Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_206.001 Damals | war Mars | Retter der | Schlacht; p3b_206.007 Herrscher im | Donnerge | wönlk Zeus &c. p3b_206.008 p3b_206.025 p3b_206.036 p3b_206.037 p3b_206.001 Dā́māls │ wā́r Mārs │ Rḗttĕr dĕr │ Schlācht; p3b_206.007 Hḗrrschĕr ĭm │ Dṓnnĕrgĕ │ wȫ́lk Zēus &c. p3b_206.008 p3b_206.025 p3b_206.036 p3b_206.037 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0232" n="206"/><lb n="p3b_206.001"/> Ḗichwāld, Klṓpstōck &c. im Vers so anwenden, daß die zweite Silbe den Jktus <lb n="p3b_206.002"/> erhält und die erste (infolge des Versrhythmus) den Accent verliert, so daß <lb n="p3b_206.003"/> Sprachton und Versrhythmus fortwährend in Kampf geraten (z. B. <foreign xml:lang="grc">ἄριστον</foreign> <lb n="p3b_206.004"/> <foreign xml:lang="grc">μὲν ὕδωρ</foreign> == das fü̆rnĕhmḗst ist Wasser. Pindar). Nie sollte man vergessen, <lb n="p3b_206.005"/> daß Beispiele wie diese:</p> <lb n="p3b_206.006"/> <lg> <l>Dā́māls │ wā́r Mārs │ Rḗttĕr dĕr │ Schlācht;</l> <lb n="p3b_206.007"/> <l>Hḗrrschĕr ĭm │ Dṓnnĕrgĕ │ wȫ́lk Zēus &c.</l> </lg> <p><lb n="p3b_206.008"/> in ihrer Betonung ebenso gegen den Sprachgeist verstoßen als ein mit „<hi rendition="#g">Kĕ̄́hr <lb n="p3b_206.009"/> ūm</hi>“ beginnender Hexameter. Ebenso sollte man die <hi rendition="#g">Unzulässigkeit</hi> der Ausrede <lb n="p3b_206.010"/> anerkennen, daß eine große Anzahl bacchischer Satztakte (wie Absichten, <lb n="p3b_206.011"/> Bierfässer, Weintrinker, abfinden) die Versetzung der betonten Anfangssilbe in <lb n="p3b_206.012"/> die Thesis gebieterisch fordern, um überhaupt im Hexameter Verwendung finden <lb n="p3b_206.013"/> zu können, da ja unsere Sprache reich genug an sinnersetzenden Wörtern ist. <lb n="p3b_206.014"/> (Die Wörter: Absichten, Bierfässer, Weintrinker, sind eben im Notfalle doch <lb n="p3b_206.015"/> als Daktylen zu nehmen, wenn auch als recht klobige, schwere. Sie müssen <lb n="p3b_206.016"/> ─ wenn auch ungern ─ zugelassen werden, ebenso wie zūlä̆ssĭg. Bei letzterem <lb n="p3b_206.017"/> ist es auffällig, denn zūlǟ́ssīg würde sehr dem zŭ lǟ́ssĭg ähneln. ─ Bei „<hi rendition="#g">Jm <lb n="p3b_206.018"/> Donnergewölk Zeus</hi>“ ist <hi rendition="#g">wȫlk Zēus</hi> im Grund genommen ein guter <lb n="p3b_206.019"/> Spondeus im antiken Sinn, da keine Silbe länger oder kürzer als die andere <lb n="p3b_206.020"/> ist. Das Kennzeichen des deutschen Spondeus ist eine Atemholungs-Pause <lb n="p3b_206.021"/> zwischen 2 langen Silben. Dies geht so weit, daß z. B. in „Damals schien <lb n="p3b_206.022"/> Mars“, „damals gilt Mars“ jeder dieser Sätze ein Choriambus (– ⏑ ⏑– –) <lb n="p3b_206.023"/> ist trotz pedantischen Einspruchs. Die Konsequenz wird sicher alle dem Accent <lb n="p3b_206.024"/> huldigenden Dichter nach und nach in diese Richtung führen.)</p> <p><lb n="p3b_206.025"/> Der Übersetzer muß, was Prosodik betrifft, Mund und Ohr (auch von <lb n="p3b_206.026"/> anderen) zu Rate ziehen. Nur auf diese Weise erfährt er, wo ein Monosyllabum <lb n="p3b_206.027"/> lang oder kurz zu nehmen ist, oder wo Disyllaba (z. B. Artikel, wie <lb n="p3b_206.028"/> eines, einem; Pronomina deines, seines &c.) als Thesen Verwendung finden <lb n="p3b_206.029"/> dürfen. Das gebildete oder zu bildende Ohr muß auch darüber entscheiden, <lb n="p3b_206.030"/> wo der von den deutschen Dichtern bereits mit Erfolg in ihrem Hexameter <lb n="p3b_206.031"/> (Sechstakter) angewandte Trochäus zulässig ist; es wird bald herausfinden, <lb n="p3b_206.032"/> wie derselbe der Schwerfälligkeit im Verse ebenso vorbeugt, als umgekehrt der <lb n="p3b_206.033"/> Spondeus im Senar und Oktonar die fortrollende Beweglichkeit hemmt; es <lb n="p3b_206.034"/> wird ihn aber auch nur etwa im 3. Takte zulässig finden, damit er nicht <lb n="p3b_206.035"/> allzusehr abschwäche.</p> <p><lb n="p3b_206.036"/> 18. <hi rendition="#aq">b</hi>. <hi rendition="#g">Apostrophierung.</hi></p> <p><lb n="p3b_206.037"/> Die <hi rendition="#g">Aphäresen</hi> (Weglassung von Buchstaben am Anfang), welche <lb n="p3b_206.038"/> namentlich Schlegel und Tieck in ihrem Shakespeare gebrauchen (z. B. <hi rendition="#g">'nen</hi> <lb n="p3b_206.039"/> für <hi rendition="#g">einen,</hi> ferner 's für es &c.), sind aus phonetischen Gründen wenig </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [206/0232]
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Ḗichwāld, Klṓpstōck &c. im Vers so anwenden, daß die zweite Silbe den Jktus p3b_206.002
erhält und die erste (infolge des Versrhythmus) den Accent verliert, so daß p3b_206.003
Sprachton und Versrhythmus fortwährend in Kampf geraten (z. B. ἄριστον p3b_206.004
μὲν ὕδωρ == das fü̆rnĕhmḗst ist Wasser. Pindar). Nie sollte man vergessen, p3b_206.005
daß Beispiele wie diese:
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Dā́māls │ wā́r Mārs │ Rḗttĕr dĕr │ Schlācht; p3b_206.007
Hḗrrschĕr ĭm │ Dṓnnĕrgĕ │ wȫ́lk Zēus &c.
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in ihrer Betonung ebenso gegen den Sprachgeist verstoßen als ein mit „Kĕ̄́hr p3b_206.009
ūm“ beginnender Hexameter. Ebenso sollte man die Unzulässigkeit der Ausrede p3b_206.010
anerkennen, daß eine große Anzahl bacchischer Satztakte (wie Absichten, p3b_206.011
Bierfässer, Weintrinker, abfinden) die Versetzung der betonten Anfangssilbe in p3b_206.012
die Thesis gebieterisch fordern, um überhaupt im Hexameter Verwendung finden p3b_206.013
zu können, da ja unsere Sprache reich genug an sinnersetzenden Wörtern ist. p3b_206.014
(Die Wörter: Absichten, Bierfässer, Weintrinker, sind eben im Notfalle doch p3b_206.015
als Daktylen zu nehmen, wenn auch als recht klobige, schwere. Sie müssen p3b_206.016
─ wenn auch ungern ─ zugelassen werden, ebenso wie zūlä̆ssĭg. Bei letzterem p3b_206.017
ist es auffällig, denn zūlǟ́ssīg würde sehr dem zŭ lǟ́ssĭg ähneln. ─ Bei „Jm p3b_206.018
Donnergewölk Zeus“ ist wȫlk Zēus im Grund genommen ein guter p3b_206.019
Spondeus im antiken Sinn, da keine Silbe länger oder kürzer als die andere p3b_206.020
ist. Das Kennzeichen des deutschen Spondeus ist eine Atemholungs-Pause p3b_206.021
zwischen 2 langen Silben. Dies geht so weit, daß z. B. in „Damals schien p3b_206.022
Mars“, „damals gilt Mars“ jeder dieser Sätze ein Choriambus (– ⏑ ⏑– –) p3b_206.023
ist trotz pedantischen Einspruchs. Die Konsequenz wird sicher alle dem Accent p3b_206.024
huldigenden Dichter nach und nach in diese Richtung führen.)
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Der Übersetzer muß, was Prosodik betrifft, Mund und Ohr (auch von p3b_206.026
anderen) zu Rate ziehen. Nur auf diese Weise erfährt er, wo ein Monosyllabum p3b_206.027
lang oder kurz zu nehmen ist, oder wo Disyllaba (z. B. Artikel, wie p3b_206.028
eines, einem; Pronomina deines, seines &c.) als Thesen Verwendung finden p3b_206.029
dürfen. Das gebildete oder zu bildende Ohr muß auch darüber entscheiden, p3b_206.030
wo der von den deutschen Dichtern bereits mit Erfolg in ihrem Hexameter p3b_206.031
(Sechstakter) angewandte Trochäus zulässig ist; es wird bald herausfinden, p3b_206.032
wie derselbe der Schwerfälligkeit im Verse ebenso vorbeugt, als umgekehrt der p3b_206.033
Spondeus im Senar und Oktonar die fortrollende Beweglichkeit hemmt; es p3b_206.034
wird ihn aber auch nur etwa im 3. Takte zulässig finden, damit er nicht p3b_206.035
allzusehr abschwäche.
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18. b. Apostrophierung.
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Die Aphäresen (Weglassung von Buchstaben am Anfang), welche p3b_206.038
namentlich Schlegel und Tieck in ihrem Shakespeare gebrauchen (z. B. 'nen p3b_206.039
für einen, ferner 's für es &c.), sind aus phonetischen Gründen wenig
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