Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_219.001 p3b_219.007 § 81. Ernste Mahnung an den angehenden Dichter. p3b_219.008 p3b_219.012 p3b_219.017 a. Ein angehender Dichter soll (muß) so viel wie möglich übersetzen, p3b_219.021 b. Wenn er sich sodann daran wagt, eigene Gedanken und Gefühle p3b_219.026 c. Jn dieser Richtung ist die Übersetzung eine Vorschule der eigenen p3b_219.031 p3b_219.032 § 82. Methode und Technik der Übersetzungskunst. p3b_219.033 (An einem Beispiele nachgewiesen.) p3b_219.034 p3b_219.035 p3b_219.001 p3b_219.007 § 81. Ernste Mahnung an den angehenden Dichter. p3b_219.008 p3b_219.012 p3b_219.017 a. Ein angehender Dichter soll (muß) so viel wie möglich übersetzen, p3b_219.021 b. Wenn er sich sodann daran wagt, eigene Gedanken und Gefühle p3b_219.026 c. Jn dieser Richtung ist die Übersetzung eine Vorschule der eigenen p3b_219.031 p3b_219.032 § 82. Methode und Technik der Übersetzungskunst. p3b_219.033 (An einem Beispiele nachgewiesen.) p3b_219.034 p3b_219.035 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0245" n="219"/><lb n="p3b_219.001"/> Wortgeist und Sprachgeist erkennen. Der Übersetzer erstrebt wörtliche <lb n="p3b_219.002"/> Treue so ernst, wie ein Voß; aber ihm schwebt neben dieser Treue der Genius <lb n="p3b_219.003"/> des Wohllauts und der deutsch=klassischen Sprachweise vor; Freiligrath übersetzt <lb n="p3b_219.004"/> so, wie sein Freund Longfellow gedichtet haben würde, wenn er ein Deutscher <lb n="p3b_219.005"/> gewesen wäre. Daher liest sich seine mühe=entsprossene Übersetzung aber auch <lb n="p3b_219.006"/> wie ein Original, an welchem der Anfänger im Übersetzen sehr viel lernen kann.</p> </div> <div n="2"> <lb n="p3b_219.007"/> <head> <hi rendition="#c">§ 81. Ernste Mahnung an den angehenden Dichter.</hi> </head> <p><lb n="p3b_219.008"/> 1. <hi rendition="#g">Durch ähnliche Bearbeitungen, wie wir eine solche im</hi> § 80 <lb n="p3b_219.009"/> <hi rendition="#g">mit aller Absicht und Sorgfalt gegeben haben, sowie durch eine <lb n="p3b_219.010"/> gewissenhafte Kritik mehrerer Übersetzungen wird der Anfänger <lb n="p3b_219.011"/> viel gewinnen.</hi></p> <p><lb n="p3b_219.012"/> 2. Er wird bei verschiedenen Beispielen auch einsehen lernen, zu welch <lb n="p3b_219.013"/> armseligen Behelfen mancher Translator seither gegriffen hat, der entweder das <lb n="p3b_219.014"/> Original nicht richtig verstand oder das Deutsche nicht gründlich in der Gewalt <lb n="p3b_219.015"/> hatte, oder dem der Sinn für die Form abging, oder der zu mangelhafte <lb n="p3b_219.016"/> Kenntnis der deutschen Prosodik hatte u. s. w.</p> <p><lb n="p3b_219.017"/> 3. Der Anfänger soll die ganze Schwierigkeit ermessen, die ein jeder <lb n="p3b_219.018"/> Übersetzer vorfindet. Wir heben daher an dieser Stelle (bevor wir zu den <lb n="p3b_219.019"/> instruktiven Aufgaben übergehen) ausdrücklich hervor:</p> <lb n="p3b_219.020"/> <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">a</hi>. Ein angehender Dichter soll (muß) <hi rendition="#g">so viel wie möglich übersetzen,</hi> <lb n="p3b_219.021"/> weil er an den fremden Gedanken die fremde Empfindung <lb n="p3b_219.022"/> und die fremde Form <hi rendition="#g">festgebunden</hi> findet und ihm jede Willkür <lb n="p3b_219.023"/> unmöglich gemacht ist, wenn er seinen Zweck der treuen und natürlichen <lb n="p3b_219.024"/> Wiedergabe des fremden Gedichtes erreichen will.</hi> </p> <lb n="p3b_219.025"/> <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">b</hi>. Wenn er sich sodann daran wagt, <hi rendition="#g">eigene</hi> Gedanken und Gefühle <lb n="p3b_219.026"/> poetisch gestalten zu wollen, so wird er von selbst zu den in <lb n="p3b_219.027"/> früheren Hauptstücken dieses Bandes gegebenen strengen und kurzen <lb n="p3b_219.028"/> Formen greifen und jene dilettantischen, leichteren Strophenformen <lb n="p3b_219.029"/> vermeiden, welche die Neigung zur Willkür begünstigen.