p3b_266.019 Die Wirklichkeit mit ihren Schranken p3b_266.020 Umlagert den gebundnen Geist; p3b_266.021 Sie stürzt, die Schöpfung der Gedanken, p3b_266.022 Der Dichtung schöner Flor zerreißt. p3b_266.023 So schlang ich mich mit Liebesarmen p3b_266.024 Um die Natur mit Jugendlust, p3b_266.025 Bis sie zu atmen, zu erwarmen p3b_266.026 Begann an meiner Dichterbrust. Verbesserung und Feile Schillers. p3b_266.102Er ist dahin, der süße Glaube p3b_266.103 p3b_266.106An Wesen, die mein Traum gebar, p3b_266.104 Der rauhen Wirklichkeit zum Raube p3b_266.105 Was einst so schön, so göttlich war. Wie einst mit flehendem Verlangen p3b_266.107 [Ende Spaltensatz]
Pygmalion den Stein umschloß, p3b_266.108 Bis in des Marmors kalte Wangen p3b_266.109 Empfindung glühend sich ergoß, p3b_266.110 p3b_266.111 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0292" n="266"/> <p><lb n="p3b_266.001"/> 2. Zugleich suchen wir die Methode der Feile zu zeigen und die praktische <lb n="p3b_266.002"/> Anleitung zu derselben zu bieten.</p> <p><lb n="p3b_266.003"/> 3. Jn systematischer Folge führen wir demnach an den besten Beispielen vor:</p> <p> <lb n="p3b_266.004"/> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">I</hi>. Die Feile an einzelnen Versen und Strophen;</hi> </p> <p> <lb n="p3b_266.005"/> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">II</hi>. Die Feile in Überarbeitung ganzer eigener Gedichte;</hi> </p> <p> <lb n="p3b_266.006"/> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">III</hi>. Die Feile in Überarbeitung fremder Schöpfungen.</hi> </p> </div> <div n="2"> <lb n="p3b_266.007"/> <p> <hi rendition="#c">§ 94. <hi rendition="#aq">I</hi>. Feile einzelner Verse und Strophen.</hi> </p> <lb n="p3b_266.008"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">a</hi>. Schiller.</hi> </head> <lb n="p3b_266.009"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Aus:</hi> „<hi rendition="#g">Die Jdeale</hi>“.</hi> </p> <lb n="p3b_266.010"/> <cb type="start"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Ursprüngliche Fassung.</hi> </hi> </p> <lb n="p3b_266.011"/> <lg> <l>Erloschen sind die heitern Sonnen</l> <lb n="p3b_266.012"/> <l>Die meiner Jugend Pfad erhellt,</l> <lb n="p3b_266.013"/> <l>Die Jdeale sind zerronnen</l> <lb n="p3b_266.014"/> <l>Die einst das trunkne Herz geschwellt;</l> <lb n="p3b_266.015"/> <l> <hi rendition="#u">Die schöne Frucht, die kaum zu keimen</hi> </l> <lb n="p3b_266.016"/> <l> <hi rendition="#u">Begann, da liegt sie schon erstarrt.</hi> </l> <lb n="p3b_266.017"/> <l> <hi rendition="#u">Mich weckt aus meinen frohen Träumen</hi> </l> <lb n="p3b_266.018"/> <l> <hi rendition="#u">Mit rauhem Arm die Gegenwart.</hi> </l> <lb n="p3b_266.019"/> <l> <hi rendition="#u">Die Wirklichkeit mit ihren Schranken</hi> </l> <lb n="p3b_266.020"/> <l> <hi rendition="#u">Umlagert den gebundnen Geist;</hi> </l> <lb n="p3b_266.021"/> <l> <hi rendition="#u">Sie stürzt, die Schöpfung der Gedanken,</hi> </l> <lb n="p3b_266.022"/> <l> <hi rendition="#u">Der Dichtung schöner Flor zerreißt.</hi> </l> <lb n="p3b_266.023"/> <l>So schlang ich mich mit Liebesarmen</l> <lb n="p3b_266.024"/> <l>Um die Natur mit Jugendlust,</l> <lb n="p3b_266.025"/> <l>Bis sie zu atmen, zu erwarmen</l> <lb n="p3b_266.026"/> <l>Begann an meiner Dichterbrust.</l> </lg> <cb/> <lb n="p3b_266.101"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Verbesserung und Feile Schillers.</hi> </hi> </p> <lb n="p3b_266.102"/> <lg> <l>Er ist dahin, der süße Glaube</l> <lb n="p3b_266.103"/> <l>An Wesen, die mein Traum gebar,</l> <lb n="p3b_266.104"/> <l>Der rauhen Wirklichkeit zum Raube</l> <lb n="p3b_266.105"/> <l>Was einst so schön, so göttlich war. </l> </lg> <lb n="p3b_266.106"/> <lg> <l>Wie einst mit flehendem Verlangen</l> <lb n="p3b_266.107"/> <l>Pygmalion den Stein umschloß,</l> <lb n="p3b_266.108"/> <l>Bis in des Marmors kalte Wangen</l> <lb n="p3b_266.109"/> <l>Empfindung glühend sich ergoß,</l> </lg> <cb type="end"/> <p><lb n="p3b_266.110"/> Beleuchtung einzelner Momente der Feile.