Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_231.001 Wandle, so viel herzogen mit Atreus' Söhnen vor Troja! p3b_231.002 Nie drum nenne dein Mund die Könige vor der Versammlung! p3b_231.003 Nicht mit Schmähungen fahre sie an, noch laur' auf die Heimfahrt! p3b_231.004 Denn noch wissen wir nicht, wohin sich wende die Sache: p3b_231.005 Ob wir zum Glück heimkehren, wir Danaer, oder zum Unglück. p3b_231.006 Aber ich sage dir an, und das wird wahrlich vollendet! p3b_231.007 Find' ich noch einmal dich vor Wahnsinn toben, wie jetzo; p3b_231.008 Dann soll nicht dem Odysseus das Haupt noch stehn auf den Schultern, p3b_231.009 Dann soll keiner hinfort des Telemachos Vater mich nennen: p3b_231.010 Wenn nicht schnell dich ergreifend ich jedes Gewand dir entreiße, p3b_231.011 Mantel sowohl als Rock, und was die Scham dir umhüllet, p3b_231.012 Und dich Heulenden fort zu den rüstigen Schiffen entsende, p3b_231.013 Aus der Versammlung gestäupt mit schmählichen Geißelhieben! p3b_231.014 p3b_231.021 p3b_231.026 B. Übersetzungen aus der griechischen Lyrik. p3b_231.027 p3b_231.001 Wandle, so viel herzogen mit Atreus' Söhnen vor Troja! p3b_231.002 Nie drum nenne dein Mund die Könige vor der Versammlung! p3b_231.003 Nicht mit Schmähungen fahre sie an, noch laur' auf die Heimfahrt! p3b_231.004 Denn noch wissen wir nicht, wohin sich wende die Sache: p3b_231.005 Ob wir zum Glück heimkehren, wir Danaer, oder zum Unglück. p3b_231.006 Aber ich sage dir an, und das wird wahrlich vollendet! p3b_231.007 Find' ich noch einmal dich vor Wahnsinn toben, wie jetzo; p3b_231.008 Dann soll nicht dem Odysseus das Haupt noch stehn auf den Schultern, p3b_231.009 Dann soll keiner hinfort des Telemachos Vater mich nennen: p3b_231.010 Wenn nicht schnell dich ergreifend ich jedes Gewand dir entreiße, p3b_231.011 Mantel sowohl als Rock, und was die Scham dir umhüllet, p3b_231.012 Und dich Heulenden fort zu den rüstigen Schiffen entsende, p3b_231.013 Aus der Versammlung gestäupt mit schmählichen Geißelhieben! p3b_231.014 p3b_231.021 p3b_231.026 B. 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Vers 254 bis <lb n="p3b_231.018"/> 256 haben wir ausgelassen, weil schon von Aristarch verworfen. <hi rendition="#g">Jch sage <lb n="p3b_231.019"/> dir an:</hi> das <hi rendition="#g">an</hi> giebt die scharfe Drohung nicht genau wieder, welche in <lb n="p3b_231.020"/> dieser konstanten Formel steckt.</p> <p><lb n="p3b_231.021"/><foreign xml:lang="grc"/><hi rendition="#g"><foreign xml:lang="grc">φίλα</foreign></hi><foreign xml:lang="grc"/> eigentlich deine <hi rendition="#g">lieben,</hi> gewohnten Gewänder ist zum reinen <lb n="p3b_231.022"/> Possessiv geworden, kann daher auch in der wörtlichen Übertragung fallen. <lb n="p3b_231.023"/> Dich <hi rendition="#g">Heulenden</hi> ist unpassend attributiv gegeben. Die „<hi rendition="#g">rüstigen</hi>“ Schiffe <lb n="p3b_231.024"/> können wir nicht gut heißen. <hi rendition="#g">Gestäupt</hi> ist im Texte drastischer, plastischer, <lb n="p3b_231.025"/> weil aktiv gegeben. Der letzte Vers hat keinen Daktylus im vorletzten Takte.</p> </div> <div n="4"> <lb n="p3b_231.026"/> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">B</hi>. <hi rendition="#g">Übersetzungen aus der griechischen Lyrik.</hi></hi> </head> <p><lb n="p3b_231.027"/><hi rendition="#g">Vorbemerkung.</hi> An nachstehendem Beispiele zeigen wir die Übertragung <lb n="p3b_231.028"/> lyrischer Maße ins Deutsche. Der Lernende möge zur weiteren Übung die <lb n="p3b_231.029"/> Anthologie von Stoll als Stoff benutzen. Um sodann die eigenen Übungen <lb n="p3b_231.030"/> in der griechischen Lyrik erfolgreich fortzusetzen und dieselben mit guten Übertragungsmustern <lb n="p3b_231.031"/> lernend zu vergleichen, nennen wir zur Auswahl: 1. A. <hi rendition="#g">Baumstark,</hi> <lb n="p3b_231.032"/> Blüten der griechischen Dichtkunst in deutscher Nachbildung. 6 Bändchen, <lb n="p3b_231.033"/> 1841. 2. <hi rendition="#g">Friedr. Dörr,</hi> griechischer Liederschatz. Jn deutscher Nachdichtung <lb n="p3b_231.034"/> (<hi rendition="#aq">NB</hi>. mit Endreimen), 1858. 3. <hi rendition="#g">Jakob Mähly,</hi> griechische Lyriker, übersetzt <lb n="p3b_231.035"/> &c. 1883. Der Anfänger möge nicht zu schnell mit den Metren wechseln, <lb n="p3b_231.036"/> späterhin freilich mag er dieselben <hi rendition="#aq">promiscue</hi> (d. h. abwechselnd eins unter <lb n="p3b_231.037"/> dem andern vermischt, in bunter Reihe) gebrauchen. Er vergesse aber auch <lb n="p3b_231.038"/> hier nicht, daß die Grundlage seiner Arbeit die Philologie ist und bleiben muß. <lb n="p3b_231.039"/> Hat er die Verse philologisch richtig erfaßt, dann möge er als Poesie= und <lb n="p3b_231.040"/> Metrumverständiger, als Dichter auftreten.</p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [231/0257]
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Wandle, so viel herzogen mit Atreus' Söhnen vor Troja! p3b_231.002
Nie drum nenne dein Mund die Könige vor der Versammlung! p3b_231.003
Nicht mit Schmähungen fahre sie an, noch laur' auf die Heimfahrt! p3b_231.004
Denn noch wissen wir nicht, wohin sich wende die Sache: p3b_231.005
Ob wir zum Glück heimkehren, wir Danaer, oder zum Unglück. p3b_231.006
Aber ich sage dir an, und das wird wahrlich vollendet! p3b_231.007
Find' ich noch einmal dich vor Wahnsinn toben, wie jetzo; p3b_231.008
Dann soll nicht dem Odysseus das Haupt noch stehn auf den Schultern, p3b_231.009
Dann soll keiner hinfort des Telemachos Vater mich nennen: p3b_231.010
Wenn nicht schnell dich ergreifend ich jedes Gewand dir entreiße, p3b_231.011
Mantel sowohl als Rock, und was die Scham dir umhüllet, p3b_231.012
Und dich Heulenden fort zu den rüstigen Schiffen entsende, p3b_231.013
Aus der Versammlung gestäupt mit schmählichen Geißelhieben!
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Bemerkungen zu Voßens Übersetzung. Die Voßische Übersetzung p3b_231.015
ist im ganzen wörtlich und treu. ἴσχεο ist „halt an dich“, dem Sinne p3b_231.016
nach == schweige! „enthalte dich“ eigentlich wolle nicht. φημὶ heißt p3b_231.017
eigentlich sagen. σάφα wir wissen es genau, ist ausgefallen. Vers 254 bis p3b_231.018
256 haben wir ausgelassen, weil schon von Aristarch verworfen. Jch sage p3b_231.019
dir an: das an giebt die scharfe Drohung nicht genau wieder, welche in p3b_231.020
dieser konstanten Formel steckt.
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φίλα eigentlich deine lieben, gewohnten Gewänder ist zum reinen p3b_231.022
Possessiv geworden, kann daher auch in der wörtlichen Übertragung fallen. p3b_231.023
Dich Heulenden ist unpassend attributiv gegeben. Die „rüstigen“ Schiffe p3b_231.024
können wir nicht gut heißen. Gestäupt ist im Texte drastischer, plastischer, p3b_231.025
weil aktiv gegeben. Der letzte Vers hat keinen Daktylus im vorletzten Takte.
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B. Übersetzungen aus der griechischen Lyrik. p3b_231.027
Vorbemerkung. An nachstehendem Beispiele zeigen wir die Übertragung p3b_231.028
lyrischer Maße ins Deutsche. Der Lernende möge zur weiteren Übung die p3b_231.029
Anthologie von Stoll als Stoff benutzen. Um sodann die eigenen Übungen p3b_231.030
in der griechischen Lyrik erfolgreich fortzusetzen und dieselben mit guten Übertragungsmustern p3b_231.031
lernend zu vergleichen, nennen wir zur Auswahl: 1. A. Baumstark, p3b_231.032
Blüten der griechischen Dichtkunst in deutscher Nachbildung. 6 Bändchen, p3b_231.033
1841. 2. Friedr. Dörr, griechischer Liederschatz. Jn deutscher Nachdichtung p3b_231.034
(NB. mit Endreimen), 1858. 3. Jakob Mähly, griechische Lyriker, übersetzt p3b_231.035
&c. 1883. Der Anfänger möge nicht zu schnell mit den Metren wechseln, p3b_231.036
späterhin freilich mag er dieselben promiscue (d. h. abwechselnd eins unter p3b_231.037
dem andern vermischt, in bunter Reihe) gebrauchen. Er vergesse aber auch p3b_231.038
hier nicht, daß die Grundlage seiner Arbeit die Philologie ist und bleiben muß. p3b_231.039
Hat er die Verse philologisch richtig erfaßt, dann möge er als Poesie= und p3b_231.040
Metrumverständiger, als Dichter auftreten.
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