</hi> </p> <lb n="p3b_219.030"/> <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">c</hi>. Jn dieser Richtung ist die Übersetzung eine Vorschule der eigenen <lb n="p3b_219.031"/> Produktion.</hi> </p> </div> <div n="2"> <lb n="p3b_219.032"/> <head> <hi rendition="#c">§ 82. Methode und Technik der Übersetzungskunst. <lb n="p3b_219.033"/> (An einem Beispiele nachgewiesen.)</hi> </head> <p><lb n="p3b_219.034"/> 1. <hi rendition="#g">Rechtfertigung der Wahl des Beispiels</hi>.</p> <p><lb n="p3b_219.035"/> Pestalozzi, der einflußreichste Pädagog des vorigen Jahrhunderts und der <lb n="p3b_219.036"/> Begründer des heutigen Volksschul- und Erziehungswesens, lehrt, daß jede Lehrmethode <lb n="p3b_219.037"/> ihre Ausgangspunkte im <hi rendition="#g">Bekannten</hi> haben müsse. Jm Hinblick auf </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [219/0245]
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Wortgeist und Sprachgeist erkennen. Der Übersetzer erstrebt wörtliche p3b_219.002
Treue so ernst, wie ein Voß; aber ihm schwebt neben dieser Treue der Genius p3b_219.003
des Wohllauts und der deutsch=klassischen Sprachweise vor; Freiligrath übersetzt p3b_219.004
so, wie sein Freund Longfellow gedichtet haben würde, wenn er ein Deutscher p3b_219.005
gewesen wäre. Daher liest sich seine mühe=entsprossene Übersetzung aber auch p3b_219.006
wie ein Original, an welchem der Anfänger im Übersetzen sehr viel lernen kann.
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§ 81. Ernste Mahnung an den angehenden Dichter. p3b_219.008
1. Durch ähnliche Bearbeitungen, wie wir eine solche im § 80 p3b_219.009
mit aller Absicht und Sorgfalt gegeben haben, sowie durch eine p3b_219.010
gewissenhafte Kritik mehrerer Übersetzungen wird der Anfänger p3b_219.011
viel gewinnen.
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2. Er wird bei verschiedenen Beispielen auch einsehen lernen, zu welch p3b_219.013
armseligen Behelfen mancher Translator seither gegriffen hat, der entweder das p3b_219.014
Original nicht richtig verstand oder das Deutsche nicht gründlich in der Gewalt p3b_219.015
hatte, oder dem der Sinn für die Form abging, oder der zu mangelhafte p3b_219.016
Kenntnis der deutschen Prosodik hatte u. s. w.
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3. Der Anfänger soll die ganze Schwierigkeit ermessen, die ein jeder p3b_219.018
Übersetzer vorfindet. Wir heben daher an dieser Stelle (bevor wir zu den p3b_219.019
instruktiven Aufgaben übergehen) ausdrücklich hervor:
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a. Ein angehender Dichter soll (muß) so viel wie möglich übersetzen, p3b_219.021
weil er an den fremden Gedanken die fremde Empfindung p3b_219.022
und die fremde Form festgebunden findet und ihm jede Willkür p3b_219.023
unmöglich gemacht ist, wenn er seinen Zweck der treuen und natürlichen p3b_219.024
Wiedergabe des fremden Gedichtes erreichen will.
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b. Wenn er sich sodann daran wagt, eigene Gedanken und Gefühle p3b_219.026
poetisch gestalten zu wollen, so wird er von selbst zu den in p3b_219.027
früheren Hauptstücken dieses Bandes gegebenen strengen und kurzen p3b_219.028
Formen greifen und jene dilettantischen, leichteren Strophenformen p3b_219.029
vermeiden, welche die Neigung zur Willkür begünstigen.
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c. Jn dieser Richtung ist die Übersetzung eine Vorschule der eigenen p3b_219.031
Produktion.
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1. Rechtfertigung der Wahl des Beispiels.
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Pestalozzi, der einflußreichste Pädagog des vorigen Jahrhunderts und der p3b_219.036
Begründer des heutigen Volksschul- und Erziehungswesens, lehrt, daß jede Lehrmethode p3b_219.037
ihre Ausgangspunkte im Bekannten haben müsse. Jm Hinblick auf
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