</p> <p><lb n="p3b_266.111"/> Durch die bessernde Feile haben diese Strophen viel gewonnen. Wenn <lb n="p3b_266.112"/> in der ersten Fassung die beiden Bilder der Verse 5─8 auseinanderfallen <lb n="p3b_266.113"/> und die Verse 9─12 wenig mehr sind als die Erklärung der vorhergehenden <lb n="p3b_266.114"/> 4 Verse, so nimmt der Dichter in der zweiten Bearbeitung die Verse 5─12 <lb n="p3b_266.115"/> der ersten Fassung in 4 Verse zusammen, um hierdurch die erste Strophe inhaltlich <lb n="p3b_266.116"/> abzuschließen. Sodann beginnt er die zweite Strophe mit einem neuen <lb n="p3b_266.117"/> Bilde, welches die Schlußverse der 2. Strophe zur schönen Geltung kommen <lb n="p3b_266.118"/> läßt und der Strophe selbst durch die Einheit des Bildes einen harmonischen <lb n="p3b_266.119"/> Abschluß verleiht.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [266/0292]
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2. Zugleich suchen wir die Methode der Feile zu zeigen und die praktische p3b_266.002
Anleitung zu derselben zu bieten.
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3. Jn systematischer Folge führen wir demnach an den besten Beispielen vor:
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I. Die Feile an einzelnen Versen und Strophen;
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II. Die Feile in Überarbeitung ganzer eigener Gedichte;
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III. Die Feile in Überarbeitung fremder Schöpfungen.
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§ 94. I. Feile einzelner Verse und Strophen.
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a. Schiller. p3b_266.009
Aus: „Die Jdeale“.
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Ursprüngliche Fassung.
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Erloschen sind die heitern Sonnen p3b_266.012
Die meiner Jugend Pfad erhellt, p3b_266.013
Die Jdeale sind zerronnen p3b_266.014
Die einst das trunkne Herz geschwellt; p3b_266.015
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Begann, da liegt sie schon erstarrt. p3b_266.017
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Mit rauhem Arm die Gegenwart. p3b_266.019
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Umlagert den gebundnen Geist; p3b_266.021
Sie stürzt, die Schöpfung der Gedanken, p3b_266.022
Der Dichtung schöner Flor zerreißt. p3b_266.023
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Um die Natur mit Jugendlust, p3b_266.025
Bis sie zu atmen, zu erwarmen p3b_266.026
Begann an meiner Dichterbrust.
p3b_266.101
Verbesserung und Feile Schillers.
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Er ist dahin, der süße Glaube p3b_266.103
An Wesen, die mein Traum gebar, p3b_266.104
Der rauhen Wirklichkeit zum Raube p3b_266.105
Was einst so schön, so göttlich war.
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Wie einst mit flehendem Verlangen p3b_266.107
Pygmalion den Stein umschloß, p3b_266.108
Bis in des Marmors kalte Wangen p3b_266.109
Empfindung glühend sich ergoß,
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Beleuchtung einzelner Momente der Feile.
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Durch die bessernde Feile haben diese Strophen viel gewonnen. Wenn p3b_266.112
in der ersten Fassung die beiden Bilder der Verse 5─8 auseinanderfallen p3b_266.113
und die Verse 9─12 wenig mehr sind als die Erklärung der vorhergehenden p3b_266.114
4 Verse, so nimmt der Dichter in der zweiten Bearbeitung die Verse 5─12 p3b_266.115
der ersten Fassung in 4 Verse zusammen, um hierdurch die erste Strophe inhaltlich p3b_266.116
abzuschließen. Sodann beginnt er die zweite Strophe mit einem neuen p3b_266.117
Bilde, welches die Schlußverse der 2. Strophe zur schönen Geltung kommen p3b_266.118
läßt und der Strophe selbst durch die Einheit des Bildes einen harmonischen p3b_266.119
Abschluß verleiht.
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Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/292>, abgerufen am 17.07.2024